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Daten über die Entwicklung von Gleichstellung

Daten über die Entwicklung von Gleichstellung


Ökonomische Unabhängigkeit von Frauen


2008 sind geschätzte 2,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter in Norwegen erwerbstätig – 47 Prozent davon Frauen. Von allen Frauen in diesem Altersspektrum haben 69 Prozent einen Job, im Vergleich zu 75 Prozent der männlichen Bevölkerung. Damit sind 7 von 10 Frauen in Norwegen erwerbstätig, in Deutschland dagegen sind es z.B. 6 von 10, und europaweit sogar weniger als 6. Die Arbeitslosenquote bei Frauen ist mit 2,5 Prozent nicht nur sehr niedrig, sondern liegt unterhalb der Arbeitslosenquote von Männern (2,6 Prozent) (Statistisches Amt Norwegen 2008). Dabei gilt, dass typisch männliche Berufe in Norwegen stärker von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig sind und die Arbeitslosenquote von Männern somit stärker schwankt, während Frauen zu großen Teilen im stabileren Öffentlichen Sektor beschäftigt sind (Statistisches Amt Norwegen 2008).

Frauen mit Migrationshintergrund dagegen sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen: Bei Migrantinnen lag im Mai 2008 die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent, im Vergleich zu 3,9 Prozent bei Migranten. Die Erwerbstätigenrate bei Menschen mit Behinderung liegt 2008 bei 45 Prozent – bei denjenigen im Alter von 15 bis 66 Jahren sind sogar 77 Prozent in Arbeit, mit ansteigendem Trend. Frauen mit Behinderung liegen bei der Erwerbstätigkeit mit 43 Prozent hinter Männern mit Behinderung (48 Prozent) (Statistisches Amt Norwegen 2008).

Vor allem der große Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern gilt als ärgster Missstand bezüglich der Gleichstellung in Norwegen – das Durchschnittseinkommen von Frauen lag 2003 bei 207.000 NOK (ca. 23.275 Euro), das von Männern dagegen bei 338.100 NOK (ca. 38.015 Euro). Die Lohndifferenz in Norwegen betrug im Jahr 2005 16 Prozent (Statistical Yearbook Norway 2007) - im Vergleich zu 22 Prozent in Deutschland und dem europäischen Durchschnitt von 15 Prozent (destatis 2008). Gerade in Relation mit den sonst guten Arbeitsmarktbedingungen in Norwegen fällt die große Lohnlücke zwischen Frauen und Männern auf. Zwar sinkt die Differenz deutlich, wenn durch Überstunden verdientes Geld und Boni nicht mit eingerechnet werden - diese Möglichkeiten werden allerdings zum überwiegenden Teil von Männern genutzt - als Hauptursache für Entgeltungleichheit wird jedoch die nach wie vor deutliche horizontale und vertikale Arbeitsmarktsegregation gewertet (vgl. Barth und Schøne 2006).

Bei der Berufswahl zeichnen sich immer noch stark traditionelle Muster ab: „typische Frauenberufe“ sind Kindergärtnerin, Grundschul- und Mittelstufenlehrerin, Krankenschwester, Reinigungskraft und Sekretärin. Männer wählen dagegen überwiegend den Beruf des Handwerkers, Bauarbeiters, Fahrers oder des Ingenieurs. Außerdem arbeiten 48 Prozent der erwerbstätigen Frauen, aber nur 20 Prozent der erwerbstätigen Männer, im Öffentlichen Sektor – Frauen sind dabei häufiger in kommunalen Verwaltungen beschäftigt, während Männer zwischen der Zentralverwaltung und den kommunalen Verwaltungen etwa gleich verteilt sind (Statistisches Amt Norwegen 2008). Damit ist der Arbeitsmarkt in Norwegen weiterhin stark vertikal segregiert, und ein Großteil der berufstätigen Frauen gehen einer Arbeit nach, die in Prestige, Lohn und Karrieremöglichkeiten den Jobs der Männer unterliegen. Folgerichtig bilden Tarifverhandlungen in diesen Sektoren aktuell mit die wichtigste Arena im Kampf für mehr Gleichstellung in Norwegen.

Auch beim Thema Teilzeit ist die Aufteilung in Norwegen eindeutig: Besonders Frauen mit mehr als einem Kind unter 16 Jahren arbeiten in Teilzeit – Männer dagegen wählen diese Option eher in Kombination mit Weiterbildung oder gegen Ende ihrer Karriere. 2007 arbeiteten 42 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit, im Vergleich zu 13 Prozent der Männer. In Deutschland sind es zum Vergleich 46 Prozent der Frauen und 9 Prozent der Männer (Eurostat 2008). Im Schnitt arbeiten Frauen 31,1 Stunden in der Woche, Männer dagegen 37,3 Stunden – beide Werte haben allerdings über die letzten Jahre abgenommen (Statistisches Amt Norwegen 2008).

