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Rechtsgrundlagen

Rechtliche Grundlagen von Gender Mainstreaming

Gender Mainstreaming muss sich als Gleichstellungsstrategie auch an den Vorgaben orientieren, die Verfassung, Gesetzgebende und Gerichte für diesen Bereich entwickelt haben. Soweit es sich um Akteure und Akteurinnen handelt, die rechtlich gebunden sind - also die öffentliche Verwaltung, teilweise aber auch die private Wirtschaft und andere Organisationen -, ist die Entscheidung, Gender Mainstreaming überhaupt zu betreiben, und auch die Entscheidung, welche Einzelziele mit Hilfe der Instrumente des Gender Mainstreaming verfolgt werden, juristisch getroffen worden. Hier finden sich die wichtigsten Normen, die Gleichstellung als Ziel vorgeben. Sie beziehen sich auf verschiedene Ebenen (International, Europäische Union, Bundesrepublik Deutschland, Bundesländer) und richten sich also an verschiedene Akteure und Akteurinnen in unterschiedlichen Handlungsfeldern und Sachgebieten.

Internationale Abkommen

In Umsetzung der Aktionsplattform der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 ist die Bundesrepublik verpflichtet, die Einführung von Gender Mainstreaming zu prüfen und ein Konzept zur Umsetzung zu entwickeln.

Völkerrechtlich besonders relevant für Gender Mainstreaming ist die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW, kurz: Frauenrechtskonvention), die auch von der BRD ratifiziert wurde und somit den Rang eines Gesetzes hat. Die CEDAW umfasst selbstverständlich das Gleichstellungsgebot und macht Vorgaben zur Gleichstellung in zahlreichen Lebensbereichen. Ratifiziertes internationales Recht gilt in Deutschland im Rang eines Gesetzes. Weitere Informationen zur CEDAW finden Sie hier.

Über das Diskriminierungsverbot hinausgehend hebt die Allgemeine Erklärung der kulturellen Vielfalt der UNESCO 2001 (Art. 4) die Schutzwürdigkeit von Vielfalt hervor: "Die Verteidigung kultureller Vielfalt ist ein ethischer Imperativ, der untrennbar mit der Achtung der Menschenrechte verknüpft ist."

Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Im Europarecht stellen die Gemeinschaftsverträge die grundlegenden geschlechterpolitischen Weichen. Seit der Amsterdamer Revision der Europäischen Verträge, die am 1. Mai 1999 in Kraft trat, sind zwei Regelungen hervorzuheben, die den europäischen Organen verbindlich vorgeben, Gleichstellung immer mitzudenken und aktiv zu fördern:

 
 

Art. 2 EGV: "Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft (...) die Gleichstellung von Männern und Frauen (...) zu fördern."

 

Art. 3 Abs. 2 EGV: "Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern."

 

Die Verträge verdeutlichen auch, dass es bei "Gender" immer um Frauen und Männer in ihrer Verschiedenheit und Heterogenität geht. So zielt Art. 13 EGV auf "Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung".

Arbeitsrecht

 
  • Schon 1957 wurde das Lohndiskriminierungsverbot festgeschrieben, das mit dem Amsterdamer Vertrag erweitert wurde und nun in Art. 141 EGV Abs. 4 betont, dass die Förderung eines benachteiligten Geschlechts nicht etwa Gleichheitsrecht verletzt, sondern dazu dient, das Diskriminierungsverbot zu verwirklichen.
  • Durch Richtlinien wurde das Diskriminierungsverbot auf weitere Bereiche des Erwerbslebens ausgedehnt und ausdifferenziert. Besonders hervorzuheben sind hier die drei neuen Antidiskriminierungsrichtlinien:
  • 2000/43/EG untersagt Diskriminierung aufgrund von "Rasse" und ethnischer Herkunft,
  • 2000/78/EG untersagt Diskriminierung im beruflichen Bereich wegen der Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung und
  • 2002/73/EG aktualisiert die frühere Gleichstellungsrichtlinie, z.B. bezüglich sexueller Belästigung und indirekter Diskriminierung.
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    Neben den Richtlinien ist die Rechtsprechung des EuGH von Bedeutung für Änderungen des Gleichstellungsrechts in den Mitgliedstaaten.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Gleichstellungspolitik der EU allgemein, zu ihren programmatischen Grundzügen und ihren institutionellen Akteuren.


Rechtsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland

Das Ziel der tatsächlichen Gleichstellung ist für das gesamte staatliche Handeln in der Bundesrepublik im Grundgesetz verfassungsrechtlich vorgegeben:

Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) verbietet generell Diskriminierung:

 
  • Abs. 1: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."
  • Abs. 3: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
  • Art. 3 Abs. 2 GG bestimmt nach der Reform von 1994 nicht nur: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", sondern nimmt den Staat nunmehr ausdrücklich in die Pflicht, "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" zu fördern und "auf die Beseitigung bestehender Nachteile" hinzuwirken.

