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Datenerhebung Interviews

Gender-Aspekte bei der Datenerhebung mittels quantitativer Interviews

In der quantitativen Sozialforschung werden seit langem mögliche Fehlerquellen in Interviews untersucht, die zu systematischen Verzerrungen der Ergebnisse führen können.

Geschlecht der Interviewenden: Es wird untersucht, inwiefern sich das Geschlecht der Interviewenden auf die Datenerhebung auswirkt, indem die Antwortreaktionen der Befragten durch äußere Merkmale der Interviewenden beeinflusst werden. Weitere Merkmale die unter Umständen eine Verzerrung in den Daten bewirken können sind u.a. das Alter der Interviewenden (Reinecke: 29) oder beruflicher Hintergrund (Vgl. Emslie/Richard 2000).
Forschungsergebnisse belegen, dass das Geschlecht der Interviewenden insbesondere dann einen Einfluss auf das Antwortverhalten hat, wenn das Fragethema unmittelbar auf geschlechtsspezifische Rollen bzw. Verhaltensweisen bezogen ist. (Reinecke : 119). Um in solchen Fällen möglichst geringe Verzerrungseffekte zu erhalten, argumentieren einige Forschende dafür, die Befragten von Personen des gleichen Geschlechtes interviewen zu lassen. Für einige – besonders sensible - Themen wie beispielsweise sexuelle Gewalt haben sich jedoch andere Verfahren als effektiver erwiesen. Beispielsweise indem die Befragten das Geschlecht der Interviewenden selbst wählen können. (Catania u.a 1996.: 371/372) Bei einer us-amerikanischen Studie über Sexualverhalten stellten die Forschenden fest, dass Frauen fast ausschließlich weibliche Interviewer (94 %) wählten, während sich die Wahl der Männer eher aufteilte. Männer wählten zu 45% männliche und zu 55% weibliche Interviewende (Catania u.a. 1996: 359).

Effekt sozialer Erwünschtheit: Systematische Verzerrungen in Interviewsituationen können auch auf Grund des „Effektes sozialer Erwünschtheit“ entstehen. Beispielsweise werden Angaben über das eigene Verhalten, wie zum Beispiel die Dauer des täglichen Fernsehkonsum von den Befragten anhand ihrer Einschätzung „normalen“ i.S.v. „sozial erwünschtem“ Verhaltens modifiziert (Vgl. Diekmann: 383).
Hier muss besonders beachtet werden, dass die Wahrnehmung dessen, was als „normales“ bzw. „sozial gewünschtes“ Verhalten gilt, oftmals nicht geschlechtsneutral ist, sondern durch gesellschaftlich zugeschriebene Geschlechterrollen geprägt wird.
Dies lässt sich an einem Beispiel zum Alkoholkonsum verdeutlichen (Sieverding 2004):
Verbreitete Vorurteile über die Höhe des „normalen“ Alkoholkonsums sind, dass ein „echter Mann“ schon mal ein Glas mehr vertrage, während es „unweiblich“ sei, viel Alkohol zu trinken. Wenn beispielsweise eine geschlechterdifferenzierte Erhebung eine Annäherung des Alkoholkonsums von berufstätigen Frauen an den Alkoholkonsum von berufstätigen Männern zeigt, könnte dies verschiedene Ursachen haben:
Zum einen könnte sich der Alkoholkonsum erwerbstätiger Frauen tatsächlich dem von Männern angleichen. Denkbar wäre aber auch, dass nichterwerbstätige Frauen einen geringeren Alkoholkonsum angeben, als es mit der Realität übereinstimmt, da dies nicht der von ihnen traditionell erwarteten Geschlechtsrolle entspricht. Erwerbstätige Frauen trinken zwar nicht mehr als andere Frauen, sprechen dagegen aber selbstverständlicher über ihren realen Alkoholkonsum, da sich ihr Selbstverständnis durch die Berufstätigkeit verändert hat.

Weiterführende Literatur:
  • Behnke, Cornelia/Meuser, Michael: Geschlechterforschung und qualitative Methoden, Opladen 1999, S. 20-45.
  • Catania, Joseph A. et.al., 1996: Effects of Interviewer Gender, Interviewer choice, and Item Wording on Responses to Questions concerning Sexual Behavior, in: Public Opinion Quarterly, Vol 60 /Fall 1996, Numer 3.
  • Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek 1995.
  • Reinecke, J.: Interviewer- und Befragtenverhalten. Theoretische Ansätze und methodische Konzepte, Opladen 1991.
  • Sieverding, M.: Theoretische Ansätze der Genderforschung und ihre Operationalisierbarkeit für die Gesundheitsberichterstattung, Vortrag auf der Fachtagung des Robert-Koch-Instituts „Gesundheitsberichterstattung und Gender Mainstreaming“, Berlin 16. Februar 2004.
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