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Schriftliche Fassung der Präsentation des GenderKompetenzZentrums zum ersten Block

Gender Mainstreaming als Organisationsentwicklung

In den Umsetzungsprozessen von Gender Mainstreaming (GM) geht es vielerorts um den Schritt von einer Einführungs- und Übergangsphase zur Phase der Regelpraxis. Mit dem Begriff der Organisationsentwicklung beschreiben wir den gesamten Prozess, in dem eine Idee, ein Schlagwort oder eine Strategie zu etwas wird, was Organisationen langfristig, nachhaltig und durchgängig prägt. Wird Gender Mainstreaming als Organisationsentwicklung verstanden, stellt sich die Frage, was am Ende dieser Organisationsentwicklung steht, also wie die Regelpraxis aussieht. Beim Übergang zur Regelpraxis zeigt sich dann, ob das Vorhaben scheitert oder ob es in die Tiefe einer Organisation eingesickert ist.

Welchen Nutzen haben Organisationen von einem solchen Entwicklungsprozess? Es gibt verschiedene Aspekte, die je nach Akteur eine wichtige oder weniger wichtige Rolle spielen. Zu erwarten sind bessere fachliche Ergebnisse durch zielgruppendifferenzierte Konzepte und in der Folge ein effizienterer und effektiverer Mitteleinsatz. Durch GM können also Schwachstellen und Effizienzverluste in der Fachpolitik erkannt und abgestellt werden. Die Erfahrung mit der gleichstellungspolitischen Folgenabschätzung kann auch bei anderen Themen Anwendung finden. Dies führt langfristig zu fachlichen Kompetenzgewinnen und zur Imageverbesserung einer Organsiation. Neben allem praktischen Nutzen zielt GM auf die Verwirklichung einer gesellschaftlichen Wertentscheidung, mit der individuelle Spielräume für Lebensgestaltung eröffnet werden sollen.

Um diesen Nutzen realisieren zu können, muss Gleichstellungsorientierung zur Regelpraxis werden. Das bedeutet,
  • alle Akteure in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, etc.
  • in allen Sachgebieten wie z.B. Arbeit, Verkehr, Bildung, Innenpolitik, Landwirtschaft
  • in allen Handlungsfeldern wie z.B. Rechtsetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Haushalt, Personal
handeln gleichstellungsorientiert.

Um den Weg zur Regelpraxis genauer beschreiben zu können, schlagen wir die Unterscheidung von drei Ebenen vor: die politische, die organisationsinterne und die fachliche Ebene.

Auf der politischen Ebene sind allgemeine gleichstellungspolitische Zielsetzungen und gleichstellungsorientierte fachpolitische Ziele notwendig. Diese müssen durch Regierung, Parlament, Zivilgesellschaft, Öffentlichkeit und weitere Akteure ausgehandelt werden. Organisationsintern wird sich der interne Umgang, also die sogenannte Organisationskultur ändern. Das gilt entsprechend auch für die Personalentwicklung und die gesamte (Arbeits-)Organisation. Fachlich müssen die gleichstellungspolitischen Fachziele in die Facharbeit integriert werden. Das bedeutet, das Gender als fachlich relevanter Aspekt anerkannt wird.

Die Herausforderung besteht darin, dass die drei Ebenen eng miteinander gekoppelt sind. Erst bei der Wahrnehmung aller drei Ebenen entsteht Glaubwürdigkeit für die Umsetzung von Gleichstellung. Die Umsetzung von GM – also von Gleichstellung als integriertem Ziel – ist somit eine umfassende und daher strategische Aufgabe, bei der alle drei Ebenen im Blick gehalten werden müssen.

Für die Umsetzung von GM ist "Top-Down" unerlässlich. Das heißt, es bedarf klarer und konkreter politischer Vorgaben, die im Endeffekt zu einem veränderten fachlichen Output führen sollen. Aus der politischen Vorgabe einen fachlichen Output zu machen, geschieht in der fachlichen und internen Umsetzung. Eine durchgängige Umsetzung von GM erfasst auch "Bottom-Up"-Prozesse. Die Gender-Aspekte im Fachgebiet sind die Basis für angemessene Zielvorgaben und müssen daher in fachlichen Handlungsvorschlägen kompetent berücksichtigt und umgesetzt werden.

