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Aspekte

Aspekte Jugend

Lebenslagenpolitik: Jugendpolitische Maßnahmen müssen sich auf die verschiedenen Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen beziehen, um allen gleichermaßen optimale Entwicklungsbedingungen zu ermöglichen. Als Dimensionen sozialer Differenzierung werden im Elften Kinder- und Jugendbericht (2002) Geschlecht, Bildung, Schicht/Klasse, Region, Migration und Alter aufgegriffen. Gender Mainstreaming als Strategie ermöglicht den systematischen Einbezug dieser Dimensionen in die Planung und Umsetzung aller Vorhaben der Jugendpolitik.

Freiwilligendienste und Ehrenamt: Bürgerschaftliches Engagement ist zentrales Thema aktueller Debatten um die Zukunft der Zivilgesellschaft. 2004 leisten mehr als 15.000 Jugendliche das Freiwillige Soziale oder Freiwillige Ökologische Jahr - junge Männer sind bei den Teilnehmenden jedoch in der Minderheit, wenn auch mit steigender Tendenz. Das Freiwilligensurvey (2001) gibt Aufschluss über die Zugänge, die junge Frauen und junge Männer zu gesellschaftlichem Engagement haben: Mädchen engagieren sich eher im sozialen Bereich sowie im Tier- und Naturschutz, Jungen dagegen eher im Sport, beim Rettungsdienst oder bei der freiwilligen Feuerwehr. Trotz hoher Motivation und der Nutzung von Weiterbildungsangeboten zeigt das Survey jedoch auch, dass junge Frauen weniger als junge Männer von leitenden Personen entsprechender Organisationen hinsichtlich Möglichkeiten der Mitarbeit angesprochen oder ermuntert werden als junge Männer. "Gender" im Ehrenamt spiegelt sich auch darin, dass sich Mädchen bessere Informationen zu ehrenamtlichen Möglichkeiten sowie mehr öffentliche Anerkennung für ihr Engagement wünschen. Gender Mainstreaming deckt durch geschlechtsdifferenzierte Datenanalysen solche Geschlechterverhältnisse auf und wirkt Zuweisungen von Mädchen und Jungen in bestimmte Ehrenamtsbereiche sowie der geschlechtertypisierten und damit diskriminierenden Anerkennung von gesellschaftlichem Engagement entgegen. Das erweitert Handlungsoptionen von Individuen und der Zivilgesellschaft.

Lebensziele: "Karriere machen", selbständig sein und "Verantwortung übernehmen" sind für Mädchen und junge Frauen ebenso wichtig wie für Jungen und junge Männer - so die 14. Shell Jugendstudie. Gleichzeitig geben 75 Prozent der weiblichen und 65 Prozent der männlichen Heranwachsenden an, eine Familie zum "glücklich sein" zu brauchen. Eigene Kinder wollen mehr als zwei Drittel der Jugendlichen haben. Das bedeutet, dass Karriere und Familie für Jungen wie für Mädchen zwei zentrale, gleichberechtigte Zielvorstellungen für die Lebensführung sind. Gender Mainstreaming ist ein Weg, Modelle der Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und Familie für Männer und Frauen zu schaffen sowie Mädchen und Jungen für ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Miteinander zu sensibilisieren und vorzubereiten. Lebensformen: Ca. 5 Prozent aller Jugendlichen entwickelt eine lesbische, schwule oder bisexuelle Orientierung. Ca. 1 Prozent aller Kinder wächst in Familien mit einem lesbischen bzw. schwulen Elternteil auf. Wenn sich Jugendliche der eigenen Homo- oder Bisexualität bewusst werden und Prozesse des Coming-Out durchleben, löst das im Umfeld wie z.B. der Schule oder der Familie nach wie vor häufig dramatische Reaktionen aus. Gender Mainstreaming in der Jugendarbeit ermöglicht, durch präventive und konfliktbegleitende Maßnahmen in der Erziehungs- und Familienberatung geschlechtsbezogene und damit auch an der sexuellen Orientierung anknüpfende Diskriminierung zu verhindern.

