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Daten über die Entwicklung von Gleichstellung in den Niederlanden

Ökonomische Unabhängigkeit

Erwerbstätig sein ist die Grundlage ökonomischer Unabhängigkeit. Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist in den Niederlanden mit 66,4 Prozent im Jahr 2005 im europäischen Vergleich hoch, besser schneiden nur die skandinavischen Länder ab (Eurostat 2007: 135). Die niederländische Statistik weist allerdings eine deutlich geringere Frauen-Beschäftigungsquote aus. Das ist eine Folge des unterschiedlichen Bewertungsmaßstabs: Während das europäische Statistikamt Eurostat bereits ab einer Stunde pro Woche eine Erwerbstätigkeit verbucht, legt die niederländische Statistik zwölf Stunden pro Woche als Messlatte an.
Der niederländische „Emanzipationsmonitor“ von 2006 zeigt, dass die Frauen-Beschäftigungsquote stetig steigt: Im Jahr 2005 gingen 54,1 Prozent der niederländischen Frauen zwischen 15 und 64 Jahren einer Erwerbstätigkeit von mindestens 12 Stunden pro Woche nach. Trotz der wirtschaftlichen Rezession ist das im Vergleich mit dem Jahr 2000 eine Steigerung um 2 Prozentpunkte. Die Beschäftigungsrate aller Männer war dagegen 2005 auf 72 Prozent gesunken, gegenüber 2002 ein Rückgang um vier Prozentpunkte. Die Beschäftigungsquote von Frauen aus ethnischen Minderheiten lag auch 2005 mit 38 Prozent deutlich unter dem niederländischen Durchschnitt (Emanzipationsmonitor 2006: 318). Zu einer weiteren (wünschenswerten) Ausdifferenzierung über die Beschäftigungsraten von Männern und Frauen im Hinblick auf Bildung, Lebensweise oder Behinderung liegen keine Daten (auf englisch) vor.
Seit 2000 gibt die niederländische Regierung im Zwei-Jahresrhythmus den „Emanzipationsmonitor“ heraus, der die Entwicklung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse in Bereichen wie Arbeitsmarkt, Einkommen, politische Partizipation, Bildung und Zeitverwendung bzw. Arbeitsteilung abbildet. Damit gibt sie eine bemerkenswerte statistische Grundlage für Gleichstellungspolitik an die Hand. Der Emanzipationsmonitor bildet das Zusammenspiel von Arbeitsvolumen und Einkommen mit dem Indikator „ökonomische Unabhängigkeit“ ab. Als Maßstab für die Fähigkeit, auf Grundlage der eigenen Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten zu können, wird ein Einkommen gesetzt, das sich mindestens in Höhe von 70 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns bewegt. Die Niederlande haben eine lange Tradition von Mindestlöhnen, die bis in die 20er Jahre zurückreicht. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze bei monatlich 1.272,60 Euro Brutto; sie ist an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung gekoppelt. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 37 Stunden sind das 7,96 Euro Brutto pro Stunde (NGG). Nur 42 Prozent aller erwerbsfähigen Frauen verdienten allerdings im Jahr 2004 so viel, dass sie ökonomisch unabhängig waren, also ein Einkommen in Höhe von mindestens 890 Euro zur Verfügung hatten. Der Anteil wirtschaftlich unabhängiger Männer sank von 72 Prozent im Jahr 2001 auf 69 Prozent 2005. Bei Frauen aus ethnischen Minderheiten lag dieser Anteil noch niedriger: Nur jede fünfte der Frauen türkischer oder marokkanischer Herkunft hatte 2004 ein Einkommen, das sie wirtschaftlich unabhängig machte. Frauen mit surinamesischer Herkunft dagegen waren sogar in einem höheren Maß ökonomisch unabhängig als „einheimische“ Frauen (Emanzipationsmonitor 2006: 320).
Die geschlechtsspezifische Einkommensungleichheit, der „Pay Gap“, trägt dazu bei, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu drosseln: 2005 war die Verdienstschere zu 18 Prozent geöffnet, d.h. Frauen verdienten 82 Prozent des durchschnittlichen Stundenlohns, den Männer erzielen. Damit bewegen sich die Niederlande im europäischen Vergleich im unteren Drittel: Sie stehen auf dem neuntletzten Platz der EU-Staaten. Schlusslicht ist Zypern, gefolgt von Estland, der Slowakei und Deutschland (KOM(2007) 424: 22).

