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Dokumentation der Fachtagung "Governance von Rahmenplänen im Bereich Gleichstellung"

Fachtagung des GenderKompetenzZentrums an der Humboldt-Universität zu Berlin am 14. April 2010



Gleichstellungspolitische Rahmenpläne zur Festlegung und Koordinierung von Handlungsfeldern, Zielen und konkreten Maßnahmen sind sowohl auf europäischer Ebene (Fahrplan der Europäischen Kommission für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010) als auch im europäischen Ausland (z.B. Österreich) und auf Ebene der Bundesländer (z.B. Berlin) entscheidende Instrumente für die Implementierung von Gleichstellungspolitik. Kennzeichen all dieser Pläne ist die strategische Gesamtplanung. Aktuelle Diskussionen zeigen, dass die politischen Ziele von Rahmenplänen zudem nur dann erfolgreich verwirklicht werden können, wenn die Mitwirkung und Akzeptanz einer möglichst großen Zahl tangierter gesellschaftlicher Akteur_innen erreicht wird, die ihre Zusammenarbeit auch bei der Umsetzung der Maßnahmen fortsetzen. „Governance“ bezeichnet genau solche Arrangements, in denen staatliche und private Akteure auf bestimmte Weise zusammen wirken. Daher lohnt es, sich mit Bedingungen, Chancen und Herausforderungen bei der Governance gleichstellungspolitischer Rahmenplänen intensiver zu befassen.
Mittlerweile liegen zu den Governance-Strukturen gleichstellungspolitischer Rahmenpläne internationale Erfahrungen und konkrete Beispiele vor. Neben der wissenschaftlichen Perspektive auf die Erfordernisse von Governance bei mehrdimensionaler Gleichstellungspolitik ist das praktische Beispiel des österreichischen Aktionsplans für die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt besonders interessant, sowohl mit Blick auf die Erfahrungen und Bewertungen der Governance-Strukturen aus Sicht der österreichischen Bundesverwaltung als auch aus Sicht der  Zivilgesellschaft. Daneben steht der Berliner Masterplan zum gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm mit den Chancen, Bedingungen und Herausforderungen von Governance-Strukturen bei gleichstellungspolitischen Rahmenplänen. Schließlich lassen sich Anforderungen und Erfahrungen nationaler Aktionspläne als Instrument der Implementierung internationaler Menschenrechte diskutieren. Als vorbildhaft und erfolgreich werden dabei die  partizipativen Governance-Prozesse bei der Erstellung des irischen Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus bewertet.
Das Thema „Governance von Rahmenplänen im Bereich Gleichstellung“ ist gerade auch in Deutschland aktuell. Rahel Gugel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am GenderKompetenzZentrum, hob hervor, dass Rahmenpläne auf internationaler, auf europäischer und auch auf nationaler Ebene anerkannte und effektive Instrumente zur Implementierung von Gleichstellungspolitik sind. Auch die Koalitionspartner der Bundesregierung haben sich in ihrem Koalitionsvertrag vom Herbst 2009 darauf verständigt, einen „Rahmenplan zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in allen Phasen des Lebensverlaufs“ zu verabschieden. Nach Rahel Gugel sind mit dem Wesensmerkmal der Querschnittsaufgabe von Gleichstellungspolitik allerdings bestimmte Herausforderungen auf der inhaltlichen und auf der organisatorischen Ebene verbunden. Auf inhaltlicher Ebene nannte sie die Omni-Relevanz von Gender- und Gleichstellungsaspekten in allen Lebens- und daher auch Politikbereichen, die eine fachliche Breite von Gleichstellungspolitik in allen Ressorts der Verwaltung nach sich zöge. Auf organisatorischer Ebene stelle die Steuerung und Koordination der Querschnittsaufgabe Gleichstellungspolitik eine Herausforderung dar. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigten auf Bundesebene Defizite bei der gleichstellungspolitischen Zielentwicklung; zudem sei eine Stagnation bei der Implementierung von Gender Mainstreaming in der Bundesverwaltung zu beobachten. Die einzelnen Ressorts berücksichtigten bei der Definition politischer Ziele Gleichstellungsaspekte nicht ausreichend, an einer Koordination aller Ressorts bei gleichstellungspolitischen Themen mangele es. Insgesamt habe Gleichstellungspolitik eine eher randständige organisatorische Stellung in der Bundesverwaltung, weshalb eine organisatorische Strategieänderung erforderlich sei. So müsse Gleichstellungspolitik politische Ziele konkret definieren, Handlungsfelder und thematische Schwerpunkte benennen und beides ressortübergreifend und effektiv koordinieren. Ein ressortübergreifender gleichstellungspolitischer Rahmenplan könne hierfür ein geeignetes und effektives Instrument sein. Er lege Handlungsfelder, Ziele und die Steuerung für die gesamte Regierung fest. Zugleich werde der politische Wille dokumentiert, Gleichstellungspolitik ernsthaft und verbindlich zu verfolgen.