Internet: Der Computer gehört für deutlich mehr Jungen als Mädchen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Das steht auch mit dem Besitz von bzw. den Zugangsmöglichkeiten zu Computern in Zusammenhang. Ergebnis der Shell-Studie war zudem, dass ca. 40 Prozent der deutschen und ca. 70 Prozent der türkischen Jugendlichen keinen eigenen Computer haben - türkischen Mädchen ist der Zugang zum Computer somit möglicherweise doppelt erschwert. Im Hinblick auf die Computernutzung steht das Surfen im Internet bei Jungen und Mädchen gleichermaßen an erster Stelle. Inhaltlich folgen Kinder ihren bis zu diesem Zeitpunkt präformierten Interessen (Jugendschutz in Telemedien 2003). Diese Interessen sind allerdings immer noch in großem Maße geprägt von geschlechtstypischer Erziehung von Jungen und Mädchen. Gender Mainstreaming als Strategie in Bildung und Erziehung ermöglicht, unterschiedliche Interessen von Jungen und Mädchen als gleichwertig anzuerkennen und wirkt auch darauf hin, Interessensspielräume zu erweitern, z.B. in Form gezielter Entdeckung jungentypischer Internetinhalte durch Mädchen und mädchentypischer Internetinhalte durch Jungen. Gender Mainstreaming ermöglicht weiterhin, aus einer zielgruppendifferenzierten Nutzendenanalyse Maßnahmen des erzieherischen und strukturellen (Medien-)Schutzes abzuleiten.
Jugendarbeit: Gender Mainstreaming zielt darauf, in alle Planungs-, Entwicklungs- und Evaluationsprozesse geschlechterbewusste Pädagogik einzubeziehen. Dabei geht es nicht immer darum, bestimmte Maßnahmen vorzuschreiben. Je nach Sachlage und aufgrund einer mit GM erfolgenden Gender-Analyse sind Maßnahmen wie reine Mädchen- oder reine Jungenarbeit oder auch koedukative Angebote denkbar, die im jeweiligen Fall zur Förderung von Gleichstellung unterschiedlicher Mädchen und unterschiedlicher Jungen beitragen. Als Voraussetzung für geschlechtergerechte Jugendarbeit muss Gender Mainstreaming in die Personal- und Organisationsentwicklung all der Institutionen einfließen, die Jugendarbeit anbieten. Ein Ansatzpunkt dafür ist die ungleiche Repräsentation des Personals in Kindertagesstätten: dort arbeiten ca. 4 % Männer und ca. 96 % Frauen bei tendenziell unterwertiger Entlohnung (Meyer/von Ginsheim 2002). Weiterhin ist es wichtig, Gender Mainstreaming in die Aufgabenkataloge und Zielvorstellungen von Jugendarbeit zu integrieren. Dazu gehören Jugendsozial- und Jugendverbandsarbeit sowie Hilfe bei der Erziehung in Familien oder Kindertageseinrichtungen. Gegenstand geschlechtergerechter Planung sind hier die Auswahl von Projektthemen, der Arbeitsformen und methoden, der Zielgruppen und des durchführenden Personals sowie die Strategien der Öffentlichkeitsarbeit. Mit GM beruhen diese auf einer genauen Analyse der Lebenslagen unterschiedlicher weiblicher und männlicher Jugendlicher und beachten durchgehend das Ziel der Gleichstellung.

