„Erklärungsmodelle für die Unterrepräsentanz von Frauen in Kommunalparlamenten“
Gender Lecture mit Dr. Elke Wiechmann am
22.06.09 im Rahmen des Schwerpunktthemas: „Mehr als Köpfe zählen?
Politische Beteiligung und Gender“
Sind der Kommunalpolitik die Frauen ausgegangen? Stellen Parteien nicht genügend Frauen als Kandidatinnen auf? Woran liegt es, dass in Deutschlands Kommunen keine ausgeglichene Frauenrepräsentanz in den Parlamenten existiert? Was hindert die Parteien daran eine geschlechterparitätische Repräsentation zu gewährleisten?
Dr. Elke Wiechmann stellte in ihrem Vortrag ein Modell vor, das die Bedeutung von Parteien und des politischen Wahlrechtsverfahrens auf ihre Wirkungsmechnanismen hinsichtlich der politischen Repräsentanz von Frauen analysiert und zeigt, dass eine paritätische Besetzung politischer Ämter möglich ist. Entscheidend dafür ist die Einführung und konsequente Beachtung einer Quote, wie sich am Beispiel von Bündnis 90/Die Grünen und Frankreich zeigt, sowie die Änderung des Wahlrechtssystems.
„Eigentlich kann es nicht sein, dass es in Großstädten keine Frauen für die Politik gibt“, so die Ausgangsthese Wiechmanns.
Obwohl Frauen mit durchschnittlich einem Drittel in Kommunalparlamenten nicht schlechter vertreten sind als in Landesparlamenten und im Bundestag, finden sich auf der Ebene der Großstädte große lokale Unterschiede wieder. So sind in München fast die Hälfte aller Ratsmitglieder Frauen, in Salzgitter hingegen nur 15%. Und in kleineren Kommunen in Gemeinde- und Stadträten sind es noch weitaus weniger, erläuterte Wiechmann. Wie es zu dieser Unterrepräsentation kommt, ist in der politikwissenschaftlichen Diskussion durch eine Reihe von Erklärungsansätzen dargestellt (vgl. Abels):
Die Quote macht's
Entscheidend für die Realisierung einer paritätischen Zusammensetzung ist, ob Parteien interne Quoten haben und wie ambitioniert sie diese umsetzen, sagte Wiechmann. Denn die Anwesenheit von ehrgeizigen Quotenparteien in Parlamenten erhöht über den Parteienwettbewerb auch den Frauenanteil der anderen Parteien, wie ein Rückblick über die Entwicklung der Quote in Deutschland zeigt.
Die parlamentarische Repräsentanz von Frauen ist seit den 1980er bis in die 1990er Jahre hinein auf allen Ebenen stark angestiegen. In den deutschen Großstädten stieg sie von 14,8% (1980) auf 32,3% (1996) an. Wiechmann führte aus, dass hierzu das Zusammenspiel von freiwilligen Parteienquoten und Parteienwettbewerb einen großen Anteil gehabt hat. So ist zu beobachten, dass seit 1983 mit dem Einzug der Grünen Partei in die Parlamente - als erste Partei mit hoher Frauenquote (50%) in der Bundesrepublik - die SPD und dann auch die CDU unter erheblichen Anpassungsdruck setzte und ebenfalls Quoten und Quoren auf niedrigerem Niveau einführten. Binnen weniger Wahlperioden kam es dadurch zu einem erheblichen Anwachsen der weiblichen Parlamentsanteile auf der Bundes- aber auch auf der kommunalen Ebene.
Lag die Frauenrepräsentanz in den Jahrzehnten vor dem Einzug der Grünen im Bundestag zwischen 6% bis 8%, kam es 1987 zu einem plötzlichen Sprung des weiblichen Anteils der Bundestagsabgeordneten auf 15,4% und 1990 auf 20,5%. Allerdings ist in den letzten Jahren sowohl für die Großstädte als auch für die Landesparlamente und den Bundestag eher eine Stagnation zu verzeichnen.
