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„Gender Mainstreaming in der Forschungsvergabe – Konzepte, Instrumente und Umsetzungserfahrungen“

 

Die neunte Fachtagung des GenderKompetenzZentrums fand am 19. September 2006 von 10 bis 16 Uhr im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Angesichts der wachsenden Bedeutung von qualitativ hochwertiger Forschung an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft war dieses Mal das Thema „Gender Mainstreaming in der Forschungsvergabe – Konzepte, Instrumente und Umsetzungserfahrungen“. Neben Vertreterinnen und Vertretern von Bundes- und Länderverwaltungen und Ressortforschungseinrichtungen waren vor allem Akteure aus der Wissenschaft der Einladung gefolgt.

Im Mittelpunkt der Fachtagung stand die Frage nach den Potenzialen von Gleichstellungsorientierung als Querschnittsaufgabe bei der Forschungsvergabe. Ziel der Fachtagung war es einen Input zu Konzepten, Instrumenten und Praxisbeispielen von Gender Mainstreaming in der Forschungsvergabe zu liefern. Zusätzlich war die Möglichkeit zum Austausch über Umsetzungserfahrungen (Best Practice) und Herausforderungen in der gleichstellungsorientierten Forschungsvergabe gegeben, um so die Netzwerkbildung in diesem Bereich zu fördern.

Die Beiträge beleuchteten verschiedene Aspekte des Themas. So wurden zum Beispiel Gender-Aspekte in der marktnahen und anwendungsorientierten Forschung ebenso dargestellt wie Konzepte, Instrumente und Projekte aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung. Ein Blick auf die EU-Ebene und nach Österreich ergänzte die auf Deutschland bezogenen Beiträge.

Prof. Dr. Susanne Baer, LL.M.,Direktorin des GenderKompetenzZentrums, führte eröffnend aus, dass eine erfolgreiche Verankerung von Gender Mainstreaming im Forschungsbereich zu einem Effizienz-, Gerechtigkeits- und Demokratiegewinn führe. Gender Mainstreaming bedeute im Forschungskontext zum einen eine ausgewogene Präsenz von Frauen und Männern in unter-schiedlichen Lebenslagen unter den Forschenden und Forschungsvergebenden und zum anderen eine gender-orientierte Methodik und Forschungsinhalte. Beide Aspekte seien in vielen Disziplinen weiterhin Desiderate. Hinzu komme der weiterhin ungelöste Konflikt zwischen der Autonomie der Wissenschaft und den Vorgaben durch Forschungsvergebende.

Dr. Angela Icken, Referatsleiterin des Referats "Frauen und Mädchen in besonderen Lebenslagen und gesellschaftliche Teilhabe" im BMFSFJ, hielt den ersten Vortrag mit dem Titel "Gender Mainstreaming in der Ressortforschung". Sie stellte die Arbeitshilfe zu §2 GGO: "Gender Mainstreaming in Forschungs-vorhaben" vor, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben wird. So zeigte sie auf, wie Gender-Aspekte auf Grund der rechtlichen Verpflichtung zur Gleichstellung in die einzelnen Phasen der Ressortforschung eingebracht werden müssen. Bei den Beschäftigten der Bundesressorts sollte gleichermaßen Gender-Kompetenz und die Erfahrung mit Ressortforschung gestärkt werden. Die Umsetzung von Gender Mainstreaming hänge laut Dr. Angela Icken auch stark vom Engagement einzelner Personen ab und müsse nicht zuletzt von den Forschenden selbst eingefordert werden.

Isabel Beuter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center of Excellence Women and Science, präsentierte "Erfahrungen und aktuelle Tendenzen bei der Durch-setzung von Gender Mainstreaming in der europäischen Forschungsförderung". Sie machte darauf aufmerksam, dass es durch das 6. EU-Forschungsrahmen-programm auf EU-Ebene verbindlich sei, Gender-Aspekte in allen Forschungs-projekten zu berücksichtigen und für Großprojekte Gender-Action-Plans zu erstellen. Sie bedauerte, dass diese positive Entwicklung möglicherweise im 7. Forschungsrahmenprogramm teilweise zurückgenommen werden könnte. An dieser Stelle müsse die wissenschaftliche Community mit Hilfe von vernetzenden Projekten wie der „European Platform of Women Scientists“ politisch gegen-steuern.