Dazu kommt, so Susanne Baer, Direktorin des GenderKompetenzZentrums und Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin, die Notwendigkeit „Mehrdimensionaler Gleichstellungspolitik aus der Governance Perspektive“. Die Verpflichtung der Staaten, grund- und menschenrechtliche, inertnational wie national längst verbindlich Gleichstellungsvorgaben umzusetzen, führe zu dem Phänomen, dass Regierungen sich mit Diskriminierungstatbeständen auseinandersetzen und damit Mehrheitsauffassungen in Frage stellen müssten. Diskriminierung sei immer auch ein Problem der Konstruktion einer selbstverständlichen Normalität, die manche benachteilige; Gleichstellung bedeute daher auch, sich von dieser Normalität zu verabschieden. Auch daraus resultierten Einwände und Vorbehalte gegenüber Gleichstellungspolitik. Dabei seien mehrere Strategien zu beobachten: Man ziehe sich auf die Position zurück, die Politik habe bereits alles getan, um Gleichstellung zu gewährleisten, indem z.B. auf Antidiskriminierungsgesetze verwiesen werde. Die rechtliche Lage in Deutschland sei formal entsprechend vorzeigbar. Jedoch sorgten Interpretation und Implementation eines symmetrischen (und nicht asymmetrischen, antihierarchischen) Gleichheitsdenkens dafür, dass nur eine kosmetische Bewältigung von Differenzen in der Rechtspraxis erfolge, nicht jedoch substantielle Diskriminierungen angegangen würden. Gleichstellung existiere in Deutschland daher oft nur rhetorisch.
Susanne Baer stellte daran anschließend ein drei-dimensionales Konzept vor, um Ungleichheit besser angehen zu können, gegen Exklusion, Attribution und soziale Ungleichheitsstrukturen. Exklusion bedeute neben der Ausgrenzung von Subjekten auch die Ausgrenzung von Bedürfnissen oder Bedeutungen z.B. durch Prozesse der Sexualisierung, Marginalisierung und Privatisierung. Attribution beinhalte die Reproduktion von Rollenfixierungen und Stereotypen im alltäglichen „doing gender“, oder auch im „doing age“ oder „doing normality“. Soziale Ungleichheitsstrukturen von Geschlecht wiederum zeigten sich beispielsweise anhand der Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt. Gleichstellungspolitik müsse sich allen drei Dimensionen widmen. Nicht alle governance-Konzepte könnten dies, denn manche seien selbst vergeschlechtlicht und daher mindestens ambivalent. So könnten bestimmte Governance-Arrangements Geschlechterungleichheiten perpetuieren oder funktionalisieren, während nur unter bestimmten Bedingungen Ungleichheiten auch aufgebrochen würden. Politische und gesellschaftliche Akteur_innen verfügen hier immer über eine „regulatory choice“, eine Wahl der Steuerungsmittel.
