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Zusammenfassung

Fachtagung "Regionale Entwicklung und Wirtschaftsförderung – Fachliche Beispiele für Gleichstellung in den Europäischen Strukturfonds"

Was haben wirtschaftsbezogene Maßnahmen wie die Planung und der Bau von Straßen, Technologiezentren oder Gewerbeparks mit Gleichstellung zu tun? Ist die Verbesserung der Gleichstellung kurz- und langfristig sogar wesentlich für eine regionale bzw. kommunale Wettbewerbsfähigkeit? Zu diesen und weiteren Fragen fand am 4.12.2008 im Senatssaal der Humboldt-Universität die 13. Fachtagung des GenderKompetenzZentrums statt. Hintergrund der Tagung war, dass zwar auf europäischer und nationaler Ebene Gleichstellung als Querschnittsziel in mehreren Richtlinien und Strukturfondsverordnungen verankert ist, es jedoch bei der Umsetzung noch viel Handlungsbedarf gibt. Gefolgt waren der Einladung zu dieser Fachtagung vor allem Angehörige der Bundesverwaltung, der nachgeordneten Behörden, zahlreicher Landes- und Kommunalverwaltungen und Fondsverantwortliche der Länder, aber auch Vertreter_innen aus Wissenschaft, Gewerkschaften, NGOs sowie interessierte Fachexpertinnen und -experten.

Ziel der Tagung war, den Nutzen einer gleichstellungsorientierten und zielgruppengenauen Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung anhand von konkreten Beispielen zu verdeutlichen und damit einen Beitrag zur wirkungsvollen Umsetzung von Gleichstellung in den Europäischen Strukturpolitik zu leisten. Der Fokus lag dabei auf den Investitionsbereichen des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), weil hier noch weniger Erfahrungen mit Gender Mainstreaming und Gender Budgeting vorliegen als für den Europäischen Sozialfond (ESF). Im ersten Teil der Tagung wurden politische Rahmenbedingungen für die Realisierung des „Querschnittsziels Chancengleichheit“ mittels der Strategien Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in der Regionalplanung aufgezeigt und kritisch reflektiert. Im zweiten Teil der Tagung zeigten die fachlichen Beispiele zu Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung, wie Gleichstellung in Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten gewinnbringend integriert werden kann.

Dr. Karin Hildebrandt, Geschäftsführerin des GenderKompetenzZentrums, eröffnete die Tagung und stellte zunächst die Aufgaben und Ziele des GenderKompetenzZentrums vor. Seit bereits 5 Jahren (siehe Jubiläumstagung vom 29.10.2008) unterstützt und berät das GenderKompetenzZentrum die Bundesverwaltung zu Fragen der systematischen Integration von Gleichstellung in das Verwaltungshandeln und gibt Impulse zur Entwicklung von Gender-Kompetenz in einzelnen Politikfeldern. Hildebrandt nannte es eine anstehende Herausforderung, Gleichstellung insbesondere auch in jenen Bereichen durchzusetzen, die bis heute oft noch als 'geschlechtsneutral' gelten.