Je wichtiger die Ämter in der Kommunalpolitik werden, desto stärker ausgeprägt ist die Unterrepräsentanz von Frauen. Der Frauenanteil unter allen Ratsmitgliedern in deutschen Großstädten liegt bei 32,8%. Bei den Ausschussvorsitzenden ist nur noch ein Anteil von 25,9% zu verzeichnen, bei den Fraktionsvorsitzenden 20,6%, bei den Führungskräften in der Verwaltung 18,5% und bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern 17,7%. Die Quote alleine bewirkt also noch keineswegs den Weg in politische Spitzenämter.
Die Akzeptanz und Einhaltung der Quote ist nach Wiechmann dennoch ein entscheidender Aspekt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern auf Entscheidungspositionen. Genau dies ist jedoch in den einzelnen Parteien problematisch. Bis auf die Grünen halten die Quotenparteien ihre Vorgaben nicht ein, obwohl sie im Vergleich zu den Grünen weitaus mehr Mitglieder und dadurch im Verhältnis auch mehr Frauen in der Partei haben.
Als Erklärungen begegneten Wiechmann in ihren Interviews zahlreiche Begründungen, die zusammengefasst aber vor allem bei den Frauen selbst ansetzten - die strukturellen Rahmenbedingen hingegen wurde nicht reflektiert.
Wahlrechtssystem & Nominierungsverfahren
Auch das Wahlrecht spielt eine bedeutende Rolle für die gleiche Beteiligung von Frauen, denn die personalisierte Verhältniswahl in Deutschland führt dazu, dass insbesondere bei den großen Volksparteien die Unterrepräsentanz von Frauen stärker ausgeprägt ist, stellte Wiechmann dar.
Gerade die Kreisverbände in den großen Parteien werden zum Nadelöhr für weibliche Abgeordnete im Bundestag oder in Landtagen, denn die Kreisverbände nominieren insgesamt deutlich zu wenig weibliche Direktkandidatinnen und unterlaufen damit ihre Quoten bzw. Quoren. Hier treffen Frauen oft auf Ausschlussmechanismen aufgrund informeller Nominierungspraktiken innerhalb des Direkandidaturenprozesses. Denn die Vorauswahl der Direktkandidatinnen und Direktkandidaten findet meist in Hinterzimmern ohne Parteiöffentlichkeit in den Führungsgruppen auf der Kreis- bzw. Unterbezirksebene statt. Diese sind meist informelle männlich dominierte Parteizirkel, zu denen insbesondere junge Frauen schwer Zugang finden. Eine formalisierte parteiinterne Nachwuchsförderung oder eine Reflexion der eigenen Arbeits- und Kommunikationskultur gibt es oft nicht.
So haben Frauen als Landesdeligierte zwar relativ gute Zugangsmöglichkeiten und in den Quotenparteien wird die angestrebte Frauenrepräsentanz auf den Landeslisten häufiger erreicht, in den informellen Nominierungsnetzwerken auf lokaler Eben sind sie jedoch stark unterrepräsentiert, weil sie hier selten zentrale Parteiämter einnehmen.
Wer also an der Frauenabstinenz von ehrgeizigen Quotenparteien in Stadt- und Gemeinderäten etwas ändern will, muss bei den Parteien ansetzen, an ihren Rekrutierungs- und Nominierungsverfahren wie auch an ihrer Bereitschaft Quoten wirksam umzusetzen.
Dass eine geschlechtergerechte Repräsentanz in den Kommunalparlamenten möglich ist, zeigt Wiechmann anhand eines Beispiels aus Frankreich.
In Frankreich ist aufgrund des Paritätsgesetzes der Anreiz Kandidatinnen in den Kommunen aufzustellen weitaus höher. Das Gesetz sieht für die kommunalen Parlamente (nicht für das Nationalparlament) vor, dass alle Parteien bei den Kommunalwahlen 50% der Listenplätze mit Frauen besetzen und diese auf die oberen Listenplätze bezogen werden müssen. Können oder wollen die Parteien die Kandidatinnenquote nicht erfüllen, werden sie zur Wahl nicht zugelassen.
