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Gender Bias

Geschlechtsbezogener Verzerrungseffekt (Gender Bias)

Forschungsergebnisse/Daten können durch einen sogenannten Gender Bias (geschlechtsbezogener Verzerrungseffekt) beeinflusst werden. Es handelt sich dabei um systematische Verzerrungseffekte, die Wissen und Wahrnehmung beinträchtigen und daher bei der gesellschaftlichen Verwertung der Forschungsergebnisse benachteiligende Effekte haben.
Es gibt drei Formen des Gender Bias, die gleichzeitig auftreten können, aber für sich genommen eigenständige Probleme sind.

1. Androzentrismus

Androzentrismus bedeutet, dass in der Forschung implizit Probleme und Sichtweisen untersucht werden, die vorrangig Männer betreffen, obwohl die Ergebnisse auf alle Menschen verallgemeinert werden. Dieser Verzerrungseffekt äußert sich in drei Unterformen:
  • Übergeneralisierung entsteht, wenn ein Geschlecht aus der Datenerhebung ausgeschlossen wird. Wenn Schlüsse auf der Grundlage solcher Daten gezogen werden, liegt eine unzulässige Generalisierung der erhobenen Daten vor. Wenn Medikamente beispielsweise ausschließlich an jungen Männern getestet wurden, können die Ergebnisse über Wirkung und Dosierung für Frauen möglicherweise unzutreffend oder sogar schädlich sein.
  • Männer als Norm. Vielen Forschungsvorhaben liegen an Männern orientierte Normen zu Grunde, an denen Frauen „gemessen“ werden. In diesen Fällen können die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen nur als mehr oder weniger große Abweichung abgebildet werden. Ein Beispiel ist der Fall, wenn Vollzeittätigkeit ohne Unterbrechungen als „Normalarbeitsverhältnis" deklariert wird.
  • Paradoxer Gynozentrismus ist ein besonderer Aspekt des Androzentrismus. Männer werden in Studien aus Bereichen ausgeschlossen, die als „typisch weiblich“ gelten, wie z.B. Familie/Privathaushalt, Pflege und Reproduktion. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Studien über die Situation von Alleinerziehenden sich ausschließlich auf Frauen beschränken.

2. Geschlechtsinsensibilität

Geschlechtsinsensibilität liegt vor, wenn das biologische oder soziale Geschlecht als Variable ignoriert wird. Dieses Phänomen wird auch als Geschlechterblindheit beschrieben. Folgende drei Unterformen lassen sich beobachten:
  • Familialismus: „Haushalt“ oder „Eltern“ werden als kleinste Analyseeinheit verwendet. Forschungsrelevante Informationen, die einzelne Familien- oder Haushaltsmitglieder je nach Geschlecht unterschiedlich betreffen, werden so vernachlässigt.

  • Dekontextualisierung: es wird nicht beachtet, dass sich ähnliche Situationen unterschiedlich auf Geschlechter auswirken können. Beispielsweise betreffen Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Mütter und Väter auf unterschiedliche Weise. Tradierte Normen legen Frauen die Entscheidung für Kindererziehung und gegen Erwerbsarbeit nahe, während Männern die Rolle des Familienernährers zugeschrieben wird.
  • Annahme der Gleichheit von Frauen und Männern: Gleichheitsannahmen in Bereichen, in denen diese möglicherweise nicht vorhanden ist. Frauen und Männer sind jedoch beispielsweise unterschiedlich stark von Einschränkungen betroffen, die sich aufgrund unbezahlter Arbeit in der Erwerbssphäre ergeben. Analysen der Beschäftigungssituation fokussieren jedoch meist auf die Erwerbsintegration und blenden damit unbezahlte Arbeit (Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege) aus. Wenn ein geschlechterdifferenzierter Vergleich der Erwerbsbeteiligung dies außer Acht lässt, werden die Forschungsergebnisse und ihre Aussagekraft hinsichtlich Gleichstellung verzerrt.

3. Doppelte Bewertungsmaßstäbe (offenkundig und versteckt)

Doppelte Bewertungsmaßstäbe verzerren Forschungsergebnisse, wenn gleichartige oder identische Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Frauen und Männern jeweils unterschiedlich beurteilt oder untersucht werden. Hier gibt es zwei typische Unterformen:
  • Geschlechterdichotomien treten auf, wenn Geschlechter als zwei gänzlich voneinander getrennte Gruppen behandelt werden. Skalen, die beispielweise verschiedene Charaktereigenschaften als typisch weiblich und typisch männlich einordnen, ignorieren, dass die meisten Persönlichkeitseigenschaften mehr oder weniger ausgeprägt bei allen Menschen vorkommen. Differenzen zwischen Frauen und Männern werden überspitzt, indem gleichzeitig Gemeinsamkeiten ausgeblendet werden.
  • Geschlechterstereotype schreiben Männern und Frauen naturgegebene Charaktereigenschaften zu und begreifen diese nicht als gesellschaftlich zugeschriebene Erwartungen an männliche und weibliche Geschlechterrollen. Forschungsergebnisse können durch Doppelstandards verzehrt werden, wenn identisches Verhalten anhand geschlechtsstereotyper Zuschreibungen unterschiedlich interpretiert und bewertet wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Angabe gerne zu kochen und Kinder zu versorgen bei Frauen als typisches weibliches Verhalten festgehalten und entsprechend positiv bewertet wird, während die gleich Angabe bei Männern als abweichendes Verhalten und entsprechend negativ interpretiert wird.

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Weiterführende Literatur:

JK
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05