Beweislast

Beweislast im AGG

Das AGG sieht eine Beweiserleichterung für die benachteiligte Person vor. Die immer wieder vorgetragene Behauptung, dass AGG beinhalte eine bürokratisch belastende Beweislastumkehr ist schlicht falsch. Beweiserleichterung im AGG bedeutet, dass die Person, die eine Benachteiligung geltend macht, zunächst Indizien zu beweisen hat, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Indizien sind dann vorgebracht, wenn Anhaltspunkte ergeben, dass sie bzw. er schlechter behandelt worden ist als z.B. eine andere Arbeitnehmerin bzw. ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation (Beispiele: diskriminierende Stellenanzeige oder unzulässige Nachfragen bezogen auf die Benachteiligungsmerkmale). Wenn das gelingt, hat der oder die Beklagte nachzuweisen, dass keine verbotene Benachteiligung vorliegt oder diese nach dem AGG gerechtfertigt ist. Das bedeutet also, dass erst wenn Indizien vorgebracht sind – und nicht von Anfang an – die Beweislast auf die beklagte Person übergeht.

Der Handhabung der Beweislastregelung durch die Gerichte kommt eine entscheidende Bedeutung für die Wirkung des AGG zu. Grundsätzlich sind die Gerichte verpflichtet, die Regelungen des AGG in Übereinstimmung mit europäischen Recht anzuwenden. Zudem können die Gerichte auf die Rechtsprechung zu § 611a BGB – dem Verbot der geschlechtsbezogenen Benachteiligung – zurückgreifen, das demselbem Beweismaßstab unterlag.

Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass entgegen der Befürchtungen der Arbeitgeberseite, die Kläger und Klägerinnen von Diskriminierungsklagen trotz der Beweiserleichterung Schwierigkeiten haben, die entsprechenden Tatsachen vor Gericht glaubhaft zu machen. Als Grund hierfür wird zum Teil die Ungeeignetheit traditioneller Methoden der Beweissammlung, wie schriftliche Unterlagen, Zeugenaussagen und Sachverständigengutachen für Diskriminierungsklagen angeführt. In Großbritannien wird daher in Diskriminierungsfällen auf Grund von Geschlechts oder „Rasse“ ein Fragebogen verwendet. Dieser Fragebogen dient der Ermittlung des Tatbestandes und enthält auch allgemeine Fragen zu Gleichstellungsmaßnahmen im Unternehmen. Bei einer Klage vor Gericht ist es zulässig, aus unklaren oder ausweichenden Antworten die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen (Palmer 2006).

SL

Weiterführende Literatur:

  • Palmer, Fiona: Wiederherstellung des Gleichgewichts in Diskriminerungsfällen: Die Verlagerung der Beweisfälle, in: Europäische Zeitschrift für Antidiskriminierung, Nr. 4, November 2006, S. 23-30.

  • Schiek, Dagmar (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Ein Kommentar aus europäischer Perspektive, 2007, § 22, Rn. 1ff.



erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06