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Arbeitsorganisation

Arbeitsorganisation


Die Arbeitsorganisation in Unternehmen und Verwaltungen unterliegt in den letzten Jahrzehnten einem Wandel. Standardisierte Arbeitsprozesse mit einer weitreichenden Arbeitsteilung und einer geringen individuellen Entscheidungsfreiheit sind zurückgegangen. Die nachindustrielle Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft etabliert zunehmend einen anderen Arbeitstypus. Hierarchien werden flacher, Tätigkeitsspektren werden breiter, die Verantwortung einzelner wächst, aber auch individuelle Risiken nehmen zu. Im Kontext dieser Reorganisation von Arbeit soll die Organisation insgesamt effizienter werden und neue strategische Potentiale erschließen. Funktionen werden dabei in kleine, teilautonome Organisationseinheiten dezentralisiert sowie zum Teil ausgelagert und Arbeitszeiten werden flexibilisiert.

Neue Formen der Arbeitsorganisation:
  • Flexiblere Arbeitsmodelle u.a. durch Schaffung von Zeitpuffern
  • Arbeitsplatzwechsel durch Mehrfachqualifikationen
  • Job Enlargement – Erweiterung des Tätigkeitsspektrums
  • Job Enrichment – Erweiterung des Aufgabenspektrums um planende, steuernde und kontrollierende Aufgaben
  • Teilautonome Gruppenarbeit
(Quelle: Hilf/Jacobsen 2004)

Die neuen Arbeitsformen bieten den Beteiligten größere Entfaltungsmöglichkeiten und mehr Einfluss auf ihren unmittelbaren Arbeitsprozess. Die Veränderungen haben jedoch nicht nur positive Effekte. Dezentrale Organisationen stellen hohe Anforderungen an die Selbstorganisation der Mitarbeitenden. Geht die Reorganisation und zunehmende Subjektivierung der Arbeit mit einem Abbau von Stellen einher oder fehlen Maßnahmen der Weiterbildung, so kann es zu einer Überforderung der Beschäftigten (z.B. in Form von Arbeitsverdichtung) kommen.

Aufgaben- und beteiligungsorientierte Arbeitsorganisation:
  • Gestaltung von Routinesachbearbeitung in Form der Gruppenarbeit
  • Betrachtung von Einzelfällen in ihrer Gesamtheit (Rundum-Sachbearbeitung)
  • Funktionsübergreifende (ressortübergreifende) Teamarbeit für Aufgabenstellungen, die unterschiedliche Fachkompetenzen benötigen
  • Integration von Assistenz und Sachbearbeitung in Teamarbeit
(Quelle: Hilf/Jacobsen 2004)

Die Veränderungen bleiben nicht ohne Folgen für die geschlechtsbezogene Arbeitsteilung. Die meisten Organisationen sind durch eine klare Geschlechterhierarchie gekennzeichnet, in der Frauen und Männern unterschiedliche Arbeitsbereiche zugewiesen werden. Dabei lässt sich eine statistische Diskriminierung von Frauen nachweisen. Frauen sind in hierarchischen Organisationen häufiger in untergeordneten Bereichen wie der Routinesachbearbeitung eingesetzt. Statistische Diskriminierung meint hier, dass Personen einzig auf Grund Ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmte Merkmale zugewiesen werden.

Im Zuge der Dezentralisierung fallen diese Bereiche teilweise ganz weg, teilweise erhalten sie aber auch ein umfangreicheres Aufgabenprofil. Diese Aufwertung bedeutet jedoch nicht automatisch eine Zurückdrängung statistischer Diskriminierung, wie die weiterhin geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen belegt. Bestimmte in einer Organisation verankerte vermeintlich geschlechtsneutrale Leitbilder tragen zur Ungleichbehandlung der Geschlechter bei. Zum Beispiel wird oft permanente Verfügbarkeit und die damit verbundene dauernde Anwesenheit höher bewertet als die Intensität der Arbeit und damit die Leistung. Dadurch wird die berufliche Entwicklung von Beschäftigten, die der Anwesenheitsnorm nicht entsprechen, vielfach behindert. Dies trifft vor allem Teilzeitkräfte und Frauen. Letzteren wird per se eine geringere Leistung auf Grund familiärer Verpflichtungen unterstellt. Diese stereotype Ungleichbehandlung ist auch betriebswirtschaftlich sehr problematisch, da hier beständig ein Teil der Belegschaft demotiviert wird.