Die fachlich kompetente Umsetzung von gleichstellungspolitischen Vorgaben in das Handeln einer Fachverwaltung und die Umsetzung von fachlichen Gender-Aspekten in politische Entscheidungsvorschläge ist die Herausforderung und Chance vor der die Verwaltung mit der Umsetzung von GM steht.
Die größte Herausforderung für die Umsetzung liegt darin, dass GM auf allen drei Ebenen – politisch, intern, fachlich – Unsicherheit schafft.

In vielen Bereichen ist politisches Top-Down nicht so vorhanden, wie  es wünschenswert wäre. Zum einen ist das Engagement der Leitung nicht ausreichend sichtbar oder manchmal auch nur halbherzig. Zum anderen mangelt es politischen Entscheidungsträgerinnen und –trägern an Entscheidungsgrundlagen, um fachpolitische Zielvorgaben setzen zu können. Zusätzlich gibt es wenig Erfahrungen mit konkreten, weitergehenden Vorgaben zur Implementierung von GM, wenn die Einführungs- und Übergangsphase vorüber ist.

Auch im internen Bereich zeigen sich auf verschiedenen Ebenen  Unsicherheiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen ihre bisherigen Erfolgs- und Karrierestrategien in Frage gestellt. Das gilt für die Wirksamkeit der oft bestehenden “Anwesenheitskultur” ebenso wie für eigene Rollenmuster und formelle und informelle Zusammenhänge und Seilschaften. Auch würden sich bei der ernsthaften Umsetzung von GM Kompetenzlücken zu Gender-Fragen zeigen.

Kernbereich der Umsetzung ist die fachliche Ebene in der Verwaltung bei der Unsicherheiten zu fachlich richtigen Ergebnissen bestehen. Häufig ist schon die  Zuständigkeit für die Querschnittsfrage Gleichstellung unklar. Wer ist zuständig und wie ist mit vernetzten Gender-Fragen und Zusammenhängen umzugehen? Unmittelbare Diskriminierung wird in der Regel schnell erkannt, aber es gibt weiterhin Schwierigkeiten, mittelbare Diskriminierung zu erkennen und zu verstehen. Hinzu kommt, dass alle Verwaltungen nur knappe Ressourcen (zeitlich, finanziell, personell) haben, um sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Dennoch muss im Rahmen dieser Ressourcen geplant und entschieden werden, wie mit der neuen fachlichen Anforderung und den damit entstehenden Unsicherheiten umgegangen wird. Nicht zu vernachlässigen ist dabei, das an manchen Stellen mit individueller Kompetenz-Überforderung und persönlichen Widerständen zu rechnen ist. Auch das Hinzuziehen von externer Kompetenz zur Klärung fachlicher Fragen ist für viele Verwaltungen noch ungewohnt. Bisherige fachliche Überzeugungen werden in Frage gestellt und alternative fachliche Szenarien müssen entwickelt werden.

Die Aufgabe von Führungskräften ist es, die Umsetzung politischer Vorgaben und die Umsetzung fachlicher Notwendigkeiten in politische Entscheidungsalternativen zu organisieren. Damit ermöglichen sie Klarheit und Handlungssicherheit nach “oben” für die Leitung einer Organisation und nach “unten” für die Arbeitsebene. Das gilt gleichermaßen für die politische Linie, die Motivation der Mitarbeitenden, als auch für die fachliche Angemessenheit von Arbeitsergebnissen. Es gehört also zu den typischen Aufgaben von Führungskräften, mit Unsicherheit umzugehen, und mit ihren Kompetenzen Sicherheit in der Umsetzung und Erfolg durch gute Ergebnisse herzustellen.

Zentral ist deshalb auch die Funktion der Führungskräfte bei der Umsetzung von GM. Sie müssen in der Umsetzung absichern. Dennoch ist GM für Führungskräfte eine erhebliche Herausforderung, denn auch verglichen mit anderen Querschnittsaufgaben verursacht es mehr Unsicherheit, weil es die politische, die fachliche und die interne Ebenen betrifft. Auf der internen Ebene sind zudem persönliche Verhaltensfragen angesprochen. Beim Thema Nachhaltigkeit entstehen beispielsweise Unsicherheiten vor allem auf der politischen und fachlichen Ebene, die interne Umsetzung ist nicht im gleichen Maße berührt. Ein Abteilungsleiter, der stark raucht, hat sicher ein geringeres Glaubwürdigkeitsproblem bei Nachhaltigkeitsfragen, als ein Abteilungsleiter bei der Umsetzung von GM, der nicht in der Lage ist, einer weiblichen Fachkraft zuzuhören.