Der Wille zur Durchsetzung bestimmter gleichstellungspolitischer Zielsetzungen genüge also nicht. Vielmehr seien nicht nur regulatorische Entscheidungen zu treffen, sondern auch immer spezifische Gelegenheitsstrukturen („windows of opportunity“) in Verbindung mit der Praxis bestimmter Wissenspolitiken Voraussetzung dafür, dass sich bestimmte Zielvorstellungen tatsächlich durchsetzen oder nicht. Bestimmte Governance-Arrangements seien damit immer auch als Möglichkeit zu verstehen, eine Diffusion bestimmter gleichstellungspolitischer Normen zu erreichen. Dafür gebe es, so Susanne Baer, vier Bedingungen, die sich als Merkmale erfolgreicher Gleichstellungs-Governance verstehen ließen: (1) Zunächst müssen gesellschaftliche Normen und Überzeugungen auf die politische Agenda gesetzt und in Recht umgesetzt werden. (2) Hinzu kommen politische Strategien, dieses nicht nur zu erreichen, sondern auch zu definieren und zu implementieren. (3) Zudem dürfe nicht die Situation entstehen, dass verschiedene Formen der Diskriminierung gegeneinander ausgespielt werden, weder epistemisch (also im Sinne eines Wissens, der Definition) noch sozial (im Sinne des Rechts, der Institutionen, der Ökonomie usw.). (4) Schließlich bedarf es bestimmter Konstellationen von Akteur_innen, die an der tatsächlichen Umsetzung von Gleichstellungspolitik interessiert seien („Gelegenheitsstrukturen“). Oftmals werde hier der Fehler gemacht, allein Akteur_innen der Regierung („etatistisch“) und der Zivilgesellschaft anzusprechen: die gleichstellungspolitische Bedeutung der Wirtschaft und des Parlamentes, welches in den letzten Jahren auffallend ruhig gewesen sei oder außen vor bleibe, was auch die Gleichstellungspolitik in den Fraktionen marginalisiere, würden oft unterschätzt. Insgesamt sei erfolgversprechende Gleichstellungs-Governance also daran zu messen, ob sie Ungleichheiten als mehrdimensionale Diskriminierung und Gleichheitspolitik als mehrdimensionales Feld begreife.

Ein konkretes Beispiel für planmäßig betriebene Gleichstellungspolitik kommt aus Österreich. Die Governance des österreichischen Aktionsplans für die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und die strukturelle Beteiligung und Einbindung der Zivilgesellschaft ist, so Ilse König, Bundeskanzleramt, daher ein spezifischer Prozess. Dabei liege ein Mehrwert und eine besondere Funktion in der Partizipation von Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungen, die, so König, u.a. im inhaltlichen Wissensgewinn seitens der Verwaltung, der Akzeptanzförderung und im Konfliktmanagement lägen. Die Teilnahme gesellschaftlicher Akteure an Entwicklungsprozessen, die Mitgestaltung von Entscheidungsprozessen und das Ausüben von politischen Einfluss abseits der Wahlen sei gewinnbringender Nutzen von Partizipation. Doch dürfe sich Politik, so König, nicht kritiklos an Empfehlungen der Zivilgesellschaft anpassen, sondern müsse die übergeordneten Ziele selbst festlegen, später die konkreten Maßnahmen entscheiden und trage hierfür auch die politische Verantwortung. Das wurde beim österreichischen Aktionsplan für die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt (NAP) versucht. Die Entscheidung, den Aktionsplan auf den Arbeitsmarkt zu fokussieren, sei Ergebnis einer Machbarkeitsstudie gewesen, die in der eigenständigen ökonomischen Sicherung einen wesentlichen Schlüssel für die Gleichstellung der Geschlechter gesehen habe. Um hier Veränderungen zu erreichen, habe man sich für ein bestimmtes Projektdesign, einen gestuften Projektablauf sowie eine moderierende Arbeitsweise und die Einbeziehung der gesellschaftlichen Akteur_innen entschieden. In Österreich legte eine interministerielle Arbeitsgruppe für den NAP Indikatoren fest und diente als Informationsdrehscheibe und Koordinationsstelle der Umsetzung. Eine open-space-Tagung gab Vertreter_innen aus Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft und Sozialpartnerschaft die Möglichkeit, inhaltliche Vorschläge und Empfehlungen für die Erarbeitung von Maßnahmen zu geben. Aus den Ergebnissen wurden thematische Arbeitsgruppen abgeleitet. In diesen thematischen Arbeitsgruppen hätten dann Vertreter_innen von Ministerien, Sozialpartnern, Wissenschaft und NGOs zusammen Vorschläge für Maßnahmen mit Zielsetzungen, Zuständigkeiten und Meilensteinen erarbeitet. Konsens war das Ziel, aber nicht zwingend, und Einwände wurden dokumentiert. Sinn und Zweck sei gewesen, der zuständigen Ministerin für Frauen und öffentlichen Dienst ein möglichst umfassendes Bild zu guten Maßnahmen und auch den Einwänden gegen diese zu verschaffen; die Ministerin wählte dann aus dem Maßnahmenkatalog der Arbeitsgruppen aus und müsse das politisch vertreten. Wichtig sei insbesondere gewesen, Genderkompetenz bei der Moderation der Arbeitsgruppen zu sichern: Ohne ein tiefes Wissen um die Kontroversen, die zur Geschichte der Gleichstellungspolitik gehörten, sei Zusammenarbeit nicht konstruktiv zu organisieren. Ilse König empfahl zu Governance-Strukturen für einen bundesdeutschen Rahmenplan, dass an erster Stelle eine klare politische Positionierung notwendig sei. Daneben stehe ein Projektmanagement mit klaren Strukturen und Prozessen und eine ausgewogene Zusammensetzung und Fachkompetenz der Arbeitsgruppen.
