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Gender Aspekte Unbezahlte Arbeit

Gender-Aspekte sind im Bereich der unbezahlten Arbeit

1. Problem der statistischen Erfassung

Es gibt verschiedene Methoden, unbezahlte Arbeit zu messen. Zur Erfassung des Volumens von unbezahlter Arbeit können Zeitbudgetstudien erstellt werden, wie dies auch in den Jahren 1991/92 und 2001/02 in Deutschland umgesetzt wurde.
Zur Berechnung des monetären Werts von unbezahlter Arbeit gibt es mehrere Möglichkeiten (vgl. UNPAC 1999/ Schäfer 2004, 968): Bei der Bewertung unbezahlter Arbeit mit der Opportunitätskostenmethode werden die Stunden, die jährlich in einer Gesellschaft für unbezahlte Arbeit aufgebracht werden, mit dem Stundenlohn multipliziert, den eine Person in der für unbezahlte Arbeit verwendeten Zeit auf dem Arbeitsmarkt verdienen könnte. Eine andere Möglichkeit ist, die unbezahlte Arbeit mit der Marktkostenmethode zu bewerten. Hierbei wurden drei Ansätze empirisch umgesetzt: die Generalistenmethode, die Spezialistenmethode und die Berechnung des Wertes von unbezahlter Arbeit anhand des Durchschnittsgehalts eines Landes. Sowohl bei der Berechnung mit der Generalistenmethode als auch bei der Berechnung mit der Spezialistenmethode liegt der Berechnung der Stundenlohn einer im Haushalt tätigen Arbeitskraft zugrunde. Bei der Generalistenmethode wird von dem Gehalt eines/r Hausangestellten ausgegangen, welche/r alle Aufgaben im Haushalt übernimmt. Hingegen wird bei der Bewertung mit der Spezialistenmethode von den Lohnsätzen für spezialisiertes Personal (z. B. Erzieher/-in, Handwerker-/in, Köchin oder Koch) und somit von unterschiedlichen Lohnsätzen für verschiedene Tätigkeiten im Haushalt ausgegangen. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, der Berechnung das Durchschnittsgehalt eines Landes (inklusive Arbeitgeberleistungen) zugrunde zu legen. Durch die Nutzung eines geschlechtsneutralen Durchschnittsgehaltes wird die geschlechtsdiskriminierende Bezahlung auf dem Arbeitsmarkt nicht in die Ermittlung des Wertes von unbezahlter Arbeit übernommen.

Die Bundesrepublik hat auf der Grundlage der Daten der Zeitbudgetstudien für die Jahre 1992 und 2001 ein Haushalts-Satellitensystem erstellt, mit dem der Umfang und der monetäre Wert der Haushaltsproduktion dargestellt wird. Dieses Satellitensystem steht außerhalb der traditionellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und zeigt parallel zu diesen die Auswirkungen einer Einbeziehung der unbezahlten Arbeit in das Bruttoinlandsprodukt. Die Haushaltsproduktion wird dem Bruttoinlandsprodukt gegenübergestellt und mit der Marktproduktion verglichen. Auf diese Weise können Veränderungen im Verhältnis von Markt- und Haushaltsproduktion ermittelt und die wirtschaftliche Bedeutung von unbezahlter Arbeit in Entscheidungsprozessen stärker berücksichtigt werden.
In Deutschland wurde bei der Erstellung des Haushalts-Satellitensystems 2001 der Generalistenansatz zur Berechnung des Wertes von unbezahlter Arbeit verwendet. Hinzu kamen die Ausgaben für Lebensmittel und Kücheneinrichtung sowie anteilige Mietkosten. Obwohl der ermittelte Wert auf Grund der Nutzung des Generalistenansatzes weit unter dem tatsächlichen Wert der Haushaltsproduktion liegt, betrug im Jahre 2001 die auf diese Weise errechnete „Gesamtwertschöpfung der Haushaltsproduktion“ 820 Mrd. €. Damit entsprach sie in etwa der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie und der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr zusammen (vgl. BMFSFJ 2003).

Die Erstellung eines Satellitensystems für die Haushaltsproduktion ist ein Kompromiss, welcher der Forderung nach Berücksichtigung von unbezahlter Arbeit in den Wirtschaftsberechnungen entgegenkommt, ohne dass diese vollständig in das Bruttoinlandsprodukt einbezogen wird. Eine Einbeziehung der Haushaltsproduktion in das Bruttoinlandsprodukt würde nach Ansicht vieler Wirtschaftsexpertinnen und -experten sowohl inhaltliche als auch praktische Schwierigkeiten bei der Berechnung mit sich bringen. Statt dessen fließt die unbezahlte Arbeit nun in ein neues System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ein.
Eine vollständige Einbeziehung von unbezahlter Arbeit in Wirtschaftsstatistiken wäre jedoch notwendig, um die essentielle Bedeutung von unbezahlter Arbeit für die Wirtschaft sichtbar zu machen. Daher sollten weitere Strategien verfolgt werden, um die unbezahlte Arbeit in Wirtschaftsstatistiken zu integrieren und die Anliegen unbezahlt arbeitender Menschen in politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse einzubeziehen, z. B. durch die Einführung von Gender Budgeting.