Konkretisiert wird die Förderung der Gleichberechtigung in zahlreichen Bundesgesetzen. Für öffentliche Akteure und Akteurinnen, also insbesondere für Verwaltungen gelten folgende geschlechterpolitische Vorgaben:

 
  • § 2 Bundesgleichstellungsgesetz (BgleiG) verpflichtet alle Beschäftigten der Bundesverwaltung, insbesondere Führungskräfte, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und diese Verpflichtung als durchgängiges Leitprinzip in allen Aufgabenbereichen der Dienststelle zu berücksichtigen. § 1 Abs. 2 BGleiG verpflichtet die Bundesverwaltung, die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen.
  • Das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz (DGleiG) konkretisiert die Maßnahmen zur Gleichstellung.
  • Das Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG) verpflichtet den Bund, darauf hinzuwirken, dass eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien, für die er Berufungs- oder Entsenderechte hat, geschaffen wird.

Für die Arbeit der Bundesministerien gilt die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung (GGO) :

 
 
  • § 2 GGO besagt: "Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip und soll bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden (Gender Mainstreaming)."

    Mit dem Prozess der Rechtsetzung befasst sich Kapitel 6 GGO:

     
    • § 45 Abs. 1 i.V.m. Anlage 6 Nr. 9a GGO schreibt die Beteiligung des BMFSFJ zu der Frage vor, ob durch das Gesetz bzw. die Rechtsverordnung Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung zu erwarten sind.
    • § 44 Abs. 1 GGO bestimmt die Gesetzesfolgen als beabsichtigte Wirkungen und unbeabsichtigte Nebenwirkungen eines Gesetzes. Diese sind - auch hinsichtlich ihrer gleichstellungspolitischen Bedeutung - zu analysieren und in der Begründung darzustellen (vgl. § 44 Abs. 1  i.V.m. § 2 GGO).
    • § 42 Abs. 5 GGO verpflichtet, die Gleichstellung sprachlich zum Ausdruck zu bringen.

    Die folgenden Gesetze gehören zum Bereich der externen Steuerung (d.h. sie richten sich nach außen, an gesellschaftliche Akteure und Akteurinnen).

     

    Die Arbeitsförderung regelt das Dritte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III):

     
     
     
    • § 8 Abs. 1, Frauenförderung: "Zur Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen ist durch die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung des geschlechtsspezifischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinzuwirken."
    • § 8a, Vereinbarkeit von Familie und Beruf: "Die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sollen in ihrer zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern berücksichtigen, die aufsichtsbedürftige Kinder betreuen und erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen oder nach diesen Zeiten wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen."

    Zur Kinder- und Jugendhilfe bestimmt § 9 Nr. 3 SGB VIII: Bei der Aufgabenerfüllung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe "sind die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern."

    Für das private und öffentliche Arbeitsrecht gilt seit August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot ergibt sich aus § 7 AGG. Auch das Betriebsverfassungsgesetz und des Personalvertretungsrecht enthalten Vorschriften, in denen Arbeitgebende und Betriebsräte verpflichtet werden, sich gegen Diskriminierung zu engagieren.

    Im Versicherungsrecht gilt schon bisher ein Verbot ethnischer Diskriminierung (§ 81e VAG). Ein Richtlinienentwurf der EU-Kommission (KOM (2003) 657, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen), der die ungleichen Krankenversicherungsbeiträge als geschlechtliche Diskriminierung ausmacht und untersagt, wird momentan kontrovers debattiert.

    Eine erste Folge für bundesdeutsches Recht ist das Verbot von geschlechtsabhängigen Tarifen in staatlich geförderten privaten Vorsorgeleistungen ("Riester-Rente"), die somit für diskriminierend erklärt werden. Private Krankenversicherungen sind jedoch nur mittelbar an das Diskriminierungsverbot gebunden (vgl. Gender-Aspekte in privaten Krankenversicherungen).

    Rechtsvorschriften in den Bundesländern

    Der Gleichstellungsgrundsatz ist in den meisten Bundesländern in den Landesverfassungen verankert.

    Die Verpflichtung, diese Gleichstellung tatsächlich zu verwirklichen, sei es durch "wirksame Maßnahmen" oder durch "Ausgleich bestehender Ungleichheiten", ist ebenfalls in der Mehrzahl der Verfassungen festgehalten. Hier finden Sie einen Überblick der Gleichstellungsgrundsätze der Bundesländer als PDF-Liste.

    Desgleichen haben alle Bundesländer Gleichstellungsgesetze erlassen. Hier finden Sie eine Zusammenstellung der Gleichstellungsgesetze.

    Weiterführende Literatur:

     
    • Baer, Susanne: Gender Mainstreaming als Operationalisierung des Rechts auf Gleichheit. Ausgangspunkte, Rahmen und Perspektiven einer Strategie, in: Bothfeld, Silke/ Gronbach Sigrid/ Riedmüller, Barbara (Hg.): Gender Mainstreaming - eine Innovation in der Gleichstellungspolitik. Zwischenberichte aus der politischen Praxis, Frankfurt a.M. 2002.
    • Baer, Susanne: Recht auf Vielfalt. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Managing Diversity, in: Belinszki, Eszter / Hansen, Katrin / Müller, Ursula (Hg.): Diversity Management. Best Practices im internationalen Feld, Münster 2003, S. 44-59.
    erstellt von Administrator zuletzt verändert: 09.05.2012 14:00