Über die Bedeutung von Gleichstellung und die Rahmenbedingungen dafür, dass Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in der Regionalplanung umgesetzt werden kann, berichteten Sandra Smykalla und Manfred Köhnen, beide wissenschaftliche Mitarbeitende des GenderKompetenzZentrums, in Ihrem Vortrag: „Gleichstellungsorientierte Steuerung von Zuwendungen“. Benannt wurden zunächst Zeit, Geld und Infrastruktur als Ressourcen für aktuelle Gleichstellungspolitik, die einen 'Politikmix' bilden. Des weiteren wurde eine Zusammenstellung derjenigen Verträge und Verordnungen der EU vorgestellt, die die Umsetzung von Gender Mainstreaming in den EFRE Projekten zur Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung einfordern. Weil bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming in den EFRE-geförderten Infrastrukturprojekten bisher wesentlich weniger Erfahrungen vorliegen als bei den personennahen Projekten des ESF, wurden erste Ansatzpunkte genannt, die schon bei der Planung berücksichtigt werden sollten. Ein Anreiz für die Regionen kann z.B. darin bestehen, dass eine geschlechtergerechte Regionalentwicklung Probleme mit der Abwanderung von Frauen oder Männern zu vermeiden hilft. Schließlich wurde argumentiert, dass eine geschlechtergerechte Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung auch jenseits des EFRE so gesteuert werden könnte wie das EFRE-Programm. Dies hieße vor allem, Zuwendungen gleichstellungsorientiert zu steuern, indem alle Schritte gleichstellungswirksam organisiert werden - von der Planung und Beteiligung über die Definition von Gleichstellungszielen und gleichstellungsorientierten Förderkriterien bis hin zum Verwendungsnachweis, bzw. der Evaluation der Projekte und Programme.

Prof. Dr. Elisabeth Aufhauser, Universität Wien konstatierte in ihrem Vortrag „Gender Mainstreaming in der Regionalentwicklung und der Wirtschaftsförderung“, dass insbesondere das neue Politikfeld Wirtschaftspolitik noch mit starkem „Schubladendenken“ in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse ausgestattet ist. Dies zeige sich z.B. darin, dass die Arbeits- und Strukturpolitik stark auf männerorientierte Beschäftigung und auf einen männlichen Lebensalltag abziele. Die Frage beantwortend, was das „männliche“ an einem Innovationszentrum sei, verdeutlichte sie, dass Unternehmen oft gängige männliche Stereotype reproduzieren, wie Jungunternehmertum, Abenteuergeist, technologische und lineare Verständnisse von Innovationsfähigkeit und damit das Leitbild einer „Stierkampfarena“ in Unternehmen dominiere. Aufhauser plädierte demgegenüber für ein breiteres Verständnis von Innovation, das in systemischen Vernetzungen funktioniere und dass auch Klein- und Mikro-Unternehmen fördere. Es sei erwiesen, so Aufhauser, dass Regionen, die durch männlich dominierte Industriekultur geprägt sind, über kurz oder lang ein Problem mit der Abwanderung qualifizierter Personen - dies sind oft Frauen - bekommen.

Über die konkreten Operationalisierungen im „Nationalen Strategischen Rahmenplan (NSRP) für den Einsatz der EU-Strukturfonds in der Bundesrepublik Deutschland“ und den operationellen Programmen berichtete anschließend Christel Langhoff, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie Brandenburg in ihrem Vortrag zu „Gleichstellung in der Europäischen Strukturpolitik im Bund und in Operationellen Programmen der Länder“. Langhoff stellte die Ergebnisse einer Abfrage zu Gleichstellung in der Strukturpolitik vor, die 2008 von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gleichstellung durchgeführt wurde. In einer Synopse sind die Festlegungen von Gleichstellungszielen und -maßnahmen von Bund und Ländern im EFRE und im ESF nachzuvollziehen. Die Synopsen wurden auf der Fachtagung zugänglich gemacht und sind auf Nachfrage bei Frau Langhoff erhältlich.