Das soziale Sicherungssystem des Norwegischen Wohlfahrtsstaates führt dazu, dass weniger Frauen von Armut betroffen sind (12 Prozent der weiblichen Bevölkerung) als im europäischen Durchschnitt (17 Prozent) und als in Deutschland (13 Prozent) (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008).



Partizipation in Bildung, Politik und Wirtschaft

Seit 1882 studieren norwegische Frauen an den Universitäten - heute sind 60 Prozent der Absolvierenden an den Universitäten Frauen. Bereits Mitte der 80er Jahre hatten die weiblichen Studierenden die 50 Prozent-Hürde überschritten, und dies in allen Studiengängen mit Ausnahme der Naturwissenschaften und technischen Wissenschaften. Besonders groß ist der Anteil weiblicher Studierender (63 Prozent) an den Colleges, also bei denjenigen Studiengängen, die mit einem BA abschließen – bei den höheren Abschlüssen liegt ihr Anteil bei 50 Prozent. Europaweit lag der Frauenanteil bei Promovierenden 2005 bei rund 43 Prozent, in Norwegen lag er bei 45 Prozent (Statistisches Amt Norwegen), Deutschland hingegen kommt auf 40 Prozent (Bundesregierung 2008). Insgesamt erhielten im Jahr 2003 34 Prozent der Norwegerinnen zwischen 19 und 24 Jahren eine höhere Ausbildung, dagegen traf dies nur auf 23 Prozent ihrer männlichen Altersgenossen zu (KILDEN Information Center on Gender Research in Norway 2008).
Der Anteil weiblicher Dozierender an Colleges und Universitäten liegt bei insgesamt 49 Prozent an den Colleges und 29 Prozent an den Universitäten. Professorinnen für sich gesehen kommen auf 18 Prozent (Statistisches Amt Norwegen 2008), im Vergleich zu 15 Prozent in Deutschland (Bundesregierung 2008).

In der Politik sind norwegische Frauen gut vertreten: 1913 bekamen die norwegischen Frauen das allgemeine Wahlrecht - fünfzehn Jahre nach den norwegischen Männern – und bereits 1981 hatte Norwegen mit Gro Harlem Brundtland eine Ministerpräsidentin, deren beinahe zur Hälfte weibliches Kabinett weltweit Aufsehen erregte. Aktuell sitzen im 18-köpfigen Kabinett von Ministerpräsident Jens Stoltenberg 9 Ministerinnen.
In den 1970er Jahren mobilisierte die feministische Bewegung die Bevölkerung erfolgreich zur Teilnahme an Kampagnen zur Erhöhung des Frauenanteils in politischen Gremien: Die Wählerinnen und Wähler kumulierten und setzten zusätzliche Politikerinnen auf die Wahllisten einiger Parteien, wodurch die Anzahl von Frauen in politischen Ämtern – vor allem auf kommunaler Ebene – drastisch erhöht wurde. Die erste dieser Kampagnen fand 1971 statt, diese so genannten „Frauen-Coups“ wurde seitdem mehrfach wiederholt.
Alle großen norwegischen Parteien haben oder hatten weibliche Parteivorsitzende. Im norwegischen Parlament beträgt der Anteil der Frauen zur Zeit 39 Prozent (im Vergleich zu 32 Prozent in Deutschland; Deutscher Bundestag 2008) – damit sind 2 von 5 Mitgliedern des Parlaments Frauen. Dieser Anteil ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Langsamer findet der Wandel in der Kommunalpolitik statt: 2005 waren nach wie vor 73 der insgesamt 434 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Norwegens Frauen. Nach den Wahlen 2007 stieg die Zahl auf 97, damit werden jetzt 23 Prozent der Kommunen von Frauen geleitet. Der Zuwachs ist parteiübergreifend, allerdings gehört der Großteil der Bürgermeisterinnen (51) der sozialdemokratischen Partei an. Interessant ist außerdem, dass es doppelt so viele stellvertretende Bürgermeisterinnen wie stellvertretende Bürgermeister gibt. Unter den Vorsitzenden der 18 Wahlkreise sind jedoch nur drei Frauen (Statistisches Amt Norwegen 2008) - Damit wird deutlich, dass die Gleichberechtigung norwegischer Frauen in der Politik auf den verschiedenen Ebenen nicht gleich stark voranschreitet.

