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"Europa auf dem Weg zur Gleichstellung?" EU-Gender-Tagung für die neuen Beitrittsländer in Berlin


Unter dem Titel „Für Vielfalt gegen Diskriminierung – der EU Gleichstellungs-Acquis: Erfahrungen, Probleme und Chancen“ wurde im Jahr der Chancengleichheit und während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Gleichstellung von Frauen und Männern als wichtiges Thema auf die politische Agenda gesetzt. Eröffnet wurde die Tagung in der litauischen Botschaft in Berlin mit dem Hinweis des Botschafters auf die besondere Verantwortung seines Landes, da das EU-Gender-Institut in Vilnius seinen Sitz haben wird.

Die Tagung wurde vom GenderKompetenzZentrum zusammen mit der Abteilung Gleichstellung des BMFSFJ durchgeführt und von der EU Kommission/TAIEX ko-finanziert. Um den europäischen Dialog für möglichst viele EU-Länder zu öffnen, waren auch Vortragende aus den alten Mitgliedsländern eingeladen, über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung von Gleichstellung zu berichten.

Ziel der Tagung war es, einen Beitrag zur Harmonisierung des EU- Gleichstellungs-Acquis zu leisten, welcher im EU-Fahrplan für Gleichstellung von Frauen und Männern konkretisiert wird.

Weiteres wichtiges Ziel war der fachliche Austausch zu Gleichstellungsthemen und Gender Mainstreaming, um von den vielfältigen Erfahrungen der Länder zu profitieren, optimierte Strategien zu entwickeln und sich in Zukunft besser vernetzen zu können.

Die Tagung verdeutlichte, dass Gleichstellung Querschnittsthema ist und nicht nur am Rande betrachtet, sondern als zentrale Aufgabe in allen politischen Feldern beachtet werden sollte. Die Länder antworten auf die unterschiedlichen kulturellen, sozialen, ökonomischen und rechtlichen Bedingungen mit verschiedenen Gleichstellungsstrategien, während die Probleme bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming ähnlich erscheinen.

So verdeutlichten die Beiträge aus den alten Mitgliedsländern Deutschland, Österreich, Dänemark, den Niederlanden und Spanien die Kehrseite der scheinbar erreichten Emanzipation: weiterhin bestehen ungleiche Bezahlung (Pay Gap) und eine traditionelle Arbeitsteilung, wie der EU Gleichstellungsbericht 2007 belegt.

Die neuen Beitrittsländer haben mit ähnlichen Ungleichheiten und Diskriminierungen zu kämpfen. Dabei haben sie ähnlich wie Spanien die Chance, die relativ neue EU- Gesetzgebung zur beschleunigten Umsetzung von Gleichstellung zu nutzen.

Zum Teil erfolgt eine auch in den alten Mitgliedstaaten beobachtbare Modernisierung jedoch allein der Rhetorik, nicht aber eine Veränderung in der Sache.

Thematisch wird Gleichstellungspolitik durchaus unterschiedlich verortet: In Deutschland werden Gleichstellungspolitiken primär im Kontext von Familienpolitik verstanden; in Österreich und Dänemark wird Gleichstellung stärker mit Beschäftigungsstrategien für den Arbeitsmarkt verknüpft. Von Bedeutung ist in allen Ländern die Frage des Identitätswandels insbesondere bei Männern, die ihre Rolle auch in der Familie noch nicht definiert haben. Ihre Einbeziehung wird bei der Veränderung von Rollenbildern entscheidend sein. Weitere Themen, die angeregt diskutiert wurden, waren die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die Situation der ökonomisch nicht unabhängigen Frauen insbesondere in ländlichen Gebieten, z.B. in Ungarn und Polen. Auch Diskriminierungsregelungen bezüglich des Alters oder der Herkunft wurden vorgestellt. Die neuen Länder definieren die Diskriminierungsindikatoren weitreichender, auch Besitz- und Familienstand werden z.B. in Bulgarien mit angeführt.

