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Aspekte

Aspekte Familie

Vereinbarkeit:
Kinder brauchen aktive Eltern. Dennoch nimmt nur ein geringer Prozentsatz der Väter Elternzeit in Anspruch. Auch die Zeitbudget-Studien zeigen, dass viele Väter diese Rolle sozial nicht aktiv übernehmen. Das deutet auf unverändert tradierte Geschlechterrollen hin. Die aktuelle Zeitbudget-Studie der Bundesregierung zeigt aber auch, dass jeder dritte Vater gerne mehr Zeit für sich und seine Familie hätte (BMFSFJ/Destatis 2003b). Folglich gibt es eine Diskrepanz zwischen tatsächlichen und gewünschten Strukturen sowie zwischen Rechtslage und Lebenswirklichkeit, insbesondere zwischen dem Rechtsanspruch auf Elternzeit für Väter und dessen tatsächlicher Einforderung. Männer haben ebenso wie Frauen oft Schwierigkeiten, familienbezogene Bedürfnisse wie Kinderbetreuung oder die Pflege Angehöriger gegenüber Vorgesetzten und Betrieben durchzusetzen (Gesterkamp 2002). Gender Mainstreaming in der Familienpolitik bedeutet also, Müttern und Vätern Anreize zu geben, ihre Rolle als Elternteil verstärkt einzunehmen sowie Maßnahmen zu ergreifen, um Rollenklischees innerbetrieblich aufzubrechen, private Bedürfnisse stärker im Zusammenhang mit bezahlter Arbeit zu sehen und den Gewinn anzuerkennen, der in den Erfahrungen liegt, die Menschen als Eltern machen können. Hierzu bietet das Internetportal "Mittelstand und Familie" Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen an.

Betreuung:
Kinder brauchen Kinder. Einerseits hat die PISA-Studie gezeigt, dass Quantität und Qualität der Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungseinrichtungen in Deutschland verbessert werden muss. Andererseits herrscht in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern und eher in den alten als in den neuen Bundesländern die Vorstellung vor, gut sei es nur, wenn eine Mutter mindestens die ersten drei Lebensjahre mit dem Kind daheim verbringt. Gender Mainstreaming bedeutet, familienpolitische Maßnahmen auf unterschiedliche Zielgruppen auszurichten: Eltern, die ihre Kinder in Tagesstätten geben möchten, benötigen gute, flexible und quantitativ ausreichende Einrichtungen. Väter oder Mütter, die mit ihren Kindern zu Hause bleiben möchten, benötigen Akzeptanz und Maßnahmen, die es verhindern, dass daraus materielle oder immaterielle Nachteile erwachsen.

Demografischer Wandel:
Seit Mitte der sechziger Jahre sinken die Geburtenzahlen in Deutschland. Die durchschnittliche Kinderzahl in Familien ist relativ konstant, ein Trend zur Ein-Kind-Familie ist bisher nicht nachweisbar. Faktisch gibt es ein gespaltenes Fertilitätsverhalten (Meier 2003): Entweder fällt eine grundsätzliche Entscheidung gegen Kinder oder aber eine Entscheidung für (mindestens) zwei Kinder. Diese Entwicklung birgt vielfältige Komponenten in sich: Männer sind häufiger kinderlos als Frauen, deutsche Frauen häufiger kinderlos als Frauen mit Migrationshintergrund, Ledige und Geschiedene häufiger kinderlos als Verheiratete, Hochqualifizierte häufiger kinderlos als Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen (BMFSFJ/Destatis 2003a). Insbesondere hochqualifizierte Männer und Frauen entscheiden sich aus unterschiedlichen Gründen gegen Kinder: Frauen sehen u.a. Konflikte mit ihrer beruflichen Karriere, während Männer u.a. vor neuen Alltagsaufgaben und lebenslangen Unterhaltsverpflichtungen zurückschrecken (Meier 2003). Mit Gender Mainstreaming werden Menschen als Männer und Frauen in diesen je unterschiedlichen Lebenszusammenhängen angesprochen. GM liefert Instrumente, wichtige Aspekte des demografischen Wandels zu berücksichtigen.

Sozialisation:
Kinder brauchen Gestaltungsspielräume. Menschen werden durch Sozialisation in der Familie immer noch relativ traditionell zu "Jungen" und "Mädchen" gemacht - hier entsteht "gender". In der Forschung werden diese Prozesse als geschlechtsspezifische Sozialisation und als doing gender bezeichnet. Modellwirkung, Erwartungen, Lob bzw. Kritik für bestimmtes Verhalten durch Familienmitglieder und anderen Erziehende prägen unsere Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, die eigene Identität, unsere Zukunftsplanung - und damit Zukunftschancen. Gender Mainstreaming zielt darauf, hierarchische und stereotype Geschlechterrollen aufzubrechen. Das bedeutet, dass Kinder weniger rigide Vorgaben und mehr Gestaltungsspielräume erhalten, um sich als Individuen auszuprobieren, statt die eigene Verhaltensvielfalt früh durch Geschlechterstereotype zu begrenzen. Diese Spielräume lassen sich auch mit Hilfe der Setzung rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rahmenbedingungen gestalten.