In Österreich hat aber nicht nur die Bundesregierung Erfahrung mit einer solchen strategischen Planung gemacht. Ulrike Faltin, Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, beschreibt „Erfahrungen der österreichischen Zivilgesellschaft bei der Einbindung in die Governance-Strukturen eines gleichstellungspolitischen Aktionsplans als Chancen und Herausforderung“. Positiv seien die „open-space-Tagung“ der österreichischen Bundesverwaltung, die kreative, fundierte und ergebnisorientierte Zusammenarbeit aller Teilnehmenden sowie die spätere Dokumentation gewesen. Auch in den thematischen Arbeitsgruppen sei die Kommunikation und Transparenz gut gewesen. Wichtig sei der offene Expert_innen-Dialog auf Augenhöhe, der im Gegensatz zu der sonst üblichen Situation „Fördergeber_in – Fördernehmer_in“ steht. Kritisch sei allerdings weiterhin, dass trotz der knappen finanziellen Ressourcen vieler Nichtregierungsorganisationen für die zivilgesellschaftliche Beteiligung und ihren Beitrag seitens der Regierung kein finanzieller Ausgleich wie etwa ein Sitzungsgeld erbracht wurde. Die Beteiligung sei deshalb nicht allen NGOs möglich gewesen. Zudem sei die Kommunikation zwischen Ministerialbüro und Zivilgesellschaft nach Übersendung der Maßnahmenvorschläge abgerissen. Die fehlende Rückmeldung und Information über weitere Schritte, Auswahl der Maßnahmen etc. werde als sehr frustrierend erlebt. Daraus resultiere, so Faltin, die Empfehlung, die Kommunikation mit der zuvor eingebundenen Zivilgesellschaft mit regelmäßigen Info-Mails über den Stand der Verhandlungen oder der geplanten weiteren Schritte weiter zu führen.

Das andere Beispiel zur gleichstellungspolitischen Rahmenplanung ist die „Governance des Berliner Masterplans zum gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm (GPR)“, die Helga Hentschel, Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen, vorstellte. Ausgangspunkt für ein gleichstellungspolitisches Programm für das Land Berlin sei die politische Überzeugung gewesen, dass die derzeitigen großen gesellschaftlichen Herausforderungen nur  mit einer für alle Ressorts verbindlichen und effektiven Gleichstellungspolitik gelöst werden könnten. Daher seien in einem ersten Schritt (Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm, GPR) gleichstellungspolitische Handlungsfelder und Ziele, in einem zweiten Schritt konkrete Maßnahmen zur Umsetzung (Masterplan) festgelegt worden. Damit werden die Strategie des Gender Mainstreamings und Gender Budgeting-Prozesse an inhaltliche Schwerpunkte des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms gebunden. Das Rahmenprogramm verzichte auf einen flächendeckenden Ansatz, sondern setze inhaltliche Schwerpunkte auf Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, soziale Gerechtigkeit, Integrationspolitik und demografischen Wandel. Helga Hentschel betonte die Wichtigkeit, alle entscheidenden Akteure und Akteurskonstellationen für den Governance-Prozess im Blick zu haben. So seien in Berlin die Zivilgesellschaft und die Fachöffentlichkeit gut einbezogen, jedoch die Bezirke vernachlässigt worden. Dies mache sich nun im Umsetzungsprozess des GPR bemerkbar, da sich nur vier Bezirke beteiligten. Der Umsetzungsprozess werde von einer Geschäftsstelle gesteuert, die bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen angesiedelt sei; die politische Steuerung erfolge durch einen Staatssekretärsausschuss „Gleichstellung“. Entscheidende Neuerung sei der schon mit Gender Mainstreaming angestrebte Strategiewechsel bei den Zuständigkeiten für gleichstellungspolitische Themen; darin liege, so Hentschel, auch jetzt ein essentieller Fortschritt: Nicht das Gleichstellungsressort lege die Maßnahmen fest, sondern die jeweiligen Fachressorts selbst. So sei die Verantwortung für Gleichstellungspolitik an die Ressorts zurückgegeben. Damit gehe häufig einher, auch gleichstellungspolitische Defizite offen zu legen, was die Ressorts aber zwinge, sich mit diesen wirklich zu befassen. Regelmäßige Berichte der Umsetzung an Senat, Abgeordnetenhaus und die Öffentlichkeit dienten als Controlling-Instrument; sie ließen eine Politisierung von gleichstellungspolitischen Themen erwarten. Schwierigkeiten lägen neben dem sehr aufwändigen Koordinationsprozess des GPR in fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei ungenügender oder fehlender Umsetzung der Maßnahmen seitens der zuständigen Ressorts. Auch bringe ein Plan oder Programm keine sofortigen sichtbaren Ergebnisse oder Erfolge, was zu Schwierigkeiten der späteren politischen Legitimation führen könne. Eine langfristige, verbindliche und eindeutige politische Positionierung für das GPR sei deshalb essentiell für dessen Erfolg. Der auch in Berlin beobachtbare Abbruch der Kommunikation mit den zuvor beteiligten Akteur_innen aus der Zivilgesellschaft solle nun durch eine Internetplattform zum Umsetzungsprozess und geplanten Informationsveranstaltungen wiederhergestellt werden.

