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Gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule

Bildung ohne Nachteil: Gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule

In Schulen der Bundesrepublik werden gleichgeschlechtliche Lebensweisen sehr oft nicht thematisiert und damit auch tabuisiert. Das fördert Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zur Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen, Jungen und Männern, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen. Bekannt sind die Beschimpfungen als "Schwule", die nicht selten auf Schulhöfen zu hören sind. In der Schule müssen unterschiedliche Lebensweisen aktiv adressiert werden, wenn es zu den Bildungszielen gehört, Toleranz und Gleichberechtigung zu fördern. Gender Mainstreaming in der Schule bedeutet, dieses Bildungsziel adäquat umzusetzen.

Die Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen in der Schule führt auf mehreren Ebenen zu Problemen.

  • Zum einen trifft sie Kinder und Jugendliche, die sich lesbisch, schwul oder bisexuell entwickeln. Ihre Ausgrenzung wird toleriert. Wenn sie offen zu ihrer sexuellen Identität stehen, werden sie dann von Mitschülerinnen und Mitschülern lächerlich gemacht und schikaniert. Jugendliche bleiben mit ihren Fragen und Problemen dann auch allein. Schätzungen gehen in höheren Klassen von etwa 1 bis 2 Jugendlichen nicht-heterosexueller Orientierung pro Klassenstufe aus. Sie sind insbesondere in der schwierigen Phase ihres "Coming-out" betroffen, wenn ihnen bewusst wird, dass sie nicht heterosexuell fühlen, was meist zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr geschieht.

  • Zum anderen bedeutet die Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Lebensformen für Kinder und Jugendliche, die Vielfalt heutigen gesellschaftlichen Lebens nicht kennen zu lernen und ggf. auch diskriminierendes Verhalten zu akzeptieren. Ohne aktive Aufklärung über unterschiedliche Lebensformen lernen Kinder und Jugendliche nicht, mit einem Verständnis für Unterschiede in die Welt zu gehen. Damit wird ein wichtiger Teil des staatlichen Bildungsauftrages nicht erfüllt. Das beunruhigt insbesondere, wenn Studien zeigen, dass homophobe Gewalttaten (Angriffe gegen tatsächliche oder vermeintliche Schwule oder Lesben) außerhalb der Schule sehr häufig von Jungen in schulpflichtigem Alter begangen werden.

  • Schließlich bedeutet die Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Lebensformen in der Schule eine erhebliche Belastung von Lehrkräften, die selbst homo- oder bisexuell leben. Der Druck, das eigene Leben verstecken zu müssen, führt zu negativen psychosozialen Folgen und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit ebenso wie die Lebensqualität der Betroffenen


In der Schule bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, Gleichstellungsorientierung wirksam werden zu lassen.

  • Die Aufgabe der Schule im Rahmen des Erziehungsauftrages kann ausdrücklich auch mit Blick auf Gender Mainstreaming definiert werden: Ziele sind die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit, Respekt vor anderen und Gewaltfreiheit bei der Bewältigung und Lösung von Konflikten, also die Vermittlung grundlegender Werte der Verfassung. Schule muss daher eindeutig gegen Diskriminierung und fehlende Toleranz Stellung beziehen. Dazu gibt es auch geeignete pädagogische Ansätze.

  • Lehrpläne können geschlechtergerecht und gleichstellungsorientiert gestaltet werden. Das bedeutet z.B., das Thema sexuelle Orientierung nicht nur in den Fächern Biologie und Sozialkunde als "Problem" zu behandeln, das "andere" haben. Vielmehr lassen sich Fragen der unterschiedlichen Lebensweisen in zahlreiche Fächer integrieren: bei der Auseinandersetzung mit Literatur, der Auswahl von Beispielen in allen Fächern und der Vermittlung von sozialen Grundkompetenzen.

  • Im Unterricht hat es sich als sehr sinnvoll erwiesen, lesbisch-schwule Projekte einzubeziehen, die differenziert auf die Fragen und Bedürfnisse von Jugendlichen ausgerichtet sind und sowohl informieren als auch Akzeptanz schaffen. Ein Beispiel ist das Jugendnetzwerk Lambda.

  • Lehrkräfte können im Rahmen der Aus- und Fortbildung persönliche und didaktische Kompetenzen erwerben, um mit Diskriminierung und Unterschiedlichkeiten, also auch mit dem Thema Gender und sexuelle Orientierung umgehen zu können. Hierzu gibt es in Deutschland mehrere Angebote, die unter Nutzung lesbisch-schwuler pädagogischer Kompetenz entwickelt worden sind. Ein Beispiel ist KomBi – Kommunikation und Bildung vom anderen Ufer: Pädagogisches Konzept, Berlin 2004,

  • Lehrkräfte können ihre Aufgabe, auch Vertrauensperson zu sein, für Jugendliche nur erfüllen, wenn sie selbst in einem Arbeitsklima leben, in dem Vertrauen und Akzeptanz herrschen. Viele Schwule und Lesben haben in der Schule aus historischen Gründen Angst, ausgegrenzt zu werden. Erfahrungen zeigen, dass sich dieses Klima erheblich verbessert, wenn Lehrkräfte selbst ihre Lebensweisen nicht verstecken müssen. Hier kann eine unterstützende Kampagne der zuständigen Behörde wichtige Zeichen setzen und dabei helfen, das Tabu zu brechen.

  • Entscheidend für die Situation und für Entwicklungschancen von Jugendlichen ist die Akzeptanz in der Gruppe der Gleichaltrigen. Die Schule ist der Ort, an dem sich Gleichaltrige treffen. Schafft sie auf der symbolischen Ebene ein Klima der Akzeptanz, ist viel gewonnen. Beispiele sind Veranstaltungen, gut platzierte Plakate, Filme oder Theater zum Thema der Vielfalt von Lebensformen.

  • Die Politik kann dazu beitragen, an Schulen ein Klima der Akzeptanz und Toleranz zu fördern. So lässt sich in den Gremien ebenso wie in der Öffentlichkeit wirken und z.B. im Landesschülerrat Bewusstsein schaffen und multiplizieren.

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Senatsverwaltung für Inneres (Hg.): Endbericht der Unabhängigen Kommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt in Berlin, Berlin 1994, S. 117.
  • Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin, Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (Hg.): Sie liebt sie. Er liebt ihn. Eine Studie zur psychosozialen Situation junger Lesben, Schwuler und Bisexueller in Berlin, Berlin 2001.
  • Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales: Zur Lebenssituation, sozialen und sexuellen Identität schwuler Jugendlicher, Hannover 2001.
  • KomBi – Kommunikation und Bildung im Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer e.V. (KBZ e. V.): Pädagogisches Konzept, Berlin 2004.
  • KomBi – Kommunikation und Bildung im Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer e.V. (KBZ e. V.): Literaturempfehlungen zum Thema sexuelle Identität für Vorschulkinder, für Jugendlichen sowie für Eltern und PädagogInnen.KomBi - Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer e.V.: Literaturempfehlungen zum Thema sexuelle Identität für Vorschulkinder, für Jugendlichen sowie für Eltern und PädagogInnen.
Hier finden Sie eine ausführliche Literaturliste zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen in der Schule.
 
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05