Eine Voraussetzung für gelungene gleichstellungswirksame Maßnahmen sind geeignete regionenbezogene Planungsdaten, die Katrin Meyer, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in ihrem Vortrag „Frauen - Männer - Räume: Daten und Informationen für eine gleichstellungsorientierte Raumentwicklung“ vorstellte. Das BBR ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Es unterstützt zum einen die Bundesregierung durch fachlich-wissenschaftliche Beratung in den Politikbereichen Raumordnung, Städtebau, Wohnungs- und Bauwesen/Architektur, zum anderen betreut es die wichtigsten Bundesbauten im In- und Ausland. Ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Beratung besteht in der Unterhaltung und Weiterentwicklung des Räumlichen Informationssystems, in dem bevölkerungsstatistische Daten und Arbeitsmarktdaten ebenso wie Umfrageergebnisse zusammengefasst und für räumliche Aggregate bereitgestellt werden. Meyer stellte den auf dieser Datenbasis erstellten Bericht „Frauen – Männer – Räume“ vor, der die teilweise erheblichen Geschlechterdifferenzen, z. B. in den Arbeitslosenquoten verschiedenen Regionen aufzeigt. In Anlehnung an den schwedischen Jäm-Index wurde außerdem das Internet-Angebot „Gender-Index" entwickelt, in dem die Geschlechterdifferenzen auf Kreisebene anhand von von 19 Indikatoren differenziert dargestellt und mit Hintergrundinformationen unterlegt werden. Wie Meyer aufzeigte, kann auf der Grundlage dieser umfangreichen geschlechterdifferenzierten Daten eine gleichstellungsorientierte Raumplanung erfolgen.

Wie Wirtschaftsförderung gleichstellungsorientiert gestaltet werden kann, erläuterte Gisela Humpert, Zentrum Frau in Beruf und Technik in Castrop-Rauxel in ihrem Vortrag „Gender im Mainstream von Großprojekten der Strukturförderung - Umsetzungserfahrungen aus der Projektpraxis im Ruhrgebiet“. Frau Humpert begleitete als Beraterin den Umbau des Geländes der ehemaligen Zeche Zollverein. Das 100 ha große Gelände, das zum Weltkulturerbe der UN erklärt wurde, konnte im Rahmen des EFRE umgebaut zu einem Standort für eine gemischte Nutzung von Menschen aus Wirtschaft, Design und Kultur werden . Die Gender Mainstreaming Begleitung war hier besonders wirksam, da sie in das Team der Entwicklungsgesellschaft Zollverein (EGZ) integriert war und Unterstützung durch die Leitung erfuhr. Der Nutzen für das Projekt bestand darin, dass die Produkt- und Verfahrensqualität erhöht werden konnte. Z. B. erreichte die Begleitung, dass Qualitätskriterien wie Übersichtlichkeit und bauliche Unterstützung des Sicherheitsgefühls im Rahmen der Bauprojekte eine stärkere Berücksichtigung erfuhren, als es sonst der Fall gewesen wäre. Auch die genauere Betrachtung möglicher Zielgruppen als Unternehmerinnen und Unternehmer, Besucherinnen und Besucher führte dazu, dass die ehemalige Zeche zu einem Ort mit hoher Lebensqualität für Frauen und Männer wurde, an dem heute etwa 400 Frauen und 500 Männer arbeiten, und der auch in der Freizeit von den Bewohnerinnen und Bewohnern der umliegenden Stadtteile gerne genutzt wird.

Wie geschlechterdifferenzierte Daten und Studien für die Weiterentwicklung von Gleichstellungspolitik genutzt werden können berichtete Heike Mantey, Leiterin der Stabstelle Frauen- und Gleichstellungspolitik, im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie Brandenburg in ihrem Vortrag „Zur Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik im Land Brandenburg“. Auf der Grundlage der „Studie zur Lebenssituation von Frauen in Brandenburg“ wurde dort ein Bericht der Landesregierung für den Landtag formuliert, der auf der Grundlage der Situationsanalyse gleichstellungspolitische Ziele und Maßnahmen der Landesregierung definiert. Die Studie untersucht sowohl arbeitsmarkt- und bevölkerungsstatistische Daten als auch Umfrageergebnisse, die extra für die Studie in Auftrag gegeben worden sind. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Geschlechterdifferenzen auf dem Brandenburgischen Arbeitsmarkt im Vergleich zum Bundesgebiet gering sind, aber es dennoch weiterhin Handlungsbedarf gibt. Dies wird unter anderem damit begründet, dass Brandenburg wie andere Bundesländer einen negativen Wanderungssaldo aufweist. D.h.: Es verlassen etwa genau so viele Frauen wie Männer das Land, aber es kommen weniger Frauen zurück. Dies sind nur einige Schlaglichter aus der inhaltlich umfangreichen Studie, die neben der Arbeitsmarkt- auch die Bildungssituation, Gesundheit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Häusliche Gewalt und politische Partizipation untersucht. Im Bericht werden für diese Bereiche Ziele und Maßnahmen definiert, die dazu beitragen sollen, dass zum Beispiel auch Väter verstärkt Familie und Beruf vereinbaren und Frauen vermehrt an der Kommunalpolitik teilhaben können.