Familienförderung:
Das deutsche Steuersystem orientiert sich u.a. am Familienstand, wird aber der Pluralisierung von Lebensentwürfen nicht gerecht. Die größten familienbezogenen Steuervorteile werden durch das Ehegattensplitting gewährt, bei dem nicht Elternschaft, sondern eben der Familienstand steuermindernd wirkt. In der Steuerpolitik gilt aber eigentlich der Grundsatz der Gleichbehandlung identischer Einkommen und der Grundsatz, finanzielle Leistungsfähigkeit zu beachten (Schratzenstaller 2003). Gender Mainstreaming bedeutet dann z.B., unverheiratete Paare und eingetragene Lebenspartnerschaften gegenüber Ehepaaren nicht zu benachteiligen, sondern auch steuerrechtlich in erster Linie Familien zu fördern.
Integration:
Zuwanderung ist heute zu einem großen Teil Familiennachzug, und für den Erfolg von Integrationsbemühungen spielt die Familie eine entscheidende Rolle. Die ausländische Familie, die ausländische Frau oder der ausländische Mann sind bildhafte Vorstellungen, denn tatsächlich unterscheiden sich die Lebenslagen von Menschen mit Migrationshintergrund erheblich und sind durch unterschiedliche Faktoren bedingt. Stereotypisierungen sind nicht selten auch geschlechtsbezogen diskriminierend; das gilt für asiatische Frauen ebenso wie für die Türkin, die als defizitär, rückständig und untergeordnet wahrgenommen wird (Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2002). Ein stereotypes Fremdbild ist mitursächlich für die schwierige Beschäftigungssituation von Migranten und, stärker noch, von Migrantinnen. Gleichzeitig wird die zentrale Rolle, die Mütter für den Integrationserfolg ihrer Familien z.B. im Bereich der Sprachförderung ihrer Kinder oder der finanziellen Absicherung spielen, oft verkannt. Gender Mainstreaming in der Integrationspolitik bedeutet daher, Geschlechterstereotypisierungen entgegenzuwirken und eine gleichberechtigte Teilhabe von Migranten und von Migrantinnen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen.

Verbesserung der sozialen Lage:
Aus der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Wohlstandsverteilung in der Bundesrepublik ergeben sich Hinweise auf geschlechtsspezifische Armutsrisiken. So bewirkt das Zusammenspiel von Familien- und Steuerrecht für Männer und für Frauen z.B. Unterschiedliches, wenn sie heiraten. Eine Scheidung hat regelmäßig geschlechtsspezifische Auswirkungen, insofern eine finanzielle Schlechterstellung von Frauen ausgelöst wird (Andreß/Borgloh/Güllner 2003). Desgleichen zeigt der Armutsbericht der Bundesregierung von 2001, das vor allem allein erziehende Frauen mit Abstand dem höchsten Sozialhilferisiko ausgesetzt sind, da fehlende Kinderversorgungsstrukturen auch die Chancen auf Erwerbstätigkeit einschränken (Bundesregierung 2001). Gender Mainstreaming zielt darauf, geschlechtsspezifische Armut zu vermeiden und auch mit Hilfe des Steuerrechts oder staatlicher Unterstützungsleistungen gegen geschlechtsspezifische Armutsrisiken vorzugehen.

Literaturhinweise:

  • Andreß, Hans-Jürgen/Borgloh, Barbara/Güllner, Miriam: Wenn aus Liebe rote Zahlen werden - über die wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung, Wiesbaden 2003.
  • Berger, Peter A./ Kahlert, Heike (Hg.): Der demographische Wandel. Chancen für die Neuordnung der Geschlechterverhältnisse. Frankfurt a.M. 2006.
  • Blome, Agnes/ Keck, Wolfgang: Mehr Staat, weniger Mama. Erwerbstätigkeit von Müttern im Ländervergleich. In: WZB-Mitteilungen 116 (2007) S. 8-12.
  • Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen: Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2002.
  • BMFSFJ / Destatis (Hg.): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/02. Wiesbaden 2003b.
  • BMFSFJ / FamilienForschung Baden-Württemberg: Familie ja, Kinder nein. Was ist los in Deutschland? Monitor Familiendemographie - Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik, Ausgabe 1-3, Jg. 2005. (Kostenlos über publikationen@bundesregierung.de zu beziehen)
  • Meier, Uta: Warum Frauen und Männer (keine) Kinder haben wollen. In: Frühe Kindheit, 6.2003,1. S. 16-23.
  • Schratzenstaller, Margit: Frauen und Männer im deutschen Steuersystem. In: Wrede, Brigitta (Hg.): Geld und Geschlecht. Tabus, Paradoxien, Ideologien. Opladen 2003, S. 103-120.


erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05