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Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik – die Schweizer Gender equality machinery

Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik – die Schweizer „Gender equality machinery“

Rückblick auf die Entwicklungen seit den 70er Jahren

Zum internationalen Jahr der Frau 1975 wurde eine Studie im Auftrag der schweizerischen UNESCO-Kommission veröffentlicht, welche belegt, dass Frauen in der Schweiz im öffentlichen wie im privaten Leben eine erhebliche Diskriminierung erfahren. Unter anderem deswegen entschloss sich der Bundesrat, eine Kommission für Frauenfragen zu schaffen (Violi/ Keller 2001: 7). Seit der Einsetzung der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) im Jahre 1976 und vor allem durch das 1971 eingeführte Stimm- und Wahlrecht für Frauen hat sich die Gleichstellungslandschaft der Schweiz sehr verändert. Ab dem Ende der 60er Jahren entstanden eine Vielzahl von AkteurInnen, welche sich für die Anliegen der Frauen und für die Gleichstellung von Frauen und Männer einsetzten. Hinzu kommt eine Institutionalisierung der Frauen- und Gleichstellungspolitik innerhalb von Verwaltungen, die 1979 mit dem ersten Gleichstellungsbüro der Schweiz im Kanton Jura den Auftakt machte. Außerdem werden seit den 70er Jahren in verschiedenen Städten (z.B. 1974 in Zürich) Frauenzentren eröffnet (Violi/ Keller 2001: 7, 10).

Im internationalen Vergleich nimmt die Schweiz betreffend von Ratifizierungen von UNO-Konventionen keine Vorreiterrolle ein. Die Ratifizierungen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erfolgte 1974 und erst 1997 trat die Schweiz dem Übereinkommen gegen Frauendiskriminierung (CEDAW) bei (Schläppi 2003: 25).

