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Ziele und Politikfelder von Gleichstellungspolitik

Ziele und Politikfelder von Gleichstellungspolitik

Hintergrund

Im österreichischen Wohlfahrtsstaat basiert die Sozialpolitik auf dem Subsidiaritätsprinzip und ergänzt damit das Sozialversicherungsprinzip. Das System sozialer Sicherung geht in Österreich ähnlich wie in Deutschland auf die Bismarcksche Sozialgesetzgebung Ende des 19. Jahrhunderts zurück (Kreimer 2000). Das bedeutet die Absicherung gegen Grundrisiken des Lebens und die Gewährleistung von Chancengleichheit durch öffentliche Einrichtungen.
Das österreichische Modell von Sozial- oder Wohlfahrtsstaatlichkeit ist gekennzeichnet durch die vielfache Anknüpfung an den Faktor der Erwerbstätigkeit, insbesondere an die durchgehende Vollzeitbeschäftigung. Das betrifft vor allem die beitragsfinanzierten Sozialleistungen. Die zweite Säule des sozialen Sicherungssystems ist die Ehe bzw. Familie, über die nicht erwerbstätige Partnerinnen oder Partner, tatsächlich mehrheitlich Frauen, abgeleitete Ansprüche erwerben können (Kreimer 2000). Dieses Familienernährermodell (male breadwinner model) führt häufig zur Altersarmut von Frauen (vgl. Rosenberger/Sauer 2004: 116).
Im Zuge der - nicht zuletzt durch die Zweite Frauenbewegung erkämpften - Emanzipation ist festzustellen, dass die Geschlechtergleichstellung in der Politik voranschreitet (Rosenberger/Sauer 2004). Sichtbar ist diese Gleichstellung z.B. in der durchgängig 'gegenderten' Politiksprache, der aktiven Einbeziehung des Gender Mainstreamings in die Facharbeit der Ressorts und der Einführung des Gender Budgetings im österreichischen Haushalt 2009.

Entwicklung seit den 70er Jahren

Bis Ende der siebziger Jahre waren die Politikfelder der österreichischen Regierung im Bereich Frauenpolitik begrenzt auf 'bezahlte Arbeit', 'Familie' und 'Kinder' (Sauer / Tertinegg 2003: 1). Ende der siebziger bis in die achtziger Jahre konnte ein signifikanter Fortschritt für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Österreich verzeichnet werden. Es war das Zeitalter der Institutionalisierung der Gleichstellungspolitik (s. Kapitel 'Institutionalisierung der Gleichstellungspolitik). Die Schwerpunkte der Politikfelder verlagerten sich nun auf Lohngleichheit, Chancengleichheit und Schwangerschaftsabbruch (Sauer / Tertinegg 2003: 1). Ein bedeutender Schritt war das 1979 verabschiedete Gesetz über die Gleichbehandlung von Mann und Frau bei der Festsetzung des Entgeltes in der Privatwirtschaft. Der weltbekannte Grundsatz lautete: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Der Geltungsbereich des Gesetzes wurde 1985 ausgeweitet. Seit dem haben Frauen und Männer per Gesetz das Recht der Gleichbehandlung im Bereich der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen und der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Hinzu kam noch das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung und die vorsichtigen Sanktionen bei deren Verletzung (Aichhorn 1997, Demokratiezentrum Wien 2008). Dieses Gesetz fand weitere Ausdifferenzierungen und Spaltungen in den neunziger Jahren und in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts (mehr dazu siehe 'Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik').

Auf Bundesebene haben die achtziger Jahre ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. 1982 hat Österreich die Forderung nach der Gleichstellung von Frauen und Männern im Land durch die Unterzeichnung der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, kurz CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women) gestärkt.

Der Bundesparteitag der SPÖ beschloss 1985 die Quote für Partei- und öffentliche Funktionen. Es galt folgend, darauf Bedacht zu nehmen, dass der Anteil der Frauen an den KandidatInnen mindestens 25 Prozent betrug.

Ebenfalls Mitte der achtziger Jahre kam das Thema der Alterssicherung angesichts steigender Lebenserwartungen, sinkender Geburtenzahlen sowie Anstieg der Scheidungsrate auf die politische Agenda. Es wurde eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Modells zur Alterssicherung gebildet, die einen Fokus auf die Integration von weiblichen Lebenslagen haben sollte. In den neunziger Jahren wurden weitere Pensionsmodelle ausgearbeitet. Ziel der Modelle war, einen unabhängigen Pensionsanspruch für Frauen ab 60 abgelöst vom Familienstand zu schaffen (Dohnal 2008).

