Sie sind hier: Startseite GenderKompetenz 2003-2010 Gender Mainstreaming Strategie Gleichstellungspolitik Laenderstudien Oesterreich Einschätzung zur österreichischen Gleichstellungspolitik

Einschätzung zur österreichischen Gleichstellungspolitik

Einschätzungen zur österreichischen Gleichstellungspolitik

Wissenschaft
Österreich ist nicht in allen Bereichen Vorreiter, wie etwa für die Einführung von Gender Budgeting in den Haushalt 2009. Die Wissenschaft, wie NGO's und CEDAW - der UN-Ausschuss für die 'Beseitigung der Diskriminierung der Frau', sieht die Gleichstellungspolitik bzw. Gender Mainstreaming kritisch: „Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern noch längst nicht erreicht ist“ (Doblhofer / Küng 2008:6).

Claudia Sorger (2008:118) ist der Auffassung, dass die Gender-Mainstreaming-Praxis noch ein sehr „eingeschränkter Weg geblieben ist“. Trotz Erfolgen auf institutioneller Seite, wie die Sensibilisierung und Wahrnehmung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern z.B., ist „etwas Neues, Transformatives, dem eigentlichen Sinn von Gender Mainstreaming entsprechendes“ (ebd. 18) nicht entstanden. „Gender Mainstreaming bewegt sich also immer im Spannungsfeld zwischen einer neuen Strategie für integrierte Gleichstellungspolitik und der Gefahr, als Alibistrategie angewendet zu werden“ (ebd. 119). Sorger moniert, dass Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse von Frauen sowie das Lohngefälle in Österreich stetig ansteigen. Die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen liegt neben einer zu geringen Kinderbetreuungsmöglichkeit u.a. auch an der geringen Partizipation von Vätern im Bereich Haus- und Erziehungsarbeit. Die Autorin spricht abschließend von längerfristigen Unterstützungsstrukturen und „gezielter Ressourcenverteilung“, um „Gender Mainstreaming in der Anwendung weiterzuentwickeln und über Pilotprojekte hinausgehend in den Strukturen zu verankern“ (ebd. 119). Nicht zu vergessen sei hier die „politische Willensbildung“ (ebd. 119).

Birgit Sauer und Karin Tertinegg (2003:1.ff.) haben unter dem Forschungsprojekt 'mageeq – Mainstreaming Gender Equality', geleitet von Mieke Verloo, 2003 den Länderbericht Österreich zum Stand der Erfahrungen mit der Strategie des Gender Mainstreaming erstellt. Studien, so die Autorinnen, gibt es zu diesem Thema jedoch aufgrund des kleinen Budgets für Frauenforschung primär im universitären Kontext. Sie heben heraus, dass GM-Auswertungen vorrangig im Beschäftigungssektor und im Bereich der Einkommenssteuer zu finden seien. Wie im Kapitel 'Ziele und Politikfelder von Gleichstellungspolitik' schon genannt, wurde unter dem Label GM die Frauenförderung drastisch beschnitten und die Implementierung von GM in den Ministerien entweder gar nicht vollzogen oder fast ausschließlich ohne Engagement der Führungsebene (keine bis minimale Top-down-Unterstützung). Sport und Sportförderung beispielsweise blieb eine Männerdomäne und hatte auch in den Berichten keinen Platz für Frauen.

Sauer und Tertinegg haben schon 2003 die Notwendigkeit einer Evaluation von GM in ihrem Bericht angesprochen. Bis heute wurde eine externe Evaluation des GM-Prozesses nicht durchgeführt (s. Kapitel 'Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik – die nationale „Gender equality machinery').

NGOs
Der Schattenbericht zum 6. CEDAW-Bericht Österreichs, an dem 18 Expertinnen aus Frauenorganisationen und wissenschaftlichen Einrichtungen mitgearbeitet haben, macht deutlich, dass die geforderte Gleichstellung in allen Bereichen zwar durch die frühe Unterschrift Österreichs der Konvention zur Beseitigung der Benachteiligung von Frauen zugesagt, faktisch aber immer noch nicht verwirklicht wurde. Die Autorinnen bemängeln, dass sich die Situationen der Frauen seit dem vorherigen Bericht nur marginal verbessert hätte. Betroffen sind vor allem die Bereiche Frauenarmut, Frauensituation am Arbeitsmarkt, Bildungspolitik - mit dem Fokus auf Universitäten, die Situation von Migrantinnen sowie Gewalt an Frauen. D.h. Benachteiligungen und Nachholbedarf hat Österreich in den Themen:
  • Frauen in Entscheidungspositionen,
  • Rollenstereotype,
  • Einkommensunterschiede,
  • Teilzeitbeschäftigung / Arbeitslosigkeit / Frauenarmut (insbesondere auch im ländlichen Raum),
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie / Kinderbetreuungseinrichtungen / Beteiligung der Männer an home and care work,
  • Frauen mit Migrationshintergrund,
  • Situation von Sexarbeiterinnen,
  • Menschenhandel,
  • Gewalt gegen Frauen / Häusliche Gewalt.

