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Bewertung und Vergütung

Bewertung und Vergütung von Arbeit


Bei der Bewertung von Arbeit sind grundsätzlich zwei Ebenen zu unterscheiden:
  • Die Beschreibung und finanzielle Bewertung typischer Tätigkeiten in einem Vergütungssystem:
    Auf dieser Ebene geht es darum, für Branchen oder Beschäftigungssektoren zu einem differenzierten System von Tätigkeitsbeschreibungen und damit verbunden zu einem differenzierten Entgeltsystem zu kommen.
  • Die Bewertung eines einzelnen Arbeitsplatzes oder einer einzelnen Funktion und die Zuordnung zu einer bestehenden Vergütungsstufe bzw. Eingruppierung in eine Entlohnungsgruppe:
    Auf dieser Ebene geht es darum, unabhängig von einzelnen Beschäftigten die an einem Arbeitsplatz zu verrichtenden Tätigkeiten systematisch und vollständig zu erfassen und nach ihrem Anforderungsgrad zu gewichten. Aus dieser Arbeitsplatzbeschreibung kann zum einen eine Eingruppierung in ein Vergütungssystem und zum anderen ein Anforderungsprofil für die Personalauswahl abgeleitet werden.
Auf beiden Ebenen kann es zu genderbezogenen Fehlern und systematischen Verzerrungen kommen, die i.d.R. zu einer Unterbewertung von Tätigkeiten führen, die traditionell überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Dies ist eine wesentliche Ursache für die nach wie vor erheblichen Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Diese Form der strukturellen Diskriminierung ist seit langem durch nationales und europäisches Recht untersagt.

Beschreibung und finanzielle Bewertung typischer Tätigkeiten in einem Vergütungssystem

Bei der Beschreibung typischer Tätigkeiten und deren finanzieller Bewertung muss sichergestellt werden, dass nicht nur gleiche oder weitgehend gleiche Arbeit sondern auch gleichwertige Arbeit finanziell gleich bewertet wird. Dies ist im Artikel 141 des Amsterdamer Vertrags, den Richtlinien 75/117/EWG und 97/80/EG festgelegt und durch einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt.
In historisch gewachsenen Vergütungssystemen, wie sie die meisten Tarifverträge und das System der Beamtenbesoldung darstellen, werden jedoch traditionell überwiegend von Frauen geleistete Tätigkeiten im Vergleich zu traditionell überwiegend von Männern geleisteten Tätigkeiten geringer bewertet und niedriger bezahlt. Dies ist beispielsweise für den Bundesangestelltentarif (BAT) ausführlich wissenschaftlich untersucht und belegt worden (Winter 1997). Hierfür gibt es zwei wesentliche Ursachen:
  • In den Aushandlungsverfahren, die zu diesen Vergütungssystemen geführt haben, waren die Interessen männlicher Beschäftigter stärker vertreten. Männer waren und sind nach wie vor stärker gewerkschaftlich organisiert und stellten bis vor wenigen Jahren auch die große Mehrheit der Beamtenschaft. Hinzu kommt, dass die Verhandlungsführenden (fast ausschließlich Männer) sich implizit am Modell des Familienernährers orientieren und für Fragen der Gleichstellung wenig sensibilisiert sind.
  • In den meisten Vergütungssystemen gibt es kein systematisches und überprüfbares Verfahren zur Bewertung von Arbeit, das die gleiche Bewertung gleichwertiger Arbeit sicherstellt.
Bei der Feststellung welche Arbeiten gleichwertig sind und daher auch gleich vergütet werden müssen, kommt Verfahren der Arbeitsbewertung also eine Schlüsselrolle zu.

Bewertung und Eingruppierung einzelner Arbeitsplätze oder Funktionen

Im Zusammenhang mit Umstrukturierungen und der Einführung neuer Arbeits- und Organisationsformen werden in Organisationen häufig neue Typen von Arbeitsplätzen eingerichtet. Beispielsweise werden im Rahmen von Business Process Reengineering Teams von Mitarbeitenden gebildet, die einzelne Geschäftsprozesse durchgängig bearbeiten. Dabei werden traditionelle funktionelle Arbeitsteilungen aufgelöst und neue Unterscheidungen zwischen Kern- und Supportprozessen eingeführt. Diese neu eingerichteten Arbeitsplätze müssen nach ihren Anforderungen bewertet und in ein differenziertes System der Vergütung eingruppiert werden. Zwischen der Organisation und einzelnen Beschäftigten oder der Beschäftigtenvertretung kann es hierbei zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, die bis zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen können. Unterschiedliche genderbezogene Bewertungen können hierbei eine wichtige Rolle spielen. Es gibt nicht nur eine Tendenz weniger anspruchsvolle und mit weniger Entwicklungsmöglichkeiten versehene Arbeitsplätze mit Frauen zu besetzen. Es kommt auch zu unangemessenen Bewertungen der in solchen Umstrukturierungsprozessen mit Frauen besetzen Positionen. Soll eine Eingruppierung nachvollziehbar sein und zu einer gleichen Vergütung gleichwertiger Tätigkeiten führen, ist auch hierfür ein strukturiertes Verfahren der Arbeitsbewertung notwendig.

