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Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik – die nationale „Gender equality machinery“

Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik – die nationale „Gender equality machinery“

Rückblick: Entwicklung seit den 70ern

Die ersten Ansätze einer Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik in Österreich stammen aus den 70er Jahren, zur Zeit der Alleinregierung der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreich). 1979 wurden zwei Staatssekretariate für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt und für Angelegenheiten der berufstätigen Frauen im Sozialministerium eingerichtet. Somit wurden die Frauenfragen aus dem Bereich der Familienpolitik entkoppelt und als selbstständiger Politikbereich etabliert. Diese Amtshandlung setzte qualitativ neue Akzente für Frauen- und Gleichstellungspolitik. Das letzte Sekretariat hingegen wurde nach kurzer Amtshandlung aufgrund von Sparmaßnahmen vier Jahre später wieder geschlossen (Wehsely 2005).

Ebenfalls in diesem Jahr wurde nach den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes die Gleichbehandlungskommission als Instrument der rechtlichen Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen installiert. Heute bestehen zwei Kommissionen. Die Gleichbehandlungskommission ist den Arbeits- und Sozialgerichten und den Zivilgerichten als besondere Einrichtung zur Seite gestellt, die zweite ist die Bundes-Gleichbehandlungskommission, die bei der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt angesiedelt ist.

In den achtziger Jahren begann die österreichische Politik sich mit Frauengleichberechtigung und Emanzipation intensiver auseinander zu setzen. Zu dieser Zeit erlebte die Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik ihren Aufschwung. 1981 wurde ein Frauenförderprogramm im Bundesdienst eingerichtet und 1985 erweitert. Eine Änderung des Bundesverfassungs- und Beamtendienstrechtsgesetzes 1988 hatte zur Folge, dass Amtsbezeichnungen und Titel dem Geschlecht einer Person entsprechend verwendet werden müssen.

1990 erfuhr das Staatssekretariat eine Aufwertung und wurde in das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten im Bundeskanzleramt angesiedelt. Somit gab es neben dem Familienministerium der ÖVP (Österreichische Volkspartei) ein explizit ausgewiesenes Ministerium für die Belange der Frauen im Bereich der Verwirklichung der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern („Frauenstaatssekretariat“), obgleich mit weniger Handlungs- und Finanzspielräumen als andere Ministerien ausgestattet (Wehsely 2005). Bevor das Ressort ins Bundeskanzleramt zurückkehren konnte und es zur Umbenennung zu 'Frauenangelegenheiten und Gleichstellung' (2007) kam, in dem heute auch die Strategie Gender Mainstreaming ihre Integration fand, erlebte das Frauenministerium mit dem Regierungswechsel (ÖVP und FPÖ – Freiheitliche Partei Österreich) 2000 die Auflösung und gleichzeitige Themenintegration im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. 2001 stieß eine Männerabteilung hinzu, die Abschaffung des eigenständigen Frauenministeriums hatte als Folge, dass es die eigenständige Geschlechterpolitik verlor und vermehrt in sozialen Angelegenheiten, Familienpolitik, Kinder und Seniorinnen und Senioren aufging (Wehsely 2005). Die Männerabteilung legt aktuell Schwerpunkte auf Männergesundheit, Männergewalt, Rollenklischees, Bewusstseinsbildung für eine gleichberechtigte Partnerschaft, Service für männerspezifische Anliegen (Bundesministerium für Soziales und Konsumschutz 2008). Ebenfalls 1990 wurde die Kontaktstelle 'Anwältin für Gleichbehandlungsfragen' eingerichtet die heute Gleichbehandlungsanwaltschaft heißt und in drei Schwerpunkten arbeitet:
  • Gleichbehandlung,
  • gegen Diskriminierung und
  • gegen Rassismus.
Eine sichtbare Kooperation zwischen der Sektion II 'Frauenangelegenheiten und Gleichstellung' und der Männerabteilung, die heute in dem Bundesministerium für Soziales und Konsumschutz integriert ist, gibt es nicht.

