Sie sind hier: Startseite GenderKompetenz 2003-2010 Sachgebiete Soziale Sicherung Aspekte

Aspekte

Aspekte Soziale Sicherung

Im Bereich der sozialen Sicherung sind folgende Gender-Aspekte von besonderer Bedeutung:
  • In der Bundesrepublik Deutschland ist das soziale Sicherungssystem erwerbszentriert: Der Status im Erwerbsleben wird also in die soziale Sicherung hinein verlängert. Sozialversicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld oder Rente sind nach dem Prinzip der Beitragsäquivalenz gestaltet, d.h. hohe Beitragszahlungen führen auch zu hohen Leistungen. Aufgrund des im Durchschnitt geringeren Einkommens und der kürzeren (Lebens-)Arbeitszeiten von Frauen erhalten diese im Durchschnitt deutlich niedrigere Sozialversicherungsleistungen als Männer.

  • Ein Großteil der sozialen Sicherung wird über abgeleitete Rechte gewährleistet, die über den Ehegatten-Status verliehen und mehrheitlich von (Ehe-)Frauen in Anspruch genommen werden. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang zum einen die Hinterbliebenenrente im Bereich der Gesetzlichen Rentenversicherung („Witwenrente“) und zum anderen die beitragsfreie Mitversicherung von nicht-erwerbstätigen Ehegatten im Bereich der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Diese ehebezogenen Regelungen halten materielle (und in Folge personelle) Abhängigkeiten aufrecht.

  • Die für Westdeutschland prägende Leitidee des männlichen Familienernährers (und einer nicht-erwerbstätigen Hausfrau) verliert gegenwärtig an Bedeutung; die Erwerbsbeteiligung von Frauen nimmt zu. Dementsprechend geht der Trend bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme auch zur Individualisierung von sozialen Rechten (Adult Worker Model) und zum sukzessiven Abbau abgeleiteter Rechte.

  • In den letzten Jahren sind Ansprüche etabliert worden, die sich aus Familienarbeit ableiten (z.B. die additive Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente). Dies erhöht in der Regel die Rentenansprüche von Frauen, kann aber die durch die Erwerbsbiografie entstandenen Beitragslücken in der Regel nicht hinreichend kompensieren.

  • Im Allgemeinen besteht bei der Individualisierung von sozialen Rechten die Gefahr, dass das Niveau der sozialen Sicherung von Frauen (zu) gering ist, da der Abbau von abgeleiteten Rechten noch nicht mit entsprechenden Möglichkeiten zur kontinuierlichen Erwerbsbeteiligung und damit zum Aufbau eigenständiger Ansprüche und Rechte einhergeht. Eine Individualisierung von sozialen Rechten ist somit nur dann sinnvoll, wenn dadurch auch eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen ermöglicht wird.

  • Neue Geschlechterungleichheiten entstehen bei der privaten Vorsorge, die in Folge der jüngsten sozialpolitischen Reformen einen höheren Stellenwert erhält. Angesichts der im Durchschnitt höheren Lebenserwartung von Frauen liegen bisher die Versicherungsprämien von Frauen bei der Privaten Altersvorsorge und der Privaten Krankenversicherung über denen der Männer. Seit 2006 erfolgt eine staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) jedoch nur noch dann, wenn Unisex-Tarife angeboten werden. Auch andere augenfällige Geschlechterungleichheiten wie beispielsweise das bis 1992 bestehende unterschiedliche Renteneintrittsalter von Frauen und Männern wurden beseitigt.

  • Entgegen des allgemeinen Trends zur Individualisierung der sozialen Rechte besteht im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende ein Trend zur Re-Familialisierung der sozialen Sicherung. Mit der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II greift das Konzept der „Bedarfsgemeinschaft“, durch das Ansprüche aufgrund der verstärkten Anrechnung von Partnereinkommen reduziert werden oder ganz entfallen. Dies betrifft überproportional Frauen, da sie angesichts der durchschnittlich besseren Erwerbsintegration von Männern wesentlich häufiger als nicht bedürftig gelten und auf das Einkommen ihres Partners verwiesen werden.

  • Insgesamt ist die Armutsquote von Frauen nach wie vor höher als die von Männern. Altersarmut wird jedoch zunehmend von Armut durch Erwerbslosigkeit abgelöst. Hierbei handelt es sich oftmals um eine familienbedingte Nicht-Erwerbstätigkeit; dabei ist der Anteil von allein erziehenden Müttern in dieser Gruppe sehr hoch.

  • Die Pflegeversicherung gewährleistet soziale Sicherung im Fall von Pflegebedürftigkeit. Für die ambulante Pflege von Angehörigen kann die pflegende Person auch monetäre Leistungen in Anspruch nehmen. Dies bedeutet eine Aufwertung (ansonsten meist von Frauen geleisteter) unbezahlter Arbeit, allerdings sind die gewährten Leistungen nicht existenzsichernd. Zugleich sind Frauen ab dem Alter von 75 Jahren stärker selbst pflegebedürftig.

  • Ergänzt wird das System sozialer Sicherung durch ein Steuersystem, das mit dem Ehegattensplitting die Einverdiener-Ehe unterstützt und Anreize für Ehefrauen schafft, ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen oder in ihrem Umfang zu reduzieren.

Weiterführende Literatur:




erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05