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Optimale Datenqualität: Gender-kompetent

Optimale Datenqualität: Gender-kompetent

Die Qualität der gewonnenen Informationen verbessert sich, indem Daten über die Geschlechterdifferenzierung hinaus sinnvoll nach weiteren Kriterien erhoben, dargestellt und ausgewertet werden. Die Lebenslagen von Frauen und Männern sind nicht homogen, und Statistik sollte versuchen, diese Vielfalt im jeweiligen Kontext adäquat abzubilden, um zu problemorientierten, realitätsnahen Aussagen zu kommen. Dadurch werden geschlechtsbezogene Verzerrungseffekte vermieden und die Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse optimiert.

Im Unterschied zum schlichten „Sex-counting” kann diese Arbeit gender-kompetent genannt werden; manche Publikationen bezeichnen diese Art von Daten als „Gender-Daten” oder – wie das schwedische Statistische Amt oder die United Nations Economic Commission for Europe - als „Gender-Statistik”. Es handelt sich jedoch einfach um Daten, die mit Genderkompetenz erstellt worden sind. Schließlich geht es nicht um zusätzliche Daten zu einem Spezialfall, sondern um verzerrungsfreie, der Komplexität der Realität angemessene Daten.

Die Debatte, wie die Verschränkung von Gender mit weiteren Kategorien begriffen werden kann, wird in den Gender Studies seit den 1990er Jahren mit den Begriffen der „Intersektionalität”, der „Interdependenzen” oder auch der „mehrdimensionalen Diskriminierung” geführt. An einigen Stellen wird daran gearbeitet, diese komplexen Verschränkungen durch quantitative Forschung empirisch zu analysieren. Die US-amerikanische Soziologie-Professorin Leslie McCall unterscheidet dabei zwischen drei methodologischen Ansätzen:
  1. Der „anti-kategoriale” Ansatz hält das soziale Leben für zu komplex, als dass es mit fixierten Kategorien abgebildet werden könnte; vielmehr würde das Benutzen der Kategorien dazu beitragen, Ungleichheiten zu reproduzieren. Für quantitative empirische Forschung ist dieser skeptische Ansatz wenig hilfreich.
  2. Der „intra-kategoriale” Ansatz geht von einer Dauerhaftigkeit empirischer Gruppen aus, steht jedoch vereinheitlichenden Kategorisierungen kritisch gegenüber. Um nicht unzulässig zu homogenisieren, werden Untergruppen innerhalb einer einzelnen Gruppe verglichen (beispielsweise Altersgruppen innerhalb der Gruppe Frauen). In quantitativer empirischer Forschung kann dieser Ansatz z.B. im Sinne einer explorativen Pilotstudie gewinnbringend sein, besonders wenn der Forschungsstand noch nicht so weit ist, dass eine umfassende Studie über die ganze Bandbreite von Kategorien möglich wäre.
  3. Der „inter-kategoriale” Ansatz vergleicht empirisch zwischen Gruppen, wobei die Differenz zwischen den Gruppen zunächst immer nur den Status einer Hypothese hat. Der Anforderung der Komplexität wird nachgekommen, indem zwischen vielfältigen Gruppen innerhalb von Kategorien (wie im intra-kategorialen Ansatz) und zudem kategorienübergreifend systematisch verglichen wird.So werden Interaktions-Effekte sichtbar. Dahinter steht die Erkenntnis, dass eine einzelne Dimension selten die gesamte Struktur beschreiben kann.
Weitere Informationen zur Methodologie intersektionaler empirischer Analysen sowie Beispiele besonders zum Thema Entgeltunterschiede finden Sie auf der Homepage von Leslie McCall. Im deutschsprachigen Raum wird die Analyse von Intersektionalität bislang eher im Kontext qualitativer Methoden diskutiert (vgl. Erel et al. 2006, S. 247ff). Cornelia Klinger und Gudrun-Axeli Knapp beschreiben in ihrem Artikel „Achsen der Ungleichheit – Achsen der Differenz. Verhältnisbestimmungen von Klasse, Geschlecht, »Rasse« / Ethnizität” den Stand der Debatte im deutschsprachigen Raum, insbesondere infolge einer Arbeitsteilung oder gar Abkopplung zwischen empirischer Sozialstrukturanalyse und Gesellschaftstheorie, und zeigen auf, dass methodologisch und gesellschaftstheoretisch noch einige Entwicklungs- und Übersetzungsarbeit vonnöten ist.

Welche Differenzierungen neben dem Geschlecht relevant sind, ist je nach Sachgebiet und Fragestellung verschieden. Häufig erweisen sich Fragen von Alter, Lebensform, Erwerbsstatus, Bildung, Religion, Herkunft, oder Betreuungspflichten als wichtig. Im Einzelfall ist dies problemorientiert zu entscheiden; Ergebnisse der Frauen- und Geschlechterforschung, wie sie z.B. auf der Homepage des GenderKompetenzZentrums für Sachgebiete und Handlungsfelder aufbereitet wurden, können bei der Identifizierung relevanter Kategorisierungen hilfreich sein. Auch durch zeitlich oder räumlich (also z.B. international oder regional) vergleichende Perspektiven lassen sich differenziertere Aussagen und gegebenenfalls entscheidende Hinweise für angemessene Maßnahmen gewinnen.

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Literatur

  • Erel, Umut / Haritaworn, Jinthana / Gutiérrez Rodríguez, Encarnación / Klesse, Christian: Intersektionalität oder Simultaneität?! Zur Verschränkung und Gleichzeitigkeit mehrfacher Machtverhältnisse - Eine Einführung, in: Hartmann, Jutta / Klesse, Christian / Wagenknecht, Peter / Fritzsche, Bettina / Hackmann, Kristina (Hg.): Heteronormativität – Empirische Studien zu Heterosexualität als gesellschaftlichem Machtverhältnis, VS Verlag 2006, S. 239-250.

  • Klinger, Cornelia / Knapp, Gudrun-Axeli: Achsen der Ungleichheit – Achsen der Differenz. Verhältnisbestimmungen von Klasse, Geschlecht, »Rasse« / Ethnizität, in: Transit - Europäische Revue, Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), Wien, Nr. 29/2005.

  • McCall, Leslie: Managing the Complexity of Intersectionality, Presented at the Regular Session on Feminist Theory, American Sociological Association Meeting, Anaheim 2001.
 
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05