Das Thema „Frauen in der privaten Wirtschaft“ war in Norwegen in den vergangenen Jahren ein zentrales Thema in den öffentlichen Diskussionen, was zu mehreren politischen Maßnahmen zur Reduzierung des Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern führte. Die bedeutendste politische Maßnahme war der Public Limited Companies Act (Aktiengesellschaftsgesetz), welches einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in den Verwaltungsräten aller Aktiengesellschaften in Privatbesitz vorsieht (rund 500; Bekkemellem 2008). Das Gesetz wurde 2004 verabschiedet, und trat am 1. Januar 2008 in Kraft – bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Unternehmen Gelegenheit, die Quote zu erfüllen. Damit hat Norwegen als erstes Land weltweit eine gesetzliche Quotenregelung für die Privatwirtschaft eingeführt. Der Hauptverband der norwegischen Wirtschaft (NHO) verkündete noch vor dem Stichtag am 1. Januar 2008, dass die vorgegebene 40-Prozent-Hürde überall - mit Ausnahme einiger männlich dominierten Brachen wie Schiffsbau und dem Ölsektor – erreicht sei. Deutschland liegt dagegen bei einem Frauenanteil von knapp 8 Prozent in den entsprechenden Gremien (European Professional Women's Network 2008).
Im Schnitt wurden 2003 eine von drei Unternehmensgründungen von Frauen unternommen – dagegen steht nur jedes Vierte aller börsennotierten Unternehmen einer Frau unter, hier vor allem Unternehmen in den Sektoren Bildung, Gesundheit und Dienstleistungen (Statistisches Amt Norwegen 2008).

Der mit Abstand größte Arbeitgeber von Frauen in Norwegen ist der Öffentliche Dienst – 48 Prozent der erwerbstätigen Frauen sind hier beschäftigt. Obwohl 45 Prozent der Führungskräfte im Öffentlichen Dienst Frauen sind – im Vergleich zu 25 Prozent in der freien Wirtschaft – ist die Durchlässigkeit für Frauen in diesem Sektor schlecht: Verrechnet mit dem hohen Anteil weiblicher Angestellter, erreichen 3 Prozent der beschäftigten Frauen im Öffentlichen Dienst eine Führungsposition – im Vergleich zu 6 Prozent in der freien Wirtschaft. Eine der Ursachen hierfür ist, dass sich die hohe Rate an Teilzeitbeschäftigung bei den weiblichen Angestellten negativ auf deren Karriere auswirkt (Statistisches Amt Norwegen 2008).


Private Arbeitsteilung

Gerechte Arbeitsteilung wird gerade von jungen Paaren in Norwegen als wichtiger Wert eingeschätzt (Bernhard et al. 2008). Dennoch sieht die Praxis häufig anders aus: Männer übernehmen ihren Teil der Hausarbeit (putzen, einkaufen, kochen, waschen) nur zögerlich. In einer Studie norwegischer Soziologinnen und Soziologen erklärten die meisten Paare den Unterschied zwischen Ideal und Praxis als Reaktion auf den harten Arbeitsmarkt, der eine Balance von Haushalt und Karriere nicht erlaube (Bernhardt et al. 2008). Daher werde diese Arbeit in vielen Paarbeziehungen von dem oder der Teilzeitarbeitenden übernommen - in über 90 Prozent der Fälle sind dies Frauen. Obwohl seit den 1970ern die Zeit, die Frauen täglich für Hausarbeit verwenden, um zwei Stunden zurückgegangen ist, während die Beteiligung von Männern am Haushalt gestiegen ist, wird der Großteil der Haushaltsarbeit nach wie vor von Frauen erledigt (Statistisches Amt Norwegen 2008). Damit haben sie entsprechend weniger Zeit, um sich in der Politik und der Gesellschaft zu engagieren, und die Möglichkeiten und Angebote zum beruflichen Erfolg vollständig auszunutzen (Bernhardt et al. 2008). Während auch der norwegische Wohlfahrtsstaat vor allzu großer Einmischung in die private Lebensgestaltung der Bürgerinnen und Bürger lange zurück geschreckt ist, sind mit der Einführung und zukünftigen Verlängerung der Vaterzeit erste Schritte unternommen, um aktiv das Verhältnis der Geschlechter auch im Privaten gerechter zu gestalten.


Erarbeitet von Marion Siebold
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06