Gleichbehandlungsgesetz 2004

Österreich holte 2004, nach versäumter Umsetzungsfrist der unterschiedlichen EU Richtlinien gegen Diskriminierung 2003, die Modifizierung des Gleichbehandlungsgesetzes nach. Bei Gesetzesvorlage 2003 kritisierte die Opposition den Entwurf wegen einer unzureichenden Umsetzung der Richtlinien vehement.
Die Richtlinienumsetzung erfolgte in zwei Gesetzen. Das 1979 novellierte Gleichbehandlungsgesetz wurde in das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und das Gleichbehandlungsanwaltschaft – Gesetz (GBK/GAW-Gesetz) umgewandelt. Dieses Gesetzespaket regelt die Institutionen und Verfahren. Als zweites Gesetz wurde das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG) erlassen, das die bisherigen materiellen Bestimmungen übernahm und die EU Vorgaben integrierte, mit Ausnahme des Punktes der Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Diese europäische Vorgabe wurde in das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz bzw. Behinderteneinstellungsgesetz aufgenommen. Ausgenommen waren ebenfalls der Bereich des Dienstrechts des Bundes, hier finden sich die Regelungen im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz wieder, und die Angelegenheiten, die zu den Länderkompetenzen zählen.
Das GIBG beinhaltete somit das Verbot der Diskriminierung aufgrund:
  • des Geschlechts,
  • der ethnischen Zugehörigkeit,
  • der Religion oder der Weltanschauung,
  • des Alters oder
  • der sexuellen Orientierung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis.
Diese EU Vorgaben wurden in Österreich weiter ausdifferenziert und die Ergebnisse ebenfalls im Gesetz aufgenommen, d.h. das Verbot einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung bei:
  • der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
  • der Festsetzung des Entgelts,
  • der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,
  • Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,
  • beruflichem Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen,
  • den sonstigen Arbeitsbedingungen,
  • der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; sowie in der ‚sonstigen Arbeitswelt’:
  • beim Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,
  • bei der Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation,
  • bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit
ist per Gesetz festgeschrieben.

Eine Ausdifferenzierung bei der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit im 'sonstigen Bereich' wurde ebenfalls bei der Aufnahme der Richtlinien vorgenommen:
  • beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
  • bei sozialen Vergünstigungen,
  • bei der Bildung,
  • beim Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum.

Als Diskriminierungen werden, neben dem im bisherigen Gleichbehandlungsgesetz zu lesenden Verbot der sexuellen Belästigung, folglich auch eine geschlechtsbezogene Belästigung sowie eine Belästigung aufgrund eines der aufgelisteten Diskriminierungsmerkmale strafrechtlich verfolgt.

2004 hat Österreich ein Gebot der aktiven Gleichstellung von Frauen und Männern als Zielbestimmung formuliert. Dieses Ziel muss bei der Formulierung und Umsetzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie Politiken und Tätigkeiten berücksichtigt werden (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit). Da Österreich eines der ersten Länder war, das 1982 die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau ratifiziert hat, war es nahe liegend, dass das Land noch solch einen Zusatz in das GIBG aufnimmt.

Gender Mainstreaming

1998 verpflichtete sich Österreich politisch und rechtlich Gender Mainstreaming (GM) in nationale Politik umzusetzen. Der Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes verbietet jede Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Seit 1998 lautet der Abs. 2: "Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere zur Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig“ (Verfassung Österreichs 2006).

Um nachhaltige Erfolge in der Implementierung von GM zu erreichen, setzt Österreich seit 2000 auf übergeordnete Strukturen. Im Juli 2000 hat der Ministerrat dem Antrag der damaligen Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen, Dr. Elisabeth Sickl, auf Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming (IMAG GM) zugestimmt (Ministerratsbeschluss vom 11.7.2000). Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Ressortbeauftragte für GM und kommen aus allen Bundesministerien, aus dem Verfassungsgerichtshof, dem Rechnungshof, der Volksanwaltschaft und der Parlamentsdirektion. Die meisten Ressorts haben neben der IMAG GM eigene Arbeitsgruppen für die Umsetzung von GM gegründet.

