Antidiskriminierungspolitik in der EU

Antidiskriminierungspolitik in der Europäischen Union

Auf europäischer Ebene sind inzwischen breite Aktivitäten in der Antidiskriminierungspolitik entfaltet worden. Dazu gehört neben den rechtlichen Regelungen z.B. die Initiative „Für Vielfalt gegen Diskriminierung“ der Europäischen Kommission. In diesem Zusammenhang spielt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Rolle. Er wehrte Klagen gegen „die Quote“, also gegen Frauenförderung bei gleicher Qualifikation ab und entwickelte die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung, die inzwischen auch in der nationalen Rechtsprechung weitgehend anerkannt ist (Högl 2004, 104). Hier finden Sie die wichtigsten Entscheidungen zu deutschen Förderregelungen und zur mittelbaren Diskriminierung.

1999 wurde in den EG-Vertrag (Amsterdamer Vertrag) Artikel 13 eingefügt, der die Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung fordert. Seit dem Jahre 2000 wurden vier Antidiskriminierungsrichtlinien erlassen, die den Diskriminierungsschutz deutlich erweitern (Baer 2003). Die Richtlinien betreffen insbesondere das Arbeitsrecht, aber auch das Zivilrecht – also Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen.

Die „Antirassismus-Richtlinie“ (RL 2000/43/EG) vom 29.06.2000 bezieht sich auf die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der „Rasse“ oder der ethnischen Herkunft. Sie gilt in den Bereichen Beschäftigung und Beruf, Bildung, Gesundheits- und Sozialleistungen, aber auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

Die „Rahmen-Richtlinie Beschäftigung“ (RL 2000/78/EG) vom 27.11.2000 bietet Schutz vor Diskriminierung auf Grund von Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung und bezieht sich auf die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Das Erwerbsleben wird somit als ein Schlüsselbereich für die Gleichbehandlung betrachtet. „Rasse“ und ethnische Herkunft werden hier nicht genannt, da die Antirassismus-Richtlinie bereits Regelungen zur Beschäftigung beinhaltet. Auch Geschlecht ist nicht umfasst, da im EG-Vertrag wie im sonstigen europäischen Recht, insbesondere über Richtlinien gesonderte Regelungen gelten.

Die Änderungsrichtlinie Geschlecht (RL 2002/73/EG) vom 23.09.2002, die die alte Antidiskriminierungsrichtlinie Geschlecht (RL 76/207/EWG) erweitert und der aktuellen Rechtslage in der EU anpasst, spezifiziert die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf mit Blick auf das Geschlecht. Diese Richtlinie basiert auf der Regelung zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben (Artikel 141 Absatz 3 EG-Vertrag).

Schließlich regelt die Richtlinie Güter und Dienstleistungen“ (2004/113/EG), die so genannte Unisex-Richtlinie, vom 13.12.2004 die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Frauen und Männern im Bereich des Privatrechts, d.h. beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen bei Massengeschäften. Hintergrund dieser Richtlinie war vor allem die anfänglich geplante Durchsetzung von Unisex-Tarifen in der Privatversicherung der EU-Mitgliedstaaten. Angesichts der großen politischen Widerstände ist eine Differenzierung nach Geschlecht bei Tarifen und Leistungen allerdings weiterhin zulässig, wenn sie versicherungsmathematisch begründet werden kann (Berghahn/Wersig 2005, 2).

Mit den Richtlinien wurden auch Mechanismen zur verbesserten Durchsetzung von Antidiskriminierungspolitiken etabliert. Hierzu gehört die Verbandsbeteiligung zum Schutz der Betroffenen. Daneben steht die Beweislasterleichterung für die Betroffenen, wonach die beschwerte Person zunächst Tatsachen glaubhaft machen muss, dann jedoch dem Beklagten der Nachweis obliegt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde. Zudem sehen die Antirassismus-Richtlinie sowie die Änderungsrichtlinie Geschlecht eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle zur Verwirklichung von Gleichbehandlung vor.

Die Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland nicht fristgerecht, was vom EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren gerügt wurde. Nach verschiedenen Anläufen, die Richtlinien umzusetzen, tritt zum 18.08.2006 nun das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.

Zu den Einzelheiten des AGG finden sie auf folgenden Seiten ausführlichere Informationen:

Bundesministerium der Justiz

Weiterführende Literatur

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 08:21