Fachtagung GFA

Gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung & Wirkungsanalysen - Beispiele und Erfahrungen

Zusammenfassung der Fachtagung des GenderKompetenzZentrums an der Humboldt-Universität zu Berlin am 10. April 2008

Gesetze sollen wirken ohne Menschen zu diskriminieren – ein Satz , den die meisten unterschreiben würden. Bisher sind gleichstellungsorientierte und diskriminierungsfreie Gesetze aber noch nicht der Regelfall. Für die Durchsetzung von tatsächlicher Gleichstellung sind nicht nur Gleichstellungsgesetze notwendig, sondern auch die gleichstellungsorientierte Gestaltung von Gesetzen in den Mainstream-Politikfeldern, wie z.B. Gesundheit, Arbeitsmarkt oder Steuern. Die Methode der gleichstellungsorientierten GFA (gGFA) soll helfen, diese Aufgabe zu meistern.

Gute Gesetze im Sinne von „good governance“ berücksichtigen die Folgen einer Regelung. Dazu gehören auch die Auswirkungen auf Geschlechterverhältnisse und die vielfältigen Lebenslagen von Frauen und Männern. Aber wie lässt sich dies im politischen Alltag realisieren? Ist die Integration von Gleichstellungsaspekten Sache ders Parlaments, der Sachverständingen, der Interressensverbänden oder ausschließlich Sache der Ministerialverwaltung? Und sind die dafür entwickelten Instrumente wie die Arbeitshilfe „Geschlechterdifferenzierte Gesetzesfolgenabschätzung“ ausreichend?

Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigte sich die Fachtagung des GenderKompetenzZentrums „Gleichstellungsorientierter Folgenabschätzung & Wirkungsanalysen – Beispiele und Erfahrungen“, die am 10. April 2008 in der Humboldt-Universität statt fand. Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Verwaltung des Bundes und einzelner Länder nahmen auch Berater_innen und Wissenschaftler_innen teil.

Das Ziel der Fachtagung war es, mit einem Fachpublikum anhand bewährter und neuer Instrumente methodische Fragen zur Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten in der Gesetzgebung zu diskutieren. Zur Veranschaulichung dienten Beispiele von aktuellen Wirkungsanalysen und Folgenabschätzungen.

Sandra Lewalter, Juristin und Mitarbeiterin am GenderKompetenzZentrum, gab zu Beginn der Fachtagung einen Überblick über die bisherige Entwicklung der gleichstellungsorientierten Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland. Mit ihrem einleitenden Vortrag „Gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung“ lenkte sie die Aufmerksamkeit auf die Arbeitshilfe „Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften“ von 2004. Diese findet allerdings in der Bundesverwaltung keineswegs durchgängig Anwendung. Die Gründe für das Anwendungsdefizit sieht Frau Lewalter in der Stagnation sowohl bei der Einführung der Methode GFA als auch bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming. Ferner scheint, die Wissenschaftslogik der GFA nicht dem Politikalltag mit seinen Aushandlungsprozessen und Interessenskämpfen zu entsprechen. Dies wäre eine mögliche Erklärung warum es kaum Nachfrage nach Folgenabschätzungen aus der Politik gibt. Eine unabhängige Evaluation zur Anwendung dieses Instrumentes gibt es bisher nicht.

Neben den deutschen Erfahrungen wurden auf der Fachtagung auch die Erfahrungen anderer Länder diskutiert.Dänemark und Kanada arbeiten schon seit Mitte der 90iger Jahre mit Instrumenten der gleichstellungsorientierten Folgenabschätzung; auch Österreich hat jüngst ein solches Instrument in Kraft gesetzt.

Agnete Andersen aus dem dänischen Ministerium für Beschäftigung berichtete in ihrem Vortrag „Gender Mainstreaming in a Legal Perspective“ über Gender Assessments, die für alle Kabinettvorlagen zwingend als Memo vorliegen müssen. Inzwischen sind auch nahezu alle Gesetzesentwürfe mit den entsprechenden Memos versehen, auch wenn die Qualität zum Teil noch zu wünschen übrig lässt.

Arn Sauer, Doktorand an der HU und derzeit zu Forschungszwecken in Montreal, lieferte einen Einblick in die neuesten Entwicklungen zum Gleichstellungsinstrument „Gender-based Analysis“ aus Kanada, wo mehrere Akteure Kabinettvorlagen gleichstellungsorientiert prüfen. Gerade das kanadische Beispiel zeigt, welch langen Atem es für eine tatsächliche Verankerung braucht: Die Entwicklung des Instrumentes begann in den 70iger Jahren und erst im Jahre 2007 wurde die Anwendung verpflichtend und eine effektiven Verwaltungsstruktur etabliert, die die Anwendung auch absichert.