Eva Habres von der Koordinierungsstelle FEMtech der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft verdeutlichte anhand aktueller österreichischer Daten zu Beginn ihres Vortrages "Changes and Chances. FEMtech – Frauen in Forschung und Technologie", dass auch der (österreichische) Technologiebereich weiterhin fest in Männerhand sei. Verschiedene Projekte von FEMtech zielen deshalb darauf ab, Karrieren von hoch qualifizierten Frauen im Technologie-bereich zu fördern und die Strukturen in den Unternehmen gleichstellungs-orientiert zu verändern. Die Motivation für die teilnehmenden Unternehmen, Gender Mainstreaming umzusetzen, bestehe laut Eva Habres nicht nur in der positiveren Außenwirkung, sondern auch in der höheren Wettbewerbsfähigkeit durch die Ausschöpfung weiblicher Human-Potenziale.

Anschließend demonstrierte Dr. Martina Schraudner von der Fraunhofer-Gesellschaft in ihrem Vortrag "Discover Gender: Das Potenzial von Gender für die Forschung" anhand zahlreicher Praxisbeispiele, wie der Einbezug von Gender- und Diversity-Aspekten im Kontext von marktorientierter natur- und ingenieur-wissenschaftlicher Forschung Innovationsprozesse beschleunigt, zielgruppen-spezifische Produktgestaltung ermöglicht und markterweiternd wirkt. Die Berücksichtigung von Gender in diesem Feld kann ihrer Meinung nach zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal für Forschung werden.

Dr. Judith Fuchs, Geschäftsführerin des „Zentrums für Geschlechterforschung in der Medizin Berlin – GiM“, beschäftigte sich in ihrem Beitrag mit der Frage: "Gender-based Analysis (GBA) - ein Instrument für die Forschungsvergabe?". Sie erläuterte, dass eine Gender-based Analysis dazu dienen könne, Gender Bias in Form von Androzentrismus, Geschlechterinsensibilität oder/und Doppelter Standards in der Forschung aufzudecken und diesen Barrieren für eine gleichstellungsorientierte Forschung formal und methodisch entgegenzuwirken.

Dr. Stephanie Bock, Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Urbanistik, stellte am Beispiel der Umgestaltung des Pulheimer Stadtparks das vom BMVBS von 2003 bis 2005 geförderte Modellprojekt zu "Gender Mainstreaming im Städtebau" vor. Die Umsetzung von Gender Mainstreaming könne den Blick für Gender-Aspekte im Städtebau und in der Raumnutzung schärfen. Gleichwohl sollte in der kommunalen Praxis noch an der Stärkung von fachbezogener Gender-Kompetenz gearbeitet werden. Mit fundierten Gender-Analysen könnten zudem die Zielvorgaben eindeutig geklärt werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung auf Partizipationsprozesse von Frauen und Männern beschränkt werde. Dr. Stephanie Bock plädierte daher für eine über Pilotprojekte hinausgehende Nachhaltigkeit der Implementierung von Gender Mainstreaming.
Die Fachtagung wurde von Dr. Julia Lepperhoff vom GenderKompetenz-Zentrum mit zehn Thesen zu „Erfolgsbedingungen für die Integration von Gender Mainstreaming in Forschungsvergabe und Forschung“ unter Rückbezug auf die einzelnen Referentinnen abgerundet.

In der abschließenden Diskussion wurde noch einmal kritisch hinterfragt, in welchem Verhältnis Marktorientierung und Gerechtigkeitsidee bei der Umsetzung und Vermittlung von Gender Mainstreaming stehen sollten. Es wurde deutlich, dass diese Frage für die Bundesressorts anders zu beantworten sein wird als etwa für den industriellen Sektor, in dem Gender überhaupt erst einmal argumentativ platziert werden muss. Wiederholt wurde thematisiert, dass Männer stärker in gleichstellungsrelevante Aktivitäten einbezogen werden müssen. Auch die Herstellung von Geschlecht und Geschlechterstereotypen muss vermehrt in den Blick genommen und somit im Forschungsprozess transparenter gemacht werden.

erstellt von pdimitrova zuletzt verändert: 10.05.2012 09:12