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Handlungsfeldübergreifende Instrumente

Handlungsfeldübergreifende Instrumente zur Umsetzung von Gender Mainstreaming

Im letzten Block der Fachtagung des GenderKompetenzZentrums an der HU Berlin im Februar 2005 wurden zwei handlungsfeldübergreifende Instrumente vorgestellt. Sie lassen sich beide für spezifische Handlungsfelder konkretisieren und haben starken Sachgebietsbezug.

„Gender Matrix“, Bremer Institut für Präventions- und Sozialmedizin (BIPS)

Die von Dr. Ingeborg Jahn entwickelte „Gender Matrix“ ist ein Instrument zur integrierten und kontextbezogenen Gender-Analyse.  Die „Gender Matrix“ ist, so Jahn, inspiriert von Magrit Eichlers Arbeit zum Gender Bias in der Gesundheitsforschung und deren Erkenntnis, dass die Vermeidung der Nicht- oder Falschberücksichtigung von Geschlecht eine Frage der Qualität sei. Fachkompetenz ohne Gender-Kompetenz sei schlicht keine Fachkompetenz.
Anfänge des Instrumentes wurden im Rahmen eines Auftrags der Stiftung „Gesundheitsförderung Schweiz“ entwickelt, die „Gender Matrix“ selbst wurde im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt. Auf dessen Wunsch ist die „Gender Matrix“ ein allgemeines Instrument, dass gleichermaßen von Gesundheitsämtern, Ärztekammern, Verwaltung usw. genutzt werden kann. Das Instrument ist eingebunden in Informationsmaterial zu Gender Mainstreaming im Gesundheitsbereich.
Jahn betonte, dass es nicht möglich sei, Instrumente einzusetzen, ohne ein gemeinsames Verständnis dessen zu sichern, was unter GM verstanden werden könnte. Dazu müssten z.B. Begriffe erläutert, Vorurteile entkräftet und Abgrenzungen zu anderen Konzepten thematisiert werden. Als Teil dieses Informationsmaterials solle das Instrument auch eigene Initiativen zur Aneignung von Gender-Wissen anregen.
Zwei erste Schritte des Entwicklungsprozesses sind abgeschlossen: eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Instrumente und eine schriftliche Bestandsaufnahme der Bedürfnisse der Landesgesundheitskonferenzen und Kommunalen Gesundheitskonferenzen, einer spezifischen Struktur in NRW („Runder Tisch Gesundheit“). Derzeit läuft die systematische Praxiseinführung des Instrumentes in NRW.

Laut Jahn liegt die Stärke der Gender Matrix als prozess- und kontextorientiertes Instrument in dem Blick auf Maßnahmenbündel. Z.B. lasse sich die Gleichstellungsorientierung eines Projektes zur Reduktion von Frühsterblichkeit durch Unfälle nur als „Bündel“ aus Maßnahmen gegen Verkehrsunfälle, Maßnahmen gegen Haushaltsunfälle usw. angemessen beurteilen.
Das Ziel der „Gender-Matrix“ ist die Systematisierung der Problembereiche. In jedem Prozessschritt werden fünf Prüfbereiche bearbeitet:
1. Geschlechterthema/Gleichstellungsziel
2. Sex/gender (Biologische Fragen als Besonderheit des Gesundheitsbereichs, aber auch die soziale Dimension von Geschlecht)
3. Methoden/Verfahren/Strukturen
4. Theorien/Werte/Normen
5. Partizipation

Die Gender Matrix kann als pdf-Datei auf der Homepage des BIPS heruntergeladen werden.

Jahn erläuterte die Funktionsweise der „Gender Matrix“ am Beispiel eines Bewegungsprojektes für Kinder- und Jugendliche, wie es im Rahmen des Präventionsgesetzes konzipiert werden könnte.
Abschließend kündigte Jahn an, Pilotseminare anzubieten, in denen die Durchführung der Gender-Analyse mit der Gender-Matrix getestet werden kann.

Auf den Vortrag folgte eine kontroverse Diskussion.
  • Inwieweit ist es in medizinisch- naturwissenschaftlich technischen Sachgebieten notwendig, sex und gender zu thematisieren? Wichtig ist es, das Verhältnis von sex und gender zu bestimmen (Gegensätze? Gender als Wissenskategorie, die unserem Verständnis von sex zugrunde liegt?).
  • Sind solche komplexen Bestimmungen in der Praxis vermittelbar, ohne Essentialisierungen nahe zu legen?

