Benachteiligungsformen

Benachteiligungen im Sinne des AGG

Das AGG enthält einen folgenorientierten Benachteiligungsbegriff. Das bedeutet, dass nur dann eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes vorliegt, wenn einer Person aufgrund eines der geschützten Merkmale ein Nachteil zugefügt wurde. Die bloße Anerkennung einer „Differenz“ wie z.B. bei Schwangerschaft (§ 3 Abs. 1, Satz 2 AGG) stellt keine Diskriminierung dar, wenn damit nur ein Unterschied benannt wird, an den kein Nachteil geknüpft ist (s.a. Baer 2004). Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität befinden sich in verschiedenen Lebenslagen – zum Teil auch als Folge von Zuschreibungen und daran anknüpfenden Benachteiligungen. Es geht bei der Umsetzung des AGG nicht darum, generell Unterschiede zwischen Menschen und ihren Lebenssituationen zu negieren, sondern das Gesetz verbietet es, diese Unterschiede mit Nachteilen zu verbinden.

Das AGG unterscheidet fünf verschiedene Benachteiligungsformen und definiert so die unerwünschten Handlungen:

  • Unmittelbare Benachteiligung
    Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (§ 3 Abs. 1). Für die Feststellung einer Ungleichbehandlung bedarf es eines Vergleichs zwischen mindestens zwei Personen, wobei der Vergleich auch mit einer hypothetischen Vergleichsperson gezogen werden kann. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit sind insbesondere die Art der Tätigkeit und der Zweck einer Leistung zu berücksichtigen. Der Grund der Benachteiligung muss dazu gerade in einem der in § 1 genannten Merkmale liegen. Ansonsten kann es sich um eine mittelbare Benachteiligung handeln.

  • Mittelbare Benachteiligung
    Eine mittelbare Benachteiligung ist gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen, es sei den, sie sind gerechtfertigt (§ 3 Abs. 2). Die Benachteiligung erfolgt gerade nicht aufgrund eines in § 1 genannten Benachteiligungsgrundes, sondern ist vielmehr auf neutrale Kriterien zurückzuführen, wie z.B. auf Teilzeitbeschäftigung. Die Vorschriften wirken sich aber bei einer Personengruppe, die zumindest eines der in § 1 genannten Merkmale aufweist, in benachteiligender Weise aus. Da Teilzeitbeschäftigte überwiegend Frauen sind, kann eine Regelung zu Teilzeitbeschäftigung bei Frauen zu Benachteiligung führen. Es geht bei der mittelbaren Diskriminierung nicht darum, Personen Benachteiligungen zuzurechnen, für deren Entstehung sie nicht verantwortlich sind. Sinn und Zweck dieses Verbots ist es, zu verhindern, dass aus sozialen Ungleichheitslagen Profit gezogen werden kann (Schiek 2007). Es gibt verschiedene Gründe, warum vor allem Frauen in Teilzeit beschäftigt sind, für die nicht der einzelne Arbeitgeber verantwortlich gemacht werden kann. Es ist aber ein legitimes Ziel von Antidiskriminierungsrecht, dafür Sorge zu tragen, dass einzelne Arbeitgeber aus der Teilzeitbeschäftigung von Frauen keine Vorteile ziehen können.

  • Belästigung
    Belästigung ist definiert als unerwünschte Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Benachteiligungsmerkmalen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Abs. 3). Hierbei kommt es nicht auf eine Vergleichsperson an, vielmehr stellt die unerwünschte Verhaltensweise selbst die Belästigung dar.

  • Sexuelle Belästigung
    Sexuelle Belästigung ist festgelegt als unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten welches bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Abs. 4). Bisher war der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz im Beschäftigtenschutzgesetz geregelt. Das Beschäftigtenschutzgesetz ist nun im AGG integriert. Für die Unerwünschtheit der Verhaltensweise ist es ausreichend, wenn aus Sicht einer objektiven Beobachterin bzw. eines Beobachters davon auszugehen ist, dass das entsprechende Verhalten von den Betroffenen nicht erwünscht ist oder nicht akzeptiert wird.

  • Anweisung zur Benachteiligung
    Eine Anweisung zur Benachteiligung liegt vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte benachteiligt oder benachteiligen kann (§ 3 Abs. 5). Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Angewiesene die Handlung tatsächlich ausgeführt hat.

Belästigung und sexuelle Belästigung sind ausnahmslos verboten. Bei der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung gibt es von dem grundsätzlichen Verbot Ausnahmen, d.h. eine Benachteiligung kann in den vom AGG aufgeführten Fällen gerechtfertigt sein:

Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ist im Arbeitsleben dann gerechtfertigt, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Hinzu kommt, dass der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist (§ 8). Die häufigsten Beispiele, die hier genannt werden sind Beispiele aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, wie z.B. eine Schauspielerin für eine weibliche Rolle, weibliche oder männliche Fotomodelle oder eine stillende Amme. Da solche Tätigkeiten im öffentlichen Dienst nicht gefragt sind, sind unmittelbare Benachteiligungen wegen des Geschlechts im öffentlichen Dienst nicht zu rechtfertigen und sind grundsätzlich unzulässig (Franke 2006).

Eine mittelbare Diskriminierung liegt dann nicht vor, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und dieser geeignet, erforderlich und angemessen ist, also dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprichtt. Das AGG enthält keine Definition, wann ein sachlicher Grund vorliegt. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob der vorgetragene Grund einen sachlichen Grund darstellt. Dabei ist die Intention des AGG zu bedenken, nämlich Diskriminierungen zu unterbinden. Diese Bemühen würde unterlaufen, wenn auch die einfachsten Gründe akzeptiert würden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein sachlicher Grund gegeben ist, wenn er auf einleuchtenden Erwägungen beruht und gegen keine verfassungsrechtliche Werteentscheidung verstößt. Das Einsparen von Kosten genügt diesen Anforderungen jedenfalls nicht (Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert, § 3, 2007).

Diese beiden Benachteiligungsformen - unmittelbare und mittelbare - gelten grundsätzlich sowohl für den arbeitsrechtlichen als auch für den zivilrechtlichen Teil.

SL
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06