2. Unterbewertung von Haus- und Familienarbeit

Sowohl unbezahlte als auch bezahlte Arbeit im Haushalt wird aus verschiedenen Gründen unterschätzt und unterbewertet.
Im Falle der unbezahlten Haus- und Familienarbeit liegt die geringe Wertschätzung dieser Arbeit u.a. an der fehlenden Einbeziehung in die Wirtschaftsberechnungen. Zudem werden Fähigkeiten, welche bei der Haus- und Familienarbeit benötigt werden, wie z. B. Genauigkeit oder Einfühlungsvermögen, als typisch weibliche Fähigkeiten betrachtet, die jede Frau „von Natur aus“ besitzt. Daher erfahren sie keine besondere Wertschätzung und werden dementsprechend gar nicht bzw. als haushaltsnahe oder personenbezogene Dienstleistungen (Haushälterin, Kindermädchen etc.) oder in „typisch weiblichen“ Berufen (z. B. Erzieherin) nur gering entlohnt.
Die Unterbewertung von Haus- und Familienarbeit hat ihren Ursprung nicht zuletzt in einer gesellschaftlich konstruierten Verbindung zwischen der (materiellen) Wertschätzung einer Tätigkeit und deren Output. Haus- und Familienarbeit erzeugt keinen Output im klassischen Sinne und wird somit meist als gering-produktiv erachtet. Der Input hingegen, d.h. die Anforderungen an die arbeitende Person, sowie die gesellschaftliche Relevanz der Arbeit nehmen in der Wertschätzung einen geringeren Stellenwert ein.

3. Strukturen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung

Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist die Einteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit in bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Haus- und Familienarbeit sowie deren Zuschreibung an Frauen und Männer. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird durch vorherrschende Stereotypen von Frauen und Männern gefördert. Bei der Stereotypisierung von Frauen und Männern werden tatsächliche Interessen und Lebenslagen vernachlässigt. Die unentgeltliche Haus- und Familienarbeit wird dabei als „Frauenarbeit“ definiert.
Auf diese Weise wird das Fernbleiben von Männern von Hausarbeit, Kindererziehung und der Pflege von Familienmitgliedern „legitimiert“. Die Rollenverteilung trägt dazu bei, dass die Beteiligung von Männern im Haushalt auch bei zunehmender Erwerbstätigkeit von Frauen nicht in gleichem Maße zunimmt (vgl. BMBFSFJ 2003).

Viele Strukturen in Deutschland, z. B. das Steuersystem (s. familienbezogene Steuerpolitik) oder das soziale Sicherungssystem, basieren nach wie vor auf der Annahme einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und wirken somit positiv auf deren Fortbestand ein (s. Soziale Sicherung) .
Auch die Infrastruktur in Deutschland ist auf Grund von unzureichender Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen (insb. für Kleinkinder), Pflegediensten, Haushaltsdienstleistungen u.ä. kaum auf Doppelverdiener-Haushalte bzw. erwerbstätige Alleinerziehende ausgerichtet.
Nicht zuletzt wird durch die Verteilung und Organisation der Erwerbsarbeit die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung befördert, da sie auf Grund langer Arbeitszeiten einen Partner – wegen der durchschnittlich niedrigeren Einkommen meist Frauen – „zwingt“, bei familiären Verpflichtungen (auf Grund von Kindern, Pflegebedürftigen etc.) die Erwerbstätigkeit aufzugeben oder nur noch Teilzeitarbeit zu leisten.
Zwar liegt das statistisch ermittelte Pro-Kopf-Einkommen von Frauen kaum unter dem von Männern (vgl. BMBFSFJ 2005, 448), jedoch erlangen Frauen auf Grund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung dieses Einkommen zu einem großen Teil indirekt über andere Menschen (z. B. als Teil einer Bedarfsgemeinschaft), Männer hingegen weit mehr direkt in Form eigener Einkünfte. Diese ökonomische Abhängigkeit kann sich negativ auf das Leben der betroffenen Frauen auswirken, z. B. auf ihre Verhandlungsposition und ihre Konsumspielräume innerhalb der Familie, auf ihre Anerkennung bei anderen oder ihr eigenes Selbstbewusstsein, aber auch auf die Sicherung ihres Lebensunterhaltes z. B. im Falle einer Trennung vom Partner oder im Alter (s. Soziale Sicherung).

JL

Weiterführende Literatur


erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05