Sicherheit in der Umsetzung – also Antworten auf diese Unsicherheiten – lassen sich bei allen drei Ebenen erreichen.

Auf der politischen Ebene müssen die Schwerpunkte der Umsetzung gesteuert werden. Die Umsetzung auf allen Ebenen und bei allen Themen durch alle Beteiligten ist ein Ziel, aber kein Handlungsprogramm. Daher sind Prioritäten zu setzen. Das heißt, es ist verbindlich festzulegen, in welchen Themengebieten vertieft an der Umsetzung gearbeitet wird und wie dieses gesteuert und überprüft wird. Durch den ganzen Implementierungsprozess hindurch bedarf es solcher Vorgabe für Umsetzungsschritte. Dies gilt insbesondere, wenn die Einführungsphase vorbei ist.

Für die interne Umsetzung sind die bisherigen Gleichstellungs- und Frauenfördermaßnahmen weiterzuführen und - wo erforderlich - durch GM zu erweitern. Nur so kann die Glaubwürdigkeit gewonnen werden, die nötig ist, offene und abwartende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, sich an der Umsetzung zu beteiligen. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, Männer konsequent in interne Gleichstellungspolitik mit einzubeziehen.

Bei der fachlichen Umsetzung geht es im ersten Schritt darum, die fachlichen Grundlagen zu Gender-Aspekten im jeweiligen Sachgebiet und Handlungsfeld zu schaffen. Die (beauftragte) Forschung ist gleichstellungsorientiert auszurichten. Sie soll Gender-Aspekte erfassen und integrieren. Daten und Statistiken sind geschlechterdifferenziert zu erheben und gleichstellungsorientiert auszuwerten. Der Sachstand zu Gender-Fragen ist in den laufenden Berichten darzustellen. Ebenso sind in der Fortbildung Gender-Aspekte als fachliche Grundlage zu vermitteln. Das trägt dazu bei, das fachliche Zuständigkeiten und Verknüpfungen schneller klar sind, und in der eigenen Arbeit berücksichtigt werden können. Fachliche Standards lassen sich über gute Instrumente setzen. Durch die Anwendung von Instrumenten lässt sich bis zu einem gewissen Punkt Sicherheit über gute fachliche Ergebnisse herstellen. Als vorläufiges Ergebnis zeigen sich zumindestens Lücken bei Daten und fachlichen Fragen. Folgenabschätzung kann systematisch als Entscheidungsvorbereitung eingesetzt werden, um politische Entscheidungsträgerinnen und –träger in die Lage zu versetzen, fachliche Vorgaben und Prioritäten abzuwägen.

Nicht zuletzt geht es auch um einen Wandel der Fachkultur, der bis ins Alltägliche hineinwirken kann. Es muss ein Gefühl von Dringlichkeit für fachliche Gleichstellunsgfragen erzeugt werden durch eine laufende fachliche und nicht bloß normative Thematisierung. Ein normativer Appell für Gleichstellung ist zwar politisch nie falsch, verhallt aber auf der Arbeitsebene häufig ohne jede Resonanz. Gemeinsam erreichbare und messbare Ziele sind zu setzen und diese verbindlich durch kontinuierliche Kommunikation von Arbeitsfortschritten auszutauschen. Dies kann durch Feedbackschleifen geschehen, bei denen z.B. durch aktives fachliches Nachfragen der Führungskräfte Verbindlichkeit gezeigt wird. Der Ergebnistransfer in Entscheidungsprozesse und Öffentlichkeit muss – sofern die Ergebnisse nach außen darstellbar sind – sichergestellt werden.


Sie können hier eine schriftliche Fassung dieses Vortrages sowie die Powerpointpräsentation als PDF-Datei herunterladen.

SL/PA

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 08:49