Beispiel für gleichstellungsorientierte Neubewertung von Arbeit

In einzelnen Fällen wurde versucht, auf der Ebene der Organisation alle Tätigkeiten neu zu bewerten und entsprechend zu vergüten. Beispielsweise hat der Kanton Freiburg in der Schweiz für alle seine Beschäftigten eine gleichstellungsorientierte Neubewertung der Tätigkeiten vorgenommen. Hierzu wurde zunächst eine Analyse zur Verteilung von Tätigkeiten und Eingruppierungen nach Geschlecht und ein Vergleich der Einkommen von Frauen und Männern durchgeführt. Das gleichstellungsorientierte Verfahren der Neubewertung von Arbeit wurde in allen Schritten mit paritätischer Partizipation von Frauen und Männern durchgeführt. Begleitend wurde das Ziel des Verfahrens mit allen Beschäftigten kommuniziert und alle Beteiligten wurden für die genderbezogenen Aspekte sensibilisiert. Nach einem mehrjährigen Prozess wurden etwa 8% der Beschäftigten neu eingruppiert. Dies kam überwiegend aber nicht nur Frauen zu gute.


Instrumente zur Umsetzung von GM in der Bewertung und Vergütung von Arbeit

  • Der "Leitfaden zur Anwendung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit" wurde von Karin Tondorf und Edeltraud Ranftl im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entwickelt. Der Leitfaden unterstützt bei der Umsetzung der Entgeltgleichheit in Tarifverträgen, betrieblichen und individuellen Vereinbarungen und richtet sich sowohl an die Tarifparteien als auch an Beschäftigte, die möglicherweise selbst von Entgeltdiskriminierung betroffen sind. Sie können das Instrument herunterladen unter /w/files/gkompzpdf/leitfadenequalpay.pdf
Hier finden Sie eine nach Handlungsfeldern sortierte Instrumenten-Sammlung .

JG

Veranstaltung des GenderKompetenzZentrums

Literatur:

  • Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend: Equal pay - Dokumentation der Internationalen Konferenz, 2002.

  • Krell, Gertraude/ Winter, Regine: Anforderungsabhängige Entgeltdifferenzierung: Orientierungshilfen auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreieren Arbeitsbewertung, in: Krell, Gertraude (Hg.): Chancengleichheit durch Personalpolitik - Gleichstellung von Frauen und Männern in Unternehmen und Verwaltungen. Rechtliche Regelungen, Problemanalysen, Lösungen (4. Aufl.), Wiesbaden 2004, S. 309-332.
  • Krell, Gertraude/ Winter, Regine: Diskriminierung von Frauen bei der Entgeltdifferenzierung - Wege zu einer diskriminierungsfreieren Arbeitsbewertung, in: gender...politik...online, 2004.

  • Kommission für die Bewertung und Einreihung der Funktionen: System EVALFRI. Funktionsbewertung beim Staat Freiburg, Freiburg 2001.

  • Krell, Gertraude/ Carl, Andrea-Hilla; Krehnke, Anna: Diskriminierungsfreie Bewertung von (Dienstleistungs-)Arbeit: Zusammenfassung - Vergleichsprojekt zwischen frauen- und männerdominierten Tätigkeiten in der Landeshauptstadt Hannover im Auftrag der Gewerkschaften ÖTV, Bundesvorstand ver.di 2001.

  • Moussa, Kathrin: Langsam, aber sicher. Der pragmatische Weg der Freiburger Kantonsverwaltung (Schweiz) zur Verwirklichung der internen Lohngerechtigkeit. In: Ranftl, Edeltraud; Buchinger, Birgit; Gschwandtner, Ulrike; Meggeneder, Oskar (Hg): Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Praktische Beispiele diskriminierungsfreier analytischer Arbeitsbewertung. München, Mering 2002.

  • Ranftl, Edeltraud/ Buchinger, Birgit/ Gschwandtner, Ulrike/ Meggeneder, Oskar (Hg): Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Praktische Beispiele diskriminierungsfreier analytischer Arbeitsbewertung. München, Mering 2002.


erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05