Waren vor dem Paritätsgesetz in den Kommunen mit mehr als 3.500 Einwohner_innen 1995 nur 25,7% der Kommunalparlamentarier_innen weiblich, so hat sich der Frauenanteil im Jahre 2001 nahezu verdoppelt und blieb auch 2008 auf sehr hohem Niveau. Auch in kleinen Kommunen zwischen 3.500 und 9.000 Bürgerinnen und Bürger ist in kürzester Zeit ein Frauenanteil von 47,4% realisiert worden, wobei kein besonderer Wert auf parteipolitische Bindung gelegt wurde.
Hätten die Parteien in Deutschland einen stärkeren Anreiz Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen, dann gäbe es auch in kleineren und mittleren Kommunen wahrscheinlich ausreichend Kandidatinnen, schloss Dr. Elke Wiechmann ihren Vortrag.
In der abschließenden Diskussion wurde die Organisation der Ortsvereine insbesondere hinsichtlich der Arbeits- und Kommunikationskultur diskutiert. Diese wird neben nicht vorhandener Anwerbungs- und Einarbeitungsmechanismen als ein wichtiger Grund für den Ausschluss von Frauen, wie auch jüngeren Menschen, innerhalb des kommunalpolitischen Engagements gesehen. In diesem Kontext ist auch die Kritik an den arbeitsorganisatorischen Anforderungen politischer Arbeit zu sehen. Politische Arbeit verlangt ihren ehrenamtlichen Aktiven eine derart hohe Zeitinvestition und Terminflexibilität ab, wie in keinem anderen Ehrenamt. Schon die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit mit dem freiwilligen Engagement ist sehr schwierig, kommen noch Betreuungsverpflichtungen hinzu, scheint die Koordinierung und Bewältigung schier unmöglich zu werden. Frauen engagieren sich u. a. deswegen oft in anderen Bereichen.
Offen blieb, inwieweit politikwissenschaftliche Analysen die These, wonach Frauen von der Wählerschaft nicht gewählt werden, stützen. Klar wurde allerdings anhand des Beispiels aus Bayern – dort beträgt der Anteil von Frauen in den Großstadtparlamenten 40% - dass hier noch reichlich Überprüfungsdbedarf besteht.
In Anbetracht dieser Tatsache bleibt die gesetzliche Quotenregelung eine wichtige Maßnahme zur Auflösung der Exklusionsmechanismen.
Zur Vortragenden:
Dr. Elke Wiechmann ist seit 2008 wissenschaftliche Angestellte an der FernUniversität Hagen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Gebieten Partizipation, Gender und Gleichstellung, Wandel des öffentlichen Sektors (Verwaltungsmodernisierung), Managementkulturen, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sowie Demographie. Sie promovierte 2006 zum Thema 'Gleichstellungspolitik als Machtspiel. Eine mikropolitische Analyse der Gleichstellungspolitik in kommunalen Reorganisationsprozessen' an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2000 ist sie ebenfalls freiberufliche Wissenschaftlerin in den Bereichen Forschung, (Praxis-)Begleitung und Beratung, Qualifizierung. 1997 – 2000 war sie Beraterin im Netzwerk “Kommunen der Zukunft” ein Zusammenschluss der Hans-Böckler-Stiftung, der Bertelsmann Stiftung und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung. Sie hatte verschiedene wissenschaftliche Tätigkeiten an der Fern Universität Hagen und der Philipps-Universität Marburg übernommen.
Veröffentlichungen:
Sind der Kommunalpolitik die Frauen ausgegangen? Stellen Parteien nicht genügend Frauen als Kandidatinnen auf? Woran liegt es, dass in Deutschlands Kommunen keine ausgeglichene Frauenrepräsentanz in den Parlamenten existiert? Was hindert die Parteien daran eine geschlechterparitätische Repräsentation zu gewährleisten?
Dr. Elke Wiechmann stellte in ihrem Vortrag ein Modell vor, das die Bedeutung von Parteien und des politischen Wahlrechtsverfahrens auf ihre Wirkungsmechnanismen hinsichtlich der politischen Repräsentanz von Frauen analysiert und zeigt, dass eine paritätische Besetzung politischer Ämter möglich ist. Entscheidend dafür ist die Einführung und konsequente Beachtung einer Quote, wie sich am Beispiel von Bündnis 90/Die Grünen und Frankreich zeigt, sowie die Änderung des Wahlrechtssystems.