Die neunziger Jahre, mit dem Beitritt in die Europäische Union 1995, standen im Zeitalter von Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe und den EU-Vorgaben für die Gleichstellung von Frauen und Männern, die durch den Beitritt hinzugekommen waren. In der großen Koalition wurde es zunehmend komplizierter, emanzipatorische Frauenpolitik umzusetzen. Die ÖVP forderte zu dieser Zeit eine Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung. Im Gegensatz zur europäischen Verfassungsrechtsordnungen aus Belgien und Deutschland ist die 'Ehe & Familie' nicht im Verfassungsgesetz von Österreich verankert. Trotz wiederholten Versuchen wurde das Thema im Nationalrat nicht aufgenommen. Erst durch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) hat die 'Ehe & Familie' ihre verfassungsrechtliche Institutsgarantie erhalten (Bauer 2003).

Zur Regierungszeit von ÖVP (Österreichische Volkspartei) und FPÖ (Freiheitliche Partei Österreich) ab 2000 wurden im Namen von Gender Mainstreaming (GM) vorhandene Strukturen abgeschafft und Ressourcen gekürzt (z.B. die Reduzierung von Frauenförderungsaktivitäten und die Schließung des Frauenministeriums, siehe 'Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik'). Aktivitäten der Ministerien liefen fortan unter dem Label GM. Abgesehen von der Einrichtung einer starken und engagierten interministeriellen Arbeitsgruppe GM verliefen sich die Erfolge nahezu im Sande. Birgit Sauer und Karin Tertinegg sprechen von einer Stagnation der Gleichstellungspolitik in den meisten Ministerien. Mit der neuen Regierungkoalition von SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreich) und ÖVP ließ sich ein Aufwärtstrend erkennen.

Aktuelle Gleichstellungspolitik

Die Gleichstellungspolitik in Österreich beruht seit der Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes 1998 auf einer Doppelstrategie von Frauenförderung und Gender Mainstreaming (CEDAW 2004). Im Sinne einer Querschnittsaufgabe wurde die zuständige Abteilung beim Bundeskanzleramt angesiedelt.

Österreich legt als langfristige Zieldefinition die Gleichstellungsziele der Europäischen Union zu Grunde. Im neuen Regierungsprogramm von Ende 2008 geht hervor, dass Österreich gemeinsam mit Sozialpartnern einen nationalen Aktionsplan für Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt erarbeiten wird. Damit reihen sie sich in die Liste der Länder wie Dänemark und den Niederlanden, die ebenfalls Aktionspläne für die Erreichung der Geschlechtergleichstellung einsetzen. Jedoch gibt es nach wie vor die vergleichbar eng verknüpfte Diskussion um Gleichstellungspolitik und Familienpolitik, wie sie in Deutschland ebenfalls geführt wird.

Für die derzeitige Legislaturperiode legte die Regierung unter Federführung der Frauenministerin Doris Bures (SPÖ) drei Schwerpunkte fest:
  • Maßnahmen gegen Frauenarmut: Zugang zu einer qualifizierten Berufsausbildung und einer Existenz sichernden Beschäftigung. Zentraler Punkt der Arbeit des Ministeriums ist dabei die Umsetzung des 1.000 Euro-Mindestlohns.
  • Verbesserung der Anpassung der Kinderbetreuung an die Bedürfnisse der Familien, z.B. durch die Flexibilisierung des Kindergeldes.
  • Gewalt an Frauen: Bekämpfung z.B. durch eine 60-prozentige Erhöhung des Budgets für die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie.

Die daraus resultierenden Politikfelder sind der Arbeitsmarkt, die Familie und häusliche Gewalt. Weiter können der Staatshaushalt genannt werden, der als geschlechtergerechte Haushaltsführung (Gender Budgeting) 2009 in der Verfassung verankert wird, um der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auch in der Verteilung von öffentlichen Ausgaben gerecht zu wird.

Im Juli 2008 wurde die Frauenministerin Doris Bures durch Heidrun Silhavy abgelöst.

C.Ku.

 
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06