Neben Österreich und Berlin lässt sich auf weitere Erfahrungen mit Gleichstellungsplänen im weitesten Sinne zugreifen. Dazu zählen die „Nationalen Aktionspläne für Menschenrechte mit bestimmten Anforderungen und Erfahrungen“, über die Petra Follmar-Otto, Deutsches Institut für Menschenrechte, sprach. Diese Pläne haben spezifische Funktionen, Prinzipien und Phasen, aus denen sich Schlussfolgerungen für einen nationalen gleichstellungspolitischen Rahmenplan für Deutschland ableiten lassen. So sei die Funktion nationaler Menschenrechtsaktionspläne, der Implementierung staatlicher Verpflichtungen zu dienen. Zu den Prinzipien Nationaler Aktionspläne gehörten die strategische Verfolgung langfristiger Menschenrechtsziele, die Aktionsorientierung, die partizipative Erarbeitung und der Prozesscharakter. Entscheidend für Inhalt und Struktur sei die Darstellung des Ist-Zustandes am Anfang des Prozesses, die daraus abgeleitete Definition konkreter Zielvorgaben mit messbaren Zwischenschritten in bestimmten Handlungsfeldern und die Erarbeitung von Maßnahmen mit definierten Zeitrahmen. Notwendig sei eine klare institutionelle Verantwortung und eine Ressourcenzuordnung für die Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen, wobei die Verantwortung immer beim Staat als Menschenrechtsadressat liege. Maßgeblich sei auch ein den Prozess begleitendes Umsetzungsmonitoring, um gegebenenfalls Maßnahmen anzupassen, und eine regelmäßigen Bewertung der Umsetzung durch das Parlament. Als „best-practice“ Beispiel eines Nationalen Aktionsplans stellte Petra Follmar-Otto den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus in Irland vor. Er wurde auf der Basis eines sehr breiten zivilgesellschaftlichen Konsultationsprozesses entwickelt und beschlossen. Für die schriftlichen Eingaben der Zivilgesellschaft im Konsultationsprozess habe die irische Regierung finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt; für Konsultation und Entwicklung, aber auch für die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen und das Umsetzungsmonitoring wurde eine partizipativ zusammengesetzte Steuerungs- bzw. Managementgruppe eingerichtet. Für einen deutschen nationalen Rahmenplan Gleichstellung folge daraus, dass an erster Stelle der eindeutige politische Wille für einen solchen Plan stehe und die Gesamtverantwortung der Bundesregierung hergestellt werden müsse. Die besondere Herausforderung bestünde dann in der Beteiligung und Steuerung der verschiedenen Akteure und in der Einbeziehung der Fachressorts in den gesamten Prozess, wobei die Regierungsverantwortung für die Umsetzung des Plans durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft nicht verloren gehe. Die Transparenz und Dokumentation der Vorschläge aus der Zivilgesellschaft und die Rückkoppelung von Zwischenergebnissen sei ebenso entscheidend wie die Rückbindung der Inhalte an menschenrechtliche Verpflichtungen und Empfehlungen.