„Eigentlich kann es nicht sein, dass es in Großstädten keine Frauen für die Politik gibt“, so die Ausgangsthese Wiechmanns.
Obwohl Frauen mit durchschnittlich einem Drittel in Kommunalparlamenten nicht schlechter vertreten sind als in Landesparlamenten und im Bundestag, finden sich auf der Ebene der Großstädte große lokale Unterschiede wieder. So sind in München fast die Hälfte aller Ratsmitglieder Frauen, in Salzgitter hingegen nur 15%. Und in kleineren Kommunen in Gemeinde- und Stadträten sind es noch weitaus weniger, erläuterte Wiechmann. Wie es zu dieser Unterrepräsentation kommt, ist in der politikwissenschaftlichen Diskussion durch eine Reihe von Erklärungsansätzen dargestellt (vgl. Abels):
- Frauen haben auf Grund ihrer traditionellen Rollenzuweisung tendenziell ein geringeres Interesse an Politik (Sozilisationsthese),
- Frauen verfügen auf Grund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und Doppelbelastung über zu wenig Zeit für politische Arbeit (Abkömmlichkeitsthese),
- Frauen sind seltener als Männer in beruflichen oder ehrenamtlichen Führungspositionen vertreten, die die Aussicht auf ein politisches Mandat erhöhen (Sozialstrukturthese),
- Frauen werden auf Grund der „old-boys-network“ - Strukturen in Parteien bewusst von wichtigen Ämtern ausgeschlossen (Diskriminierungsthese),
- die Nichtpräsenz von Parteien mit hohen Quotenregelungen in Parlamenten führt zur Unterrepräsentanz von Frauen (Quotenthese),
- Wählerinnen und Wähler entscheiden sich eher für Männer als für Frauen (Wahlverhalten).
Die Quote macht's
Entscheidend für die Realisierung einer paritätischen Zusammensetzung ist, ob Parteien interne Quoten haben und wie ambitioniert sie diese umsetzen, sagte Wiechmann. Denn die Anwesenheit von ehrgeizigen Quotenparteien in Parlamenten erhöht über den Parteienwettbewerb auch den Frauenanteil der anderen Parteien, wie ein Rückblick über die Entwicklung der Quote in Deutschland zeigt.
Die parlamentarische Repräsentanz von Frauen ist seit den 1980er bis in die 1990er Jahre hinein auf allen Ebenen stark angestiegen. In den deutschen Großstädten stieg sie von 14,8% (1980) auf 32,3% (1996) an. Wiechmann führte aus, dass hierzu das Zusammenspiel von freiwilligen Parteienquoten und Parteienwettbewerb einen großen Anteil gehabt hat. So ist zu beobachten, dass seit 1983 mit dem Einzug der Grünen Partei in die Parlamente - als erste Partei mit hoher Frauenquote (50%) in der Bundesrepublik - die SPD und dann auch die CDU unter erheblichen Anpassungsdruck setzte und ebenfalls Quoten und Quoren auf niedrigerem Niveau einführten. Binnen weniger Wahlperioden kam es dadurch zu einem erheblichen Anwachsen der weiblichen Parlamentsanteile auf der Bundes- aber auch auf der kommunalen Ebene.
Lag die Frauenrepräsentanz in den Jahrzehnten vor dem Einzug der Grünen im Bundestag zwischen 6% bis 8%, kam es 1987 zu einem plötzlichen Sprung des weiblichen Anteils der Bundestagsabgeordneten auf 15,4% und 1990 auf 20,5%. Allerdings ist in den letzten Jahren sowohl für die Großstädte als auch für die Landesparlamente und den Bundestag eher eine Stagnation zu verzeichnen.