"Gender Impact Assessment", Institut für sozialökologische Forschung (ISOE)

Dr. Doris Hayn stellte das Instrument "Gender Impact Assesment" vor, welches in einem über drei Jahre dauernden Entwicklungs- und Erprobungsprozess im Rahmen von zwei Pilotprojekten für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) entwickelt worden ist.
Das Ministerium habe vorgegeben, für unterschiedliche Themenfelder - von Naturschutz bis hin zu Gesundheit - ein passgenaues Instrument zu entwickeln. Zudem sollten mit diesem einen Instrument die unterschiedlichen Aufgabenfelder des gesamten Umweltbereichs wie Rechtsetzung, Programmentwicklung etc. abgedeckt sein. Es seien vorhandene Arbeitsroutinen zu berücksichtigen und schon vorhandene Instrumente wie z.B. die Umweltverträglichkeitsprüfung.
Hayn betonte, dass der Entwicklungsprozess aufgrund der intensiven Beteiligung sowohl der zukünftigen Anwendenden als auch von externen Expertinnen und Experten sehr aufwändig gewesen sei. Die Vorgehensweise habe sich aber gelohnt, denn darauf sei die hohe Akzeptanz und die allseits gelobte hohe Qualität dieses Instrumentes zurückzuführen. Es habe auch dazu geführt, dass bei der Entwicklung anderer Instrumente die Struktur von GIA zum Teil übernommen worden ist, wie z. B. bei der Arbeitshilfe Rechtsetzung zu § 2 GGO der Bundesregierung.
Nach Einschätzung von Hayn erzeugt die GIA fachbezogenes Gender-Wissen, weil Gender hier als "eye-opener" für Differenzierungen wirkt, die in diesem Bereich noch relativ unbekannt sind. Auch nach Einschätzung der Anwendenden verbessert die Anwendung von GIA die fachliche Arbeit, weil die erworbenen differenzierten Sachkenntnisse in weiteren Arbeitsprozessen und für weitere Aufgaben genutzt werden können. Trotz aller positiven Resonanz auf dieses Instrument sei es bisher aber immer noch nicht rechtlich verbindlich verankert. Als Lektüre dazu empfiehlt sich:
Doris Hayn: Gute Praxis Gender Mainstreaming - die Vielfalt der Aktivitäten einer Bundesbehörde, in: Dörthe Jung/ Margret Krannich (Hg.): Die Praxis des Gender Mainstreaming auf dem Prüfstand. Stärken und Schwächen der nationalen Umsetzungspraxis, 2005, S. 23-37.

Die GIA-Checkliste besteht aus offenen Fragen, die nicht durch Ja und Nein abzuhaken sind, und aus Erläuterungen. Die Fragen gliedern sich in drei Schritte:
1. Relevanzprüfung,
2. Vorprüfung,
3. Hauptprüfung.

Die GIA-Checkliste kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden.

Hayn wies darauf hin, dass es noch unterstützende Instrumente gebe, die für ein erfolgreiches GIA wichtig sind. Das Instrument selbst enthält bewusst keine Informationen zu Gender oder Beispiele; diese finden sich in einem Zusatzinstrument. Dort wird mit drei Dimensionen von Gender gearbeitet:
  • Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung,
  • Gesellschaftliche Organisation der menschlichen Reproduktion und Gesundheit,
  • Gestaltungsmacht von Frauen und Männern in Technik, Wissenschaft und Politik.
Hayn berichtete, dass sich bei dem Versuch der Übertragbarkeit auf andere Ministerien gezeigt habe, dass jedes Ministerium seine eigene Arbeitsgewohnheiten sowie andere Sprachgewohnheiten hat. Ein Instrument muss daher immer für den jeweiligen Anwendungskontext angepasst werden, sonst gehe die Passgenauigkeit verloren und damit auch die Akzeptanz.

In der Diskussion wurden mehrere Punkte angemerkt:
  • Die klare Struktur und die guten offenen Fragen beeindruckten. Das rege zum Nachdenken an und ermögliche kein schnelles Abhaken oder platte Antworten.
  • Für eine erfolgreiche Implementierung von GM reiche ein gutes Instrument alleine nicht aus. Die Bedeutung des politischen und gesellschaftlichen Umfelds dürfe man nicht unterschätzen.

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06