Aktionsplan 1999

Der Aktionsplan der Schweiz zur Gleichstellung von Frau und Mann (Aktionsplan 1999) versteht sich als nationale Umsetzung in Folge der Aktionsplattform der 4. UNO-Weltfrauenkonferenz in Beijing von 1995. Im Auftrag des Bundesrates erarbeitete eine interdepartementale Arbeitsgruppe (15 Bundesämter und rund 50 Nicht-Regierungsorganisationen) 1999 den Aktionsplan, welcher der erste Schritt zu einer systematischen, umfassenden und prospektiven Umsetzung programmatischer Ansätze zur Gleichstellung durch die Bundesverwaltung ist (Schläppi 2003: 28). Die Maßnahmen sind in die zwölf folgenden Themenbereiche unterteilt: Armut, Bildung, Gesundheit, Gewalt, Bewaffnete Konflikte, Wirtschaft, Macht- und Entscheidungspositionen, Institutionelle Mechanismen, Menschenrechte, Medien, Umwelt, Mädchen, Finanzen und Strukturen. Viele der Maßnahmen dieser Aktionsfelder sind Querschnittsaufgaben, welche in mehr als einem Themenbereich angegangen werden sollen (Aktionsplan 1999: 10). Dementsprechend richten sich viele Maßnahmen an mehrere AdressatInnen. Für die Umsetzung der Maßnahmen sind in erster Linie die Regierung beziehungsweise die Behörden auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene zuständig. Aufgerufen sind auch alle öffentlichen und privaten Institutionen und Stellen, die Gleichstellung von Frau und Mann zu realisieren, insbesondere Nicht-Regierungsorganisationen, die Arbeitgebenden, Gewerkschaften, Bildungsinstitutionen und Medien (Aktionsplan 1999: 11).
Auch wenn der Aktionsplan formal nicht verbindlich ist, kommt er einer politischen sowie einer moralischen Verpflichtung gleich und liefert einen Rahmen für die Bemühungen um Gleichstellung, Entwicklung und Frieden (Aktionsplan 1999: 8, 11).
Dem Aktionsplan vorangestellt sind 15 Prioritäten, die für die künftigen frauen- und gleichstellungspolitischen Schwerpunkte der Schweiz richtungweisend sind (Aktionsplan 1999: 14f):
  1. „Einen konzeptuellen Rahmen und eine Methodologie für einen umfassenden Gleichstellungsansatz erarbeiten und bei allen Programmen, Politiken und Praktiken anwenden (gender mainstreaming).“
  2. „Die bisherigen Bemühungen und Anerkennung und Anwendung aller in der Bundesverfassung wie auch in den einschlägigen internationalen Instrumenten festgeschriebenen Grundrechte der Frauen weiter führen und verstärken und dabei die Regelungen zur Beseitigung direkter und indirekter Diskriminierungen berücksichtigen.“
  3. „Den gleichen Zugang und volle Teilhabe der Frauen an Macht- und Entscheidungspositionen auf allen Ebenen fördern, im öffentlichen wie im privaten Bereich, insbesondere in der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft.“
  4. „Die berufliche Gleichstellung von Frau und Mann verwirklichen, namentlich die Lohngleichheit, und die Vereinbarkeit von familialen, sozialen und beruflichen Tätigkeiten, die dieses Anliegen berücksichtigt.“
  5. „Präventions- und Interventionsprogramme gegen Gewalt an Frauen entwickeln und die Information und Koordination der Aktivitäten auf Bundesebene verbessern.“
  6. „Sammeln, analysieren und verbreiten von nach Geschlecht aufgeschlüsselten Statistiken und qualitative Studien, die über die biografischen Besonderheiten von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen Auskunft geben.“
  7. „Gleichstellungsstellen auf allen Ebenen aufbauen und verstärken und die dafür nötigen Mittel bereitstellen.“
  8. „Chancengleichheit in der Erziehung und Ausbildung von Mädchen und Knaben sicherstellen und dabei besonders auf die indirekten Diskriminierungen im heutigen Bildungssystem achten.“
  9. „Chancengleichheit bei der laufenden Umgestaltung von Berufsbildung, höherer und universitärer Bildung zu einem wichtigen Ziel machen.“
  10. „An den Universitäten, Hochschulen und anderen Institutionen Geschlechterstudien (Frauenstudien oder gender studies) einführen und weiterentwickeln.“
  11. „Die Weiterbildung in Sachen Gleichstellung von Frau und Mann, insbesondere für Führungskräfte, entwickeln und sicherstellen.“
  12. „Die Verbreitung eines nicht-stereotypen und gleichberechtigten Frauen- und Männerbildes durch die Medien fördern.“
  13. „ Die Information und Ausbildung im Bereich der Menschenrechte und der gewaltfreien Konfliktlösung unter Einbezug der Geschlechterperspektive weiterentwickeln.“
  14. „Sicherstellen, dass öffentliche Gelder Frauen und Männern in gleichem Mass zugute kommen.“
  15. „Bei allen bilateralen und multinationalen Aktivitäten der Schweiz die Geschlechterperspektive einbeziehen und die Bemühungen anderer Länder und der internationalen Organisation um Verwirklichung der Gleichstellung unterstützen.“
2002 wurde der erste Bericht des Bundesrates über die Umsetzung des Aktionsplans der Schweiz veröffentlicht (Umsetzung des Aktionsplans der Schweiz 2002). Der Bericht gibt einen Einblick in die Arbeit der Bundesverwaltung und zeigt auf, welche Bereiche prioritär behandelt (zum Beispiel die Bildung und die Wirtschaft) und welche vernachlässigt wurden (zum Beispiel Medien und Umwelt). Laut Bericht können drei zentrale Punkte herausgearbeitet werden.
Ersten wurden die meisten Maßnahmen des Aktionsplans, welche sich an die Bundesbehörden richten, umgesetzt, manchmal nur teilweise, manchmal auch sehr umfassend. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung lassen sich hauptsächlich auf fehlende Mittel zurückzuführen. Mehrere Maßnahmen wurden nicht umgesetzt, weil sie für das betreffende Departement oder Amt keine Priorität darstellten.
Zweitens wurde festgestellt, daß der Aktionsplan selten als Arbeitsinstrument verwendet wurde und die Ämter und Departemente keine Umsetzungsstrategie entwickelten. Weiter wird ausgeführt, dass der Aktionsplan vor allem an Personen abgegeben wurde, die sich bereits für Gleichstellungsfragen interessieren.
Die dritte Feststellung betrifft die Bedeutung des Gender Mainstreaming. Im Aktionsplan wird GM an erster Stelle gesetzt. Doch ist diese Strategie nicht nur zu wenig bekannt, sondern wird häufig mit der betrieblichen Frauenförderung verwechselt. Der Bericht zeigt auf, dass es Aufgabe des Bundesrates, der Departemente und Ämter ist, ihre Bemühungen fortzusetzen und geeignete Instrumente zu entwickeln und anzuwenden, um der in der Bundesverfassung verankerten Artikel zur Gleichstellung von Frauen und Männer zu verwirklichen (Umsetzung des Aktionsplans der Schweiz 2002: 3f).
Die NGO-Koordination Post-Beijing - bestehend aus rund 20 Organisationen, die sich gemeinsam für die Frauenrechte einsetzen - und die Schweizer Sektion von Amnesty International haben einen NGO-Evaluation zur Umsetzung des Schweizer Aktionsplans zur Gleichstellung von Frau und Mann verfasst (NGO-Evaluation 2002). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es insgesamt ein unbefriedigendes Bild ist, was sich aus dem Bericht der Umsetzung des Aktionsplans ergibt. Gemessen an den Zeitfristen, welche sich der Bund stellte, werden die Ziele zu langsam umgesetzt. Dies führt die NGO-Koordination zum Schluss, daß es für die Gleichstellungspolitik in der Bundesverwaltung ein Controlling braucht, welches fest verpflichtet sein soll. Darüber hinaus müssen die Empfehlungen des Aktionsplans für verbindlich erklärt werden. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass von der Freiwilligkeit allein die Gleichstellungspolitik des Bund nicht vorankommt (NGO-Evaluation 2002, 3-6).

Gender Mainstreaming

An der 4. UNO-Weltfrauenkonferenz in Beijing wurde in der verabschiedeten Aktionsplattform die Strategie Gender Mainstreaming verankert. Auch die Schweiz hat im Aktionplan von 1999 die Anwendung der Gender Mainstreaming Strategie vorgesehen (Gender Mainstreaming in der Bundesverwaltung 2003: 7). Als erste kantonale Regierung verpflichtet der Genfer Staatsrat 2000 seine Verwaltung auf Gender Mainstreaming. 2001 verankert der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt das Prinzip Gender Mainstreaming im Politikplan für die Legislaturperiode von 2001-2005. Auch in der Bundesverwaltung sowie im Zürcher Stadtrat werden erste Gender Mainstreaming-Pilotprojekte gestartet.

StSch
 
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06