Dr. Christine Gaster vom Gender-Unit der Universität Graz präsentierte mit ihrem Vortrag den Leitfaden für die Legistik, der vom Ministerrat – wenn auch in verkürzter Form – im Juni 2007 veröffentlicht wurde. Zur Anwendungspraxis lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Ähnlich wie in Deutschland wird es wichtig sein, integrierte Fortbildungsangebote für die Beschäftigten der Bundesverwaltung zu etablieren. Extra GM-Angebote haben sich in der Vergangenheit eher nicht bewährt.

In der Diskussion wurde schnell deutlich, dass die inhaltliche Gestaltung der Instrumente nicht allein entscheidend für die erfolgreiche Anwendung ist, sondern die gute Einbindung in bestehende Verwaltungsverfahren und der politische Kontext einer Implementierung solcher Neuerungen. Allgemein wurde der Mangel an integrierten Forbildungsangeboten für Folgenabschätzungen mit Gender-Kompetenz beklagt.

Nachmittags wurden Folgenabschätzungen zu Gesetzgebungsvorhaben und Wirkungsanalysen aus der Forschung präsentiert. Der Vortrag von Dr. Alexandra Wagner stellte die forschungsleitenden Hypothesen der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragten Studie zur gleichstellungspolitischen Bewertung von Hartz IV und erste Ergebnisse aus dem Zwischenbericht von 2007 dar. Es zeichnen sich sehr wohl unterschiedliche Auswirkungen für Frauen und Männer ab. Beispielsweise haben einen schlechteren Zugang zu Leistungen nach dem SGB II oder geraten verstärkt in finanzielle Abhängigkeit von ihren Partnern durch die Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft. Die Ergebnisse sind nicht überraschend, sondern entsprechen der Erwartung angesichts der vielfältigen qualitativen Geschlechterforschung zum Bereich Arbeitsmarktpolitik. Spannend wird es, ob und wie diese Erkenntnisse im Weiteren bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik Berücksichtigung finden.

Prof. Dr. Gisela Färber, Professorin an der Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer und Mitglied des Normenkontrollrates im Kanzleramt ist, analysierte Gleichstellungsaspekte beim Lohnsteuerverfahren. Sie zeigte auf, welche diskriminierenden Wirkungen mit einer nur scheinbar technischen Gestaltung einhergehen. Sie präsentierte auch eine diskriminierungsfreiere Alternative zum bestehenden Verfahren, das sog. Begünstigungsverfahren.

Prof. Dr. Susanne Baer, Direktorin des GenderKompetenzZentrums und Professorin an der HU, wies in ihren Ausführungen schließlich auf die Herausforderungen hin, die sich für gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung im Bereich Daten und Statistik stellen. Eine gute gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung dürfe nicht mehr nur nach den Auswirkungen auf Frauen und Männer fragen. Vielmehr differenzieren gute Daten auch nach weiteren sozialen Strukturmerkmalen, wie z.B. Alter und Herkunft, um so die vielfältigen Lebenslagen von Menschen ohne jeden „bias“, also ohne Stereotypisierungen abzubilden.

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass Beschäftigte in der Bundesverwaltung für neue und auch für gleichstellungsorientierte Methoden und Instrumente durchaus zu gewinnen sind, wenn der Handlungsbedarf auch fachpolitisch offensichtlich ist. Ist dies nicht der Fall, wird eine GFA als Formalismus empfunden. Zudem zeigen die Berichte aus der Forschung, dass die Abbildung der komplexen Wirkungszusammenhänge von Diskriminierungen eine Herausforderung im Vorfeld der Gestaltung wie auch in der Evaluation von Gesetzen ist. Insgesamt liegt hier weiterer Klärungs- und Forschungsbedarf vor. Einigkeit bestand aber darin, dass mit einer Arbeitshilfe „Gleichstellungsorientierte GFA“ ein wichtiger Baustein für bessere Gesetzgebung vorhanden ist.

Hier finden Sie die das Programm der Fachtagung.

Die Dokumentation der Fachtagung mit allen Präsentation kann auch als gebundene Version beim GenderKompetenzZentrum bestellt werden.

Weitere Informationen zur gleichstellungsorientierten Gesetzesfolgenabschätzung finden Sie auf unserer Homepage.


SL



erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05