UN
Der UN-Ausschuss für die 'Beseitigung der Diskriminierung der Frau' lobt Österreich für die Verabschiedung von Gesetzen und Gesetzesnovellen, die die Gleichbehandlung der Geschlechter verfolgen, einschließlich Beamtendienstrecht und die Gleichstellung in den Universitäten. Zudem wird lobend die Ernennung einer Frauenministerin im Bundeskanzleramt, die Entwicklung von Strukturen und Mechanismen des Gender Mainstreamings auf Bundesebene sowie der Ministerratsbeschlussantrag von 2001 zur geschlechtersensiblen Sprachverwendung innerhalb der Ministerien erwähnt. Der Ausschuss hat jedoch auch Kritik an der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern geäußert, was den NGO-Schattenbericht bestätigt. Das CEDAW-Komitee erkennt in den letzten Jahren einen frauenpolitischen Rückschritt und die Benachteiligung von Frauen in wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bereichen:
  • Das Gleichbehandlungsgesetz 2004 mit dem Fokus Beschäftigung: Hier könnten Diskriminierungen von Frauen in anderen Bereichen an Sichtbarkeit verlieren und somit auch weniger Berücksichtigung finden.
  • Das Mandat der Gleichbehandlungskommission gegen die Diskriminierung von Frauen: Auch hier lässt der Fokus auf Beschäftigung die weiteren Bereiche, wie die Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Abstammung, in den Hintergrund treten.
  • Mangelnde Kontinuität der Gleichstellungspolitik: Wiederholte Umstrukturierungen der nationalen Mechanismen können zu mangelnder Kontinuität innerhalb der Politik der Geschlechtergleichstellung führen. Angemessen wäre hier ein Aktionsplan zur Geschlechtergleichstellung auf nationaler Ebene unter Einbeziehung aller Regierungsstellen und in Kooperation mit relevanten Nichtregierungsorganisationen.
  • Es fehlen wirksame Mechanismen zur geschlechtergerechten Beobachtung und Evaluierung von Fortschritten bei der Umsetzung und Auswirkungen von Gesetzen, politischen Strategien und Plänen.
  • Eine bessere institutionelle Zusammenarbeit von Bundes- und Länderebene bei der Umsetzung der Konvention erachtet das Komitee für sinnvoll.
  • Tradierte Rollenvorstellungen und Stereotype im Bereich der Geschlechter sind noch weit verbreitet und sollten konsequenter und nachhaltiger angegangen werden.
  • Segregation am Arbeitsplatz, Lohnungleichheit, hohe Konzentration von Frauen in Teilzeit- und Niedriglohnbeschäftigung und die damit verbundene Armutsgefährdung sind Bereiche, die von der UN zudem moniert werden.
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen: Der Ausschuss fordert von Österreich vermehrte Maßnahmen mit dem Vorschlag des weiteren qualitativen und quantitativen Anstiegs von Kinderbetreuungseinrichtungen für unterschiedliche Altersgruppen wie auch verstärkte Anstrengungen, das Ziel der ausgewogenen Partizipation der Geschlechter im privaten wie öffentlichen Bereich zu erreichen.
  • Frauen- und Mädchenhandel deutlich bekämpfen: Sicherstellung und ggf. Ergänzung des Aktionsplans gegen Menschenhandel mit den Punkten Strategie, Verhütung des Geschehens, Strafverfolgung und Opferunterstützung. Hinzu kommt der Aufbau der Kapazitäten der Polizei, Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und Grenzschutzbeamt_innen, sowie deren Fortbildungen. Empfehlung zur Stärkung der bilateralen, regionalen und internationalen Zusammenarbeit mit Herkunfts-, Transit- und Zielländern.
  • Gleiche Teilhabe der Geschlechter an Entscheidungspositionen: Maßnahmenergreifung für die volle und gleiche Beteiligung von Frauen in allen gewählten und ernannten Gremien, insbesondere in Führungspositionen.
  • Auswirkungen der Gesetze und Politiken auf Migrantinnen, weibliche Flüchtlinge und Asylwerberinnen sollen weiterhin geprüft und beobachtet werden, um Maßnahmen ergreifen zu können, die den Bedürfnissen dieser Zielgruppen, inkl. Reflexion einer Gender-Perspektive im Aktionsplan für Migrant_innen, gerecht werden. In diesem Punkt sollte auch der Schutz der Asylbewerberinnen während des Asylverfahrens in Betracht gezogen werden, um das Ziel der Gleichstellung aller Frauen, die in Österreich leben, zu erlangen.
C.Ku.

 

Zurück zur Überblicksseite Gleichstellungspolitik in Österreich.
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06