Eine gleichstellungsorientierte Arbeitsorganisation versucht hingegen, jede Form von Diskriminierung zu vermeiden und eine gleichstellungsorientierte, auf alle Beschäftigte orientierte Unternehmenskultur zu etablieren. Grundlage dafür bildet eine geschlechtersensible Analyse der Problem- und Reorganisationsbereiche, so dass die typischen „Frauenarbeitsbereiche“ im Reorganisationsprozess berücksichtigt und Gleichstellungsziele formuliert werden können. Mit der Bereitstellung von größeren Entscheidungsspielräumen sowie individueller und kollektiver Selbstregulation allein lassen sich ungleiche Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern nicht verändern. Erst eine gezielte gleichstellungsorientierte Ausrichtung des Reorganisationsprozesses schafft dafür die notwendigen Voraussetzungen. Zum einen können so typische Arbeitsbereiche von Frauen aufgewertet werden, zum anderen eröffnen sich für Beschäftigte, meist Frauen, die bisher nicht der Norm entsprachen, neue Potenziale für ihre berufliche Entwicklung, die ihnen vorher verschlossen gewesen sind.

Der gleichstellungsorientierte Nutzen stärker auf Gruppenkonzepte ausgerichteter Arbeitsformen hängt folglich von der diskriminierungsfreien Beteiligung aller in einer Organisation bzw. einem Team vorhandenen Potenziale ab. Des Weiteren gilt es, die Beteiligten über gezielte Weiterbildungen darauf vorzubereiten und formale Mitwirkungsmöglichkeiten zu schaffen. Bei der Besetzung von Lenkungskreisen oder Projektgruppen, die häufig im Zuge von Reorganisationsprozessen gebildet werden, ist insbesondere darauf zu achten, dass alle unterschiedlichen Gruppen, auch solche die bisher unterrepräsentiert sind, berücksichtigt werden. Der Erfolg hängt nicht zuletzt vom Verhalten der Führungsebene ab. Gleichstellung muss von der Leitung, wie auch der Ansatz des Managing Diversity nahelegt, als eine zentrale Zielsetzung des Reorganisationsprozesses kommuniziert werden. Wenn sich die Führung für Gleichstellungsziele stark macht, wächst die Chance, dass Geschlechterstereotype in den neuen Arbeitsformen dauerhaft überwunden werden und die neuen Organisationsformen ihre positive Wirkung entfalten.

Eine Möglichkeit besteht darin, Gender Mainstreaming als Innovationsstrategie in der Personal- und Organisationsentwicklung zu verankern und die zentralen Personalentwicklungsbausteine wie Auswahl, Fortbildung, Leistungsbeurteilung und Personalführung im Zuge der Umsetzung ebenfalls umzugestalten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein Teil der Arbeitsbereiche einer Organisation generell aus dem Veränderungsprozess und den damit verknüpften Personalentwicklungsmaßnahmen ausgeschlossen wird oder dass sich auch in der neuen Struktur Geschlechtsstereotype quasi naturwüchsig reproduzieren. Der Nutzen von Gender Mainstreaming liegt folglich nicht nur im Abbau von Ungleichheiten, sondern auch in der größeren Akzeptanz der neuen Arbeitsorganisation bei allen Beschäftigten und in der damit verbundenen Verbesserung der Effizienz und der Dienstleistungsorientierung.

Literatur

  • Hilf, Ellen/ Jacobsen, Heike: Reorganisation und Arbeitsgestaltung: Ansatzpunkte zur Lockerung der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung, in: Gertraude Krell (Hg.), Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden, 2004, S. 245-262.
  • Krumpholz, Doris: Wahrnehmung von Frauen bei Einstellungen und Beurteilungen. Systematische Benachteiligung durch Geschlechtsrollenstereotype, in: GiP 5/2005, S. 23-28.
  • Lohr, Karin/Nickel, Hildegard (Hrsg.): Subjektivierung von Arbeit - Riskante Chancen, Münster, 2005.
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:05