Doris Hagspiel, Regionalmanagerin im Oberösterreichischen Steyer-Kirchdorf zeigte auf, dass Gender Mainstreaming die Qualität von Projekten verbessert, weil sie die Lebensqualität in Wirtschaftsstandorten und Regionen für Frauen und Männer in den verschiedensten Lebenslagen gleichermaßen erhöht. In ihrem Vortrag „Gender  Mainstreaming in der Regionalentwicklung. Region Steyr-Kirchdorf.“ zeigte sie anhand konkreter Beispiele den Nutzen von Gender Mainstreaming in Infrastrukturprojekten auf. Z.B. konnten Verfahren für den Bau eines Verkehrsprojektes verkürzt und zugleich die Ergebnisse verbessert werden. Im Laufe des Gender Alp! Projektes in Steyr-Kirchdorf hat sich herausgestellt, dass die Vermittlung von Gender-Wissen und Gender-Kompetenz besonders wichtige Aspekte dafür sind, dass dezentral gleichstellungsorientierte Projekte entwickelt werden können. Um den Antragstellenden Anreize zu schaffen, sich diese Kompetenz zu beschaffen, entwickelte das Projekt für die Vergabe von EFRE-Mitteln Förderkriterien, die verdeutlichen, was ein tatsächlich gleichstellungsorientiertes Projekt ausmacht und wie es sinnvoll gestaltet werden kann. Hagspiel betonte, dass deutlich werden muss, wie die Projekte eine Wirkung entfalten wollen: bezogen auf die geschlechtergerechte Einkommensverteilung, die Verteilung und Nutzung von Ressourcen, die Erwerbsarbeit, die Verteilung der unbezahlten Arbeit, die Beteiligung an Planungs- und Entscheidungsprozessen und die Überwindung von Geschlechterstereotypen.

In den Diskussionen der Fachtagung wurde als ein weiterhin wichtiger Aspekt für eine gelungene Umsetzung von Gender Mainstreaming hervorgehoben, dass der politische Wille der Verantwortlichen deutlich werden muss, und, dass es dafür hilfreich ist, klare Gleichstellungsziele und entsprechende Förderkriterien zu definieren. Außerdem wurde als Erfolgsvoraussetzung benannt, in allen Prozessphasen kontinuierlich genderkompetente Prozessbeteiligte einzubinden und die Zielgruppen systematisch gleichstellungsorientiert zu beteiligen. Eine Schwierigkeit besteht zum Teil darin, die Erfolge der gleichstellungsorientierten Steuerung der Projekte auch tatsächlich als Erfolge von Gender Mainstreaming zu kommunizieren. Denn oft verbessern sich dadurch zwar die Verfahren, indem mehr Perspektiven in den Blick geraten und neue Aspekte berücksichtigt werden, aber im Endergebnis ist es teilweise schwer, dies als Erfolge der gleichstellungsorientierten Gestaltung wieder sichtbar zu machen. Insgesamt machte diese Fachtagung sehr anschaulich, dass es viele gute fachliche Beispiele für Gleichstellung in der Wirtschafts- und Regionalentwicklung gibt.


Weitere Informationen zum EFRE finden Sie auf den Seiten zum Handlungsfeld Zuwendungen.

MaK/Smy



erstellt von Administrator zuletzt verändert: 31.03.2010 10:51