Arbeitsteilung

Trotz der relativ hohen Frauen-Beschäftigungsrate in den Niederlanden bleibt die geschlechtstypisierende Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bestehen: Frauen arbeiten in Teilzeit und leisten das Gros der unbezahlten Arbeit in Familie und Haushalt, während Männer einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen.
Wird die Frauen-Beschäftigungsrate von 54,1 Prozent auf ein Vollzeit-Arbeitsvolumen umgerechnet, bewegt sich diese Quote nur bei 42 Prozent (Emanzipationsmonitor 2006: 319). Ursache hierfür ist das hohe Maß an Teilzeitarbeit: Mit 75 Prozent weisen die Niederlande die höchste Teilzeitquote von Frauen in der Eurozone auf, sowie mit knapp 25 Prozent auch die höchste Teilzeitquote von Männern (Eurostat 2007: 138). Hintergrund für diese große Verbreitung von Teilzeit ist einmal die Zeitpolitik, mit der die Niederlanden seit Ende der 90er Jahre auf eine bessere Work-Life-Balance für Frauen und Männer sowie auf eine partnerschaftliche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zielen. Allerdings sind es eher junge und alte Männer, die ihre Arbeitszeit reduzieren, und weniger die anvisierten aktiven Väter. Diese Politik hat ein Anderthalb-Verdienenden-Modell gefördert, aber nicht die Zeitverwendung zwischen den Geschlechtern verändert (Pascall/Lewis 2004: 378, 286). So ist es weiterhin die Verantwortung für unbezahlte Arbeit in Familie und Haushalt, die zu der hohen Teilzeitquote von Frauen beiträgt: 2005 erbrachten Männer lediglich 35,7 Prozent der Stunden, die für diese Arbeit im privaten Bereich aufgewandt wird (Emanzipationsmonitor 2006: 321).
Zwar stößt der Gedanke, dass Mütter bezahlt und außer Haus arbeiten, auf immer mehr Akzeptanz, berichtet der Emanzipationsmonitor. Gleichzeitig ist aber die Anzahl der Frauen und Männer, die Mütter in einer Vollzeittätigkeit mit Skepsis betrachten, gegenüber 1991 gestiegen. Der Großteil der niederländischen Frauen und Männer denkt, dass für Mütter eine Beschäftigung in Teilzeit ideal ist, unabhängig vom Alter der Kinder. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Niederländer und Niederländerinnen öffentlicher Kinderbetreuung ablehnend gegenübersteht, auch wenn diese Vorbehalte seit 2002 abgenommen haben (Emanzipationsmonitor 2006: 322). Im Jahr 2003 wurden nur etwa 30 Prozent des Kinderbetreuungsbedarfs durch öffentliche Angebote abgedeckt, die restlichen 70 Prozent durch informelle Arrangements innerhalb der Verwandtschaft oder im Freundeskreis.
Ursache war vor allem der Mangel an öffentlichen Betreuungsangeboten. Mit dem Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgesetz aus dem Jahr 2005 sind die Wartelisten für Plätze zwar abgebaut worden – allerdings hat das Umstellen auf ein rein privatwirtschaftliches Betreuungsangebot zu einem Rückgang der Nachfrage geführt. Zwar geben (auf freiwilliger Basis) Arbeitgeber und der Staat Zuschüsse – da diese aber mit der Höhe des Einkommens sinken, hat sich für gut verdienende Eltern die Kinderbetreuung enorm verteuert. Bei einem jährlichen Familieneinkommen von 45.000 Euro trägt der Staat ein Drittel der Kosten, bei einem Jahreseinkommen von 72.000 Euro sind es noch 1,8 Prozent. Profitiert haben dagegen Familien mit einem kleinen Verdienst – bei einem jährlichen Einkommen der Familie unter 16.000 Euro liegen die Zuschüsse bei 63 Prozent -, diese nehmen verstärkt die öffentliche Kinderbetreuung in Anspruch (www.niederlandenet.de).

Partizipation in Bildung, Wirtschaft und Politik

Im Hinblick auf politische Partizipation stehen die Niederlande im europäischen Vergleich gut da: Im Kabinett waren 2006 64 Prozent Männer und 36 Prozent Frauen vertreten, also 13 Prozentpunkte mehr Frauen als im EU-Durchschnitt. Das Parlament setzte sich zu 61 Prozent aus Männer und zu 39 Prozent aus Frauen zusammen, das sind 16 Prozent mehr Frauen als im EU-Schnitt. Ein Fünftel der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen waren in diesem Jahr Frauen, vier Fünftel Männer. In den Vorständen und Aufsichtsräten der 100 größten Firmen der Niederlanden dominieren dagegen Männer mit 94 %, in den Top-Positionen der Verwaltung mit 87 Prozent. Der Bildungserfolg von Frauen spiegelt sich damit wie in anderen europäischen Ländern auch derzeit nicht in beruflichen Karrieren wider. Bei den höheren Bildungsabschlüssen besteht inzwischen eine annähernde Balance zwischen Frauen und Männern. Junge Frauen schließen ihre akademische Ausbildung schneller ab als ihre Altersgenossen. 40 Prozent der Promotionen werden heute von Frauen geschrieben gegenüber 18 Prozent im Jahr 1990. 2004 waren allerdings über 90 Prozent der Professuren mit Männern, beziehungsweise nur 9,4 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt.

MH

 

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 09.05.2012 13:48