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Geburten

Geburten

Die Geburtenzahl ist abhängig von der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau (Fertilität) sowie der allgemeinen Altersstruktur der Bevölkerung, d.h. der Anzahl potenzieller Eltern (Gruppe der 15-49jährigen).
In fast allen Industrieländern wie auch in einigen sog. Entwicklungsländern ist die Fertilität in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. Zum einen nimmt die Kinderzahl pro Frau ab, so dass die „Mehrkinder-Familie“ allmählich seltener wird. Zum anderen verschiebt sich seit vielen Jahren der Zeitpunkt der Geburt von Kindern im Lebensverlauf von Frauen nach hinten.
In Deutschland lag die Fruchtbarkeitsrate im Jahre 2003 bei 1,34 Kindern pro Frau und damit noch unter dem europäischen Durchschnitt von 1,46 (Gender-Datenreport 2005: 218). In Ostdeutschland erfolgte nach der „Wende“ sogar ein drastischer Rückgang der Fruchtbarkeitsrate. Inzwischen ist dieser Trend jedoch wieder rückläufig, wenngleich die Rate noch immer unter dem westdeutschen Niveau liegt.
Die Bevölkerungswissenschaft orientiert sich im Rahmen ihrer Prognosen am sog. Ersatzniveau, d.h. an der Kinderzahl, bei der sich die Bevölkerung vollständig reproduziert. Dieses Niveau wird gegenwärtig mit 2,1 Kindern angegeben, so dass die bundesdeutsche Bevölkerung mittel- bis langfristig sichtbar abnehmen wird.
Die Ursachen für eine abnehmende Fertilität sind überaus vielschichtig. Unabhängig von der Gewichtung einzelner Ursachen stehen jedoch Geburtenentwicklung und der Wandel der Geschlechterverhältnisse in einem engem Zusammenhang. Folgende Gender-Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung:
  • Im weltweiten Maßstab trägt ein hohes allgemeines Wohlstandsniveau zu abnehmender Fertilität bei. In dem Maße, wie Kinderreichtum nicht mit unmittelbaren ökonomischen Vorteilen und familiärer Versorgung verbunden ist, sinken auch die Geburtenzahlen. Dies zeigt beispielsweise die Geburtenentwicklung in sog. „Schwellenländern“ in Südamerika und Ostasien. In engem Zusammenhang damit gilt der Zugang zu Mitteln der Empfängnisverhütung als Voraussetzung für „selbstbestimmte Elternschaft“. In den alten Bundesländern verweist zum Beispiel der sog. „Pillenknick“ auf das Gewicht der Empfängnisverhütung bei der Geburtenentwicklung.
  • Parallel zur Fortexistenz der traditionellen Familie findet in Europa ein Pro-zess der Individualisierung und Pluralisierung von Familien- und Lebensformen statt. Ausdruck dessen ist u.a. der stark gestiegene Anteil außerehelicher Geburten in allen europäischen Ländern.
  • Statistisch gesehen besteht zudem ein enger Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und der Entscheidung für Kinder. Gemeinhin gilt ein hoher Ausbildungsstand von Frauen als eine Ursache für sinkende Geburtenraten. So habe die Bildungsexpansion dazu beigetragen, dass Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sich neue Berufs- und Tätigkeitsfelder erschließen und verstärkt individuelle berufliche Ziele realisieren wollen. Die Kinderlosigkeit von Akademikerinnen ist zwar höher als im Durchschnitt aller Frauen, wird angesichts der unzureichenden Datenlage aber überschätzt. Die Zahl von 40 Prozent ist inzwischen nach unten korrigiert worden (Wirth/Dümmler 2004; Schmitt/Winkelmann 2005; Statistisches Bundesamt 2006), da Familiengründungsprozesse bei hoch qualifizierten Bildungsgruppen in einem deutlich höheren Lebensalter stattfinden. Es ist zudem darauf aufmerksam gemacht worden, dass der höhere Anteil von Akademikerinnen, die kinderlos bleiben, kein neues Phänomen ist, sondern sich vielmehr die Gruppe der Personen mit akademischem Abschluss in den letzten 30 Jahren stark vergrößert hat. Folglich steigt auch der Anteil von Frauen und Männern, die kinderlos sind.
  • Der Zusammenhang von (Frauen-)Erwerbstätigkeit und Elternschaft ist weniger eindeutig: Bis vor wenigen Jahren wurde davon ausgegangen, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen, die mit zunehmender ökonomischer Unabhängigkeit, aber auch mit wachsenden beruflichen Anforderungen verbun-den ist, zu sinkenden Geburtenzahlen beiträgt. Für einige europäische Staaten (wie z.B. Finnland, Schweden, Island) lässt sich jedoch zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und hohen Geburtenzahlen sowie den dort bestehenden günstigen Rahmenbe-dingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht. Dies verdeutlicht, dass entsprechende Strukturen vorhanden sein müssen, die Problemlagen bei der Vereinbarkeit von Kindern und Erwerbstätigkeit kompensieren helfen.
  • Insgesamt ist in der aktuellen Diskussion über die demografische Entwicklung festzustellen, dass nach wie vor in erster Linie Frauen und ihr reproduktives Verhalten im Zentrum der Debatte stehen. Dabei zeigen Studien, dass Männer mit 26,3 Prozent deutlich häufiger als Frauen mit 14,6 Prozent keine Kinder wollen (BIB 2005: 36f.). Die aktuelle, vorrangig auf Frauen konzentrierte Diskussion wird vor diesem Hintergrund gegenwärtig dahingehend geöffnet, dass gute Rahmenbedingungen im gesellschaftlichen und sozialen Umfeld für Frauen und Männer geschaffen werden und somit eine echte Wahlfreiheit im Hinblick auf eine Familiengründung entsteht.

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05