Zwar zeigt die Strategie Gender Mainstreaming in allen Ländern vielfach positive Effekte, wie z.B. mehr Gender-Bewusstsein bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und in der Verwaltung. Die Beratung bei der Implementierung von GM durch Expertinnen und Experten führt in den Institutionen zu ersten Veränderungen. Dennoch ist GM nicht flächendeckend umgesetzt, da Maßnahmen meist zu kurzfristig angelegt sind und sich nach wie vor Widerstände gegen die Strategie halten. Dabei erweist sich der Hinweis auf die angebliche Komplexität der Strategie GM als politisches Argument: auch Ressorts wie z.B. Verkehr sind hoch komplex - jedoch weniger hinterfragt. Von Legitimationsschwierigkeiten und einem breiten Desinteresse an Gleichstellung berichteten einige Beitrittsländer.

Die neuen Beitrittsländer stellten eine beachtliche Anzahl an Maßnahmen, Programmen und Projekten vor, um diesen Problemen konstruktiv entgegen zu treten. Erfolgreich erschienen auch die Twinning Projekte bei denen EU-Länder gemeinsam an der Harmonisierung der Gesetzgebung des Acquis und dem "Institution Building" arbeiten. So können durch GM z.B. die administrativen Kapazitäten gestärkt werden, wie die Slowakei berichtete. Auch Trainings für verschiedene Entscheidungstragende wurden als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Stereotypisierung und Diskriminierung angeführt. Die Ausbildung von Gender-Expertise erscheint weiterhin in allen Bereichen wichtig. Die Analyseinstrumente zur Bewertung der Gleichstellungspolitik, wie z.B. Monitoring und Evaluation sind grundlegend zur langfristigen Sicherung von Gleichstellung.

Politische Veränderungen dürfen die Gleichstellungsarbeit nicht behindern, so dass einige Länder ihre Chance nutzen, unabhängige Mechanismen und Institutionen zu etablieren, wie die Gender Focal Points und Fraueninstitute in Spanien.

Überall gilt, dass der Mehrwert (die „benefits“) von Gleichstellung für die Zielgruppen von Gleichstellungspolitik und für die breite Öffentlichkeit sichtbar werden muss. Zur Durchsetzung von Gender Mainstreaming bietet sich z.B. das Argument an, durch eine zielgruppengerichtete und gender-spezifische Politik mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Um die verschiedenen Lebenslagen zu analysieren und Ungleichheiten zu belegen, sind Gender-Daten von großer Bedeutung.

Zur Vermittlung von Gleichstellung müssen die Medien adressiert werden. Dies wird z.B. durch Pressekonferenzen erreicht, während Kampagnen für mehr Bewusstsein in der Zivilgesellschaft sorgen. In den neuen Ländern spielen die NGO´s bei der Gesetzgebung, aber auch für die öffentliche Präsenz des Themas eine wichtige Rolle. Auch der Hinweis auf die Bürgerrechte, die jedoch mit Pflichten verbunden werden müssen, erweist sich als Motivation zu bürgerschaftlichem Engagement für eine diskriminierungsfreiere Gesellschaft.

Wichtig erscheint für alle Länder die Übermittlung positiver Nachrichten, um so eine breitere Zustimmung in der Zivilgesellschaft zu erhalten und deutlich zu machen, dass die liberale Marktwirtschaft und der Staat allein nicht für Gleichstellung sorgen werden- wie sich in den alten Ländern gezeigt hat. Dabei ist die die Reprivatisierung von Geschlechterfragen in allen EU- Ländern als eine problematische Entwicklung zu kennzeichnen.

 

In der Abschlussbilanz der Tagung wies das GenderKompetenzZentrum auf die großen Chancen der Tagung zur Vernetzung, zum zukünftigen intereuropäischen Austausch und auf die aussichtsreiche Zusammenarbeit mit dem EU-Genderinstitut hin. In Zukunft müssen weitere Akteure gewonnen werden, um Gleichstellung in den spezifischen Kontexten der Länder voranzutreiben und gemeinsam daran zu arbeiten, Gender-Kompetenz und Gender-Wissen alltäglich werden zu lassen: dies ist auch das Ziel der Strategie Gender Mainstreaming, die sich auf diese Herausforderungen „für Vielfalt und gegen Diskriminierung“ einstellen kann!

 

Hier finden Sie die Präsentationen der Referentinnen und Referenten der EU-Tagung:

 

 



Aus dieser Veranstaltung ist der aktuelle vierte Band der Schriftenreihe des GenderKompetenzZentrums „Between Success and Disappointment – Gender Equality in an Enlarged Europe“ hervorgegangen.
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 09:12