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Einschätzungen zur norwegischen Gleichstellungspolitik

Einschätzungen zur norwegischen Gleichstellungspolitik

Bewertungen durch Nichtregierungsorganisationen

Im diesjährigen Global Gender Gap Report 2008, in dem die Differenz der Geschlechter anhand von Indikatoren aus den Gebieten Wirtschaft, Gesundheit, Bildung und Politik gemessen wird, erreichte Norwegen im weltweiten Vergleich Platz 1 – In keinem anderen Land sind damit die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geringer (World Economic Forum 2008).
Herausragend gute Werte erreichte Norwegen auf dem Gebiet Bildung – die Lese- und Schreibfähigkeit und die Teilhabe an Schulbildung sind zwischen Jungen und Mädchen und Frauen und Männern in Norwegen genau gleich aufgeteilt – bei der höheren Bildung überwiegen die Frauen sogar deutlich. Ähnlich gute Werte der Geschlechtergerechtigkeit erreichte Norwegen im Bereich Gesundheit. Größere Unterschiede lassen sich dagegen nach wie vor in der politischen Teilhabe – gemessen an den Indikatoren Frauenanteil im Parlament, bei den Ministerposten, und bei der Anzahl von Jahren unter einem weiblichen Staatsoberhaupt in den letzten 50 Jahren – erkennen. Dennoch belegt Norwegen in diesem Bereich Platz zwei im globalen Vergleich. Die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede finden sich im Bereich „Chancen und Partizipation in der freien Wirtschaft", wo sich besonders die geringe Anzahl an weiblichen Managern sowie die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern und ein unbefriedigender Wert beim Indikator „gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit" negativ auswirkte. In diesem Teilbereich belegt Norwegen weltweit Platz 6.

Bewertungen aus der Wissenschaft

In der Wissenschaft gilt der skandinavische Wohlfahrtsstaat als das System, das am ehesten eine Geschlechtergleichstellung erreichen kann. Von Politikwissenschaftlerinnen wird Geschlechtergleichstellung als eine „charakteristische Säule des Modells des nordischen Wohlfahrtsstaates" (Melby 2006:1) beziehungsweise ein „Grundbestandteil skandinavischer Bürgerschaft" (Ellingsaete/Leira 2006:7) eingeschätzt (nach Lister 2006). Argumentiert wird dabei folgendermaßen: Weil Gleichstellungspolitik Top-Down-Strategien beinhaltet, die nur durch gesetzliche Regelungen in Verwaltung und Gesellschaft effektiv durchzusetzen sind, ist ein starker Staat hierfür von Vorteil. Gerade Regelungen bezüglich der so wichtigen Arbeitsteilung bei Sorge und Pflege im Privatleben, oder Regelungen bezüglich der Situation von Frauen in der privaten Wirtschaft lassen sich leichter von einem starken Wohlfahrtsstaat durchsetzen. Ein weniger involvierter Staat, wie in Mitteleuropa oder stärker noch in den angelsächsischen Staaten, hat wenig Legitimation, die Bereiche Privatwirtschaft und Privatleben derart zu regulieren (siehe z.B. Daly et al. 2003). Positives Feedback aus der Wissenschaft erhält Norwegen außerdem für seine Förderung von Gender-Forschung (Gender in Norway 2008).

Bewertungen von Seiten der Vereinten Nationen

Im UN-Ausschuss für die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zum 6. CEDAW – Bericht 2003, der den Stand der Geschlechtergerechtigkeit in einem Land umfassend beurteilt, betonte die Vorsitzende Feride Ayse Acar ihre Besorgnis angesichts hartnäckiger unterschwelliger gesellschaftlicher Werte, die nach wie vor von den Frauen erwarteten, den Hauptanteil der Kinder- und Haushaltsversorgung zu übernehmen. Dies hindere die Frauen daran, ihre gleichberechtigte Teilhabe in der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vollends auszuüben. Besonders die hohe Rate an Teilzeitarbeitenden unter den Frauen sei hier exemplarisch. Daher sei es notwendig, Gleichstellungspolitik mit Familienpolitik zu verknüpfen, um eine gerechtere Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern im Privatleben zu fördern. Die Vorsitzende forderte außerdem eine Beibehaltung der Bemühungen um politische Partizipation bei Frauen, und mehr Information zu Migrantinnen im nächsten Bericht (CEDAW-Ausschuss 2003). Zusammenfassend attestierte der Ausschuss Norwegen jedoch eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik in Übereinstimmung mit der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, und nannte Norwegen einen „Hafen für Geschlechtergleichstellung" (CEDAW-Ausschuss 2003).

Im Fazit lässt sich feststellen, dass eine der großen Herausforderungen für Geschlechtergerechtigkeit in Norwegen in der tradierten Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern liegt. Solange Männer nicht im selben Umfang und mit derselben Selbstverständlichkeit an der Haus- und Familienarbeit teilnehmen wie Frauen, wird es für Frauen nicht möglich sein, im selben Ausmaß in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mitzuwirken wie Männer.
Die zweite große Herausforderung ist die Nivellierung der Lohndifferenz. Diese hält sich bis jetzt hartnäckig, besonders aufgrund der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes. Einige politische Maßnahmen zur Durchbrechung der vertikalen Segregation - wie die 40-Prozent-Quote für Frauen in Verwaltungs- und Aufsichtsräten - wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Zukünftig wird es darauf ankommen, politischen Druck auf Arbeitgeber auszuüben, das Prinzip „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ konsequent anzuwenden. Durch die Ernennung der Kommission für Entgeltungleichheit und die Verankerung des Themas auf der politischen Agenda wurden hier erste wichtige Schritte unternommen.

Erarbeitet von Marion Siebold
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06