Jugendhilfe: Geschlecht als Kategorie und das Ziel Gleichstellung ist 1990 in das Kinder- und Jugendhilfegesetz aufgenommen worden. § 9 Abs. 3 KJHG formuliert die Vorgabe, dass „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern“ ist. Zudem wurde am 1. Januar 2001 die Strategie Gender Mainstreaming in den Richtlinien des Kinder- Jungendplans (KJP) verankert. So heißt es in I. 1 Absatz 2 c: „Der Kinder- und Jugendplan soll darauf hinwirken, dass die Gleichstellung von Mädchen und Jungen als durchgängiges Leitprinzip gefördert wird (Gender-Mainstreaming)“ und in I. 2 Absatz 2: „Die Berücksichtigung der spezifischen Belange von Mädchen und Jungen und jungen Frauen und jungen Männern zur Verbesserung ihrer Lebenslagen sowie der Abbau geschlechterspezifischer Benachteiligungen muss bei allen Maßnahmen besonders beachtet werden. Es muss darauf hingewirkt werden, dass Frauen bei der Besetzung und Förderung hauptamtlicher Fachkraftstellen angemessen vertreten sind.“ Die Einführung von GM im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bedeutet zum einen die differenzierte Beachtung von Mädchen und Jungen in der pädagogischen Arbeit – betrifft also die Adressatinnen und Adressaten. Zum anderen bezieht sich GM auf strukturelle Veränderungsprozesse in der Organisationsentwicklung und Personalentwicklung innerhalb der Institutionen der Kinder- und Jugendhilfepolitik. In der Kinder- und Jugendhilfe wird schon langjährig geschlechterbezogene Arbeit geleistet. Im Kontext der Implementierung von Gender Mainstreaming ist besonders die Infragestellung von Geschlechterstereotypen zentral. Beispielsweise belegte die Gewaltforschung im Teilbereich „Gewalt“ lange Zeit, dass Jungen aufgrund eines höheren Aggressionspotentials gewalttätiger als Mädchen sind. Als Täterinnen erscheinen Mädchen bisher wenig in Jugendhilfemaßnahmen, obwohl Ergebnisse aus Dunkelfeldstudien ein höheres Niveau der Gewaltdelinquenz bei weiblichen Jugendlichen feststellen als in der polizeilich registrierten Kriminalität (Wittmann 2004). Neuere Erkenntnisse der Geschlechterforschung zeigen, dass Jugendgewalt nicht monokausal erklärt werden kann. Es kann z.B. Funktion einer Gender-Analyse im GM sein, genauer zu untersuchen, welche Mädchen und Jungen, in welchem Kontext und aus welchen Gründen gewalttätig werden und wer die Opfer von Gewalt genau sind. In der Infragestellung der zugrundeliegenden Normen und Werte müssen Formen der Gewalt gegen Mädchen und Jungen, Jungengewalt oder Mädchengewalt unterschieden werden. Dabei werden weitere Dimensionen von Geschlecht wie Sexualität, Alter, Behinderung und ethnische und nationale Zugehörigkeit relevant.Die Einführung von GM in der Kinder- und Jugendhilfe weist auf den Bedarf an Gender-Kompetenz bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern in den Institutionen und Einrichtungen hin. Diese benötigen nicht nur ein differenziertes Gender-Wissen über Lebenslagen und Lebensformen von Mädchen und Jungen als Zielgruppe, sondern müssen befähigt werden, dies bei der Personalplanung, -auswahl und -führung zu berücksichtigen.Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat ein Pilotprojekt zum Thema „Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe" abgeschlossen. Die Kinder- und Jugendhilfe wird in drei Bereichen – der Organisationsentwicklung, der Personalentwicklung sowie in Projekten und Maßnahmen – kritisch und umfassend diskutiert. Anschließend wird in drei Arbeitshilfen anhand von sechs gleichstellungsrelevanten Fragestellungen gezeigt, wie die Implementierung von Gender Mainstreaming konkret aussehen kann. Die Veröffentlichung zum Pilotprojekt von Dorit Meyer und Gabriele v. Ginsheim „Gender Mainstreaming – Zukunftswege der Jugendhilfe. Ein Angebot“ kann als pdf-Datei heruntergeladen werden.


Instrumente zur Umsetzung von Gender Mainstreaming im Sachgebiet Jugend

  • Der "Fragebogen zum Stand von Geschlechtergerechtigkeit und Gender Mainstreaming (GM) bei den aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes geförderten Trägern der Kinder- und Jugendhilfe" wurde von Dr. Reinhild Schäfer und Elisabeth Helming vom Deutschen Jugend Institur (DJI) entwickelt. Er unterstützt im Handlungsfeld Zuwendungen besonders bei der Projektevaluation sowie im Sachgebiet Jugend. Das Instrument richtet sich an die Geschäftsführung und übergreifende Projektbetreuung von Bundessozialverbänden, Bundesarbeitsgemeinschaften und Einzelverbänden. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie in der Tagungsdokumentation "Instrumente zur Umsetzung von Gender Mainstreaming" und auf der Homepage http://cgi.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=193&suchtext=Reinhild+Sch%E4fer+ .
Hier finden Sie eine Sammlung weiterer Instrumente.

Literaturhinweise:

BMFSFJ, Kinder- und Jugendhilfe, Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB), 2005.

Kinder- und Jugendplan des Bundes, Richtlinien des BMFSFJ vom 19. Dezember 2000

Elfter Kinder- und Jugendbericht - Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe in Deutschland, 2002.

Ministerium für Schule, Jugend und Kinder NRW: Gender Mainstreaming - Mädchen und Jungen in der Kinder- und Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen. Expertise zum 8. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW (AutorInnen: Debbing, Cäcilia / Ingenfeld, Marita / Cremers, Michael / Drogand-Strud, Michael), 02/2005.

Elfter Kinder- und Jugendbericht - Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe in Deutschland, 2002.

Rosenbladt, Bernhardt von (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland - Freiwilligensurvey 1999. Ergebnisse der Repräsentativbefragung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 194.1, Kohlhammer 2001.

jugendschutz.net / Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ein Netz für Kinder - Surfen ohne Risiko? Ein praktischer Leitfaden für Eltern und Pädagogen, 2003.

Hurrelmann, Klaus; Albert, Mathias: Jugend 2002 14. Shell-Jugendstudie, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2002.

Projekt Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe und Datenbank PRAXIMO - Gender Mainstreaming in der Jugendsozialarbeit des Deutschen Jugendinstituts

Landesinitiative Jungenarbeit NRW von FUMA e.V. / Fachstelle Gender NRW


Umfassende Literaturlisten zu Jugendarbeit (Mädchen- und Jungenarbeit) und zu Jugendhilfe erhalten Sie hier als pdf.

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05