Fazit und Empfehlungen
Aus Sicht des GenderKompetenzZentrums  steht die „Governance von Rahmenplänen im Bereich Gleichstellung“ vor mehreren Herausforderungen:
Erlass, Umsetzung und späterer Erfolg eines gleichstellungspolitischen Rahmenplans hängen an einer klaren politischen Positionierung der gesamten Regierung für Gleichstellungspolitik. Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe muss damit verbindlich und ressortübergreifend auf die gesamte politische Agenda gesetzt werden. Erforderlich ist insoweit eine bereits mit der Strategie des Gender Mainstreaming avisierte, aber nicht erfolgreich implementierte „Übergabe“ der Verantwortung für Gleichstellungspolitik vom Gleichstellungsressort an die jeweiligen Fachressorts, die aktiv sowohl in den Governance-Strukturen als auch in inhaltliche Fragestellungen einbezogen werden und mit den nötigen Gender-Kompetenzen ausgestattet sein müssen.
Qualitätstandards von Rahmenplänen  sind der breite Ansatz und die fachliche Fokussierung, das Schnüren von Maßnahmenpaketen in bestimmten Handlungsfeldern, die Entwicklung klarer Zielvorgaben, die Abstimmung darüber, wie diese zu erreichen sind (Umsetzung), die Klärung von Zuständigkeiten, wer diese zu erreichen hat, und die Festlegung eines Zeitrahmens, innerhalb dessen diese messbaren Zielvorgaben (Ergebnisse) erreicht werden sollen. Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind inhaltlich einzubinden und einzelne gleichstellungspolitische Instrumente sinnvoll zu platzieren. Ein Monitoring des Rahmenplans sollte in der Lage sein, trotz politischen Erfolgsdrucks die Notwendigkeit von Änderungen einzelner Maßnahmen deutlich werden zu lassen. Notwendig sind insoweit Strukturen, die eine ständige Fortentwicklung des Plans zulassen.
Erfolgversprechende Governance von Gleichstellungspolitik benötigt klare Governance-Strukturen und ein gutes Projektmanagement. Die Verantwortung der demokratisch legitimierten politischen Akteure ist eindeutig und muss auch deutlich werden. Ein Konsultationsprozess ändert daran nichts, ist aber entscheidende Komponente. Konsultation muss moderiert werden, und Moderation ist keine technisch-praktische Aufgabe, sondern eine fachlich anspruchsvolle Funktion, für die Gleichstellungs-Fachwissen essentiell ist.
Als Querschnittsaufgabe muss Gleichstellung als strategische Planung durch eine hochrangig und durch alle Ressorts besetzte Arbeitsgruppe politisch gesteuert werden. Eine interministerielle Arbeitsgruppe auf niedriger Ebene genügt dazu nicht. Eine Geschäftsstelle muss über Projektmanagementkompetenz, vertiefte Erfahrung in der Gleichstellungspoltik und ausgewiesene Genderkompetenz verfügen. Dabei sind Akzeptanz und Vertrauen bei allen Beteiligten wichtig. Das Prinzip der partizipativ-konsultativen Erarbeitung eines Planes ist durch einen transparenten, aktiv kommunizierten Konsultationsprozess insbesondere auch mit der Zivilgesellschaft sowohl zur Erarbeitung von Handlungsfeldern und Zielen als auch zur Umsetzung des Planes  und zum Umsetzungsmonitoring zu sichern. Dabei muss zwingend mehrdimensionale Gleichstellungspolitik auf neue Akteurskonstellationen achten, in denen z.B. Geschlechterpolitik und andere Gleichstellungspolitiken zusammengeführt werden können. Um eine breite Beteiligung auch gerade marginaler, also von fehlender Gleichberechtigung eventuell besonders betroffener Stimmen aus der Zivilgesellschaft sicherzustellen, sollten finanzielle Mittel bereitgestellt werden.
Letztlich scheint es angesichts der internationalen Erfahrungen mit strategischen Gleichstellungsplänen auch zur Überwindung der gleichstellungspolitischen Stagnation auf Bundesebene sinnvoll und erforderlich, einen gleichstellungspolitischen Rahmenplan als verbindliches und ressortübergreifendes Instrument zu realisieren. Mit entsprechend differenzierten Governance-Arrangements ließen sich die Erfolgsaussichten von Gleichstellungspolitik erheblich verbessern.
       

Erarbeitet von Rahel Gugel
 
erstellt von Petra Rost zuletzt verändert: 12.07.2010 14:14