Durch die Ergebnisse aus einem Beratungsgespräch mit Dr. Mieke Verloo, Radboud University Nijmegen, hat sich die IMAG GM für die Bildung dreier abteilungsübergreifenden Arbeitskreise entschieden:
  • Projekte und Leitfäden,
  • Strukturabbau, Ressourcen und Repräsentation und
  • Information, Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung.
Das Fazit floss mit in die Empfehlungen für die Umsetzung von GM in den Ministerratsbeschluss 2002 ein. Diese Empfehlungen hatte die Bundesregierung zum Anlass genommen, ein Arbeitsprogramm zur Umsetzung von GM auf Bundesebene für die folgenden drei Jahre zu beschließen. Der Schwerpunkt des Programms lag auf der:
  • Durchführung und Evaluierung von GM-Pilotprojekten: je nach Projekt, Bildung flexibler Arbeitsgruppen aus Mitgliedern der zuständigen ressortinternen GM Arbeitsgruppen, leitenden Beamtinnen und Beamten sowie gegebenenfalls externen Expertinnen und Experten.
  • Durchführung von GM-Schulungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung für Bedienstete des öffentlichen Dienstes.
  • Beurteilung von Gesetzen und Verordnungen unter dem Gesichtspunkt des GM und wissenschaftliche Evaluierung des Implementierungsprozesses nach drei Jahren (IMAG GM-Homepage 07.06.2008).
Eine externe Evaluation zum Prozess des Gender Mainstreaming wurde nicht durchgeführt, es hat jedoch vereinzelt interne Auswertungen gegeben.

2004 wurde in einem weiteren Ministerratsbeschluss dem weiteren Vorgehen zur zielgerichteten Umsetzung von GM, vorgelegt durch die damalige Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat, zugestimmt. Die Vorgaben beinhalteten:
  • die Umsetzung von Gender Budgeting, Einrichtung einer Gender Budgeting Arbeitsgruppe, Berücksichtigung von Gender Budgeting im Arbeitsprogramm des Österreich Konvents (Bestehen des Konvents von Juni 2003 bis Januar 2005), Anwendung und Erreichen der GM Vorgaben bei Zustandekommen von Lohn- und Gehaltsabschlüssen,
  • eine Selbstverpflichtung zur Einrichtung von internen GM-Arbeits- bzw. Steuerungsgruppen in allen Bundesministerien inkl. der Berücksichtigung des Top Down Ansatzes, eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses, der Einbeziehung der nachgeordneten Dienststellen, des Aufbaus der inhaltlichen Handlungskompetenzen und Ressourcen für GM Ressortbeauftragte,
  • eine Durchführung eines internen GM-Personalpolitik-Projekts sowie eines zusätzlichen internen oder externen GM-Projekts pro Bundesministerium,
  • die Planung eines Cross-Mentoring-Projekts auf Bundesebene; dieses wurde 2005 durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen übernommen
  • Prüfung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen,
  • in allen Bundesministerien eine geschlechtsspezifische Datenerhebung, -erfassung, –auswertung und -darstellung zu fordern, sowohl für interne als auch für externe Auftragsvergaben. Diese Daten sind den GM Zuständigen des jeweiligen Ressorts zur Verfügung zu stellen.

Beim Erreichen der aufgeführten Metaziele sollten die Bundesministerien bei der Auswahl der ressortinternen Maßnahmen beachten:
  • Gleiche Teilhabe von Frauen an Führungspositionen (gemessen am Personalstand);
  • Förderung der Erhöhung der Inanspruchnahme von Karenzzeiten durch männliche Bedienstete;
  • Anwendung eines geschlechtergerechten Sprachgebrauchs in Publikationen, Informationspapieren etc.;
  • Einbeziehung der GM-Strategie in alle legistischen Arbeiten und in das Förder- und Berichtswesen;
  • Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in allen budgetpolitischen Maßnahmen;
  • Zurverfügungstellung notwendiger personeller und finanzieller Ressourcen zur Umsetzung der GM-Handlungsstrategie (IMAG GM Homepage).
C.Ku.

 
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06