Je wichtiger die Ämter in der Kommunalpolitik werden, desto stärker ausgeprägt ist die Unterrepräsentanz von Frauen. Der Frauenanteil unter allen Ratsmitgliedern in deutschen Großstädten liegt bei 32,8%. Bei den Ausschussvorsitzenden ist nur noch ein Anteil von 25,9% zu verzeichnen, bei den Fraktionsvorsitzenden 20,6%, bei den Führungskräften in der Verwaltung 18,5% und bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern 17,7%. Die Quote alleine bewirkt also noch keineswegs den Weg in politische Spitzenämter.
Die Akzeptanz und Einhaltung der Quote ist nach Wiechmann dennoch ein entscheidender Aspekt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern auf Entscheidungspositionen. Genau dies ist jedoch in den einzelnen Parteien problematisch. Bis auf die Grünen halten die Quotenparteien ihre Vorgaben nicht ein, obwohl sie im Vergleich zu den Grünen weitaus mehr Mitglieder und dadurch im Verhältnis auch mehr Frauen in der Partei haben.
Als Erklärungen begegneten Wiechmann in ihren Interviews zahlreiche Begründungen, die zusammengefasst aber vor allem bei den Frauen selbst ansetzten - die strukturellen Rahmenbedingen hingegen wurde nicht reflektiert.
Wahlrechtssystem & Nominierungsverfahren
Auch das Wahlrecht spielt eine bedeutende Rolle für die gleiche Beteiligung von Frauen, denn die personalisierte Verhältniswahl in Deutschland führt dazu, dass insbesondere bei den großen Volksparteien die Unterrepräsentanz von Frauen stärker ausgeprägt ist, stellte Wiechmann dar.
Gerade die Kreisverbände in den großen Parteien werden zum Nadelöhr für weibliche Abgeordnete im Bundestag oder in Landtagen, denn die Kreisverbände nominieren insgesamt deutlich zu wenig weibliche Direktkandidatinnen und unterlaufen damit ihre Quoten bzw. Quoren. Hier treffen Frauen oft auf Ausschlussmechanismen aufgrund informeller Nominierungspraktiken innerhalb des Direkandidaturenprozesses. Denn die Vorauswahl der Direktkandidatinnen und Direktkandidaten findet meist in Hinterzimmern ohne Parteiöffentlichkeit in den Führungsgruppen auf der Kreis- bzw. Unterbezirksebene statt. Diese sind meist informelle männlich dominierte Parteizirkel, zu denen insbesondere junge Frauen schwer Zugang finden. Eine formalisierte parteiinterne Nachwuchsförderung oder eine Reflexion der eigenen Arbeits- und Kommunikationskultur gibt es oft nicht.
So haben Frauen als Landesdeligierte zwar relativ gute Zugangsmöglichkeiten und in den Quotenparteien wird die angestrebte Frauenrepräsentanz auf den Landeslisten häufiger erreicht, in den informellen Nominierungsnetzwerken auf lokaler Eben sind sie jedoch stark unterrepräsentiert, weil sie hier selten zentrale Parteiämter einnehmen.
Wer also an der Frauenabstinenz von ehrgeizigen Quotenparteien in Stadt- und Gemeinderäten etwas ändern will, muss bei den Parteien ansetzen, an ihren Rekrutierungs- und Nominierungsverfahren wie auch an ihrer Bereitschaft Quoten wirksam umzusetzen.
Dass eine geschlechtergerechte Repräsentanz in den Kommunalparlamenten möglich ist, zeigt Wiechmann anhand eines Beispiels aus Frankreich.
In Frankreich ist aufgrund des Paritätsgesetzes der Anreiz Kandidatinnen in den Kommunen aufzustellen weitaus höher. Das Gesetz sieht für die kommunalen Parlamente (nicht für das Nationalparlament) vor, dass alle Parteien bei den Kommunalwahlen 50% der Listenplätze mit Frauen besetzen und diese auf die oberen Listenplätze bezogen werden müssen. Können oder wollen die Parteien die Kandidatinnenquote nicht erfüllen, werden sie zur Wahl nicht zugelassen.
Waren vor dem Paritätsgesetz in den Kommunen mit mehr als 3.500 Einwohner_innen 1995 nur 25,7% der Kommunalparlamentarier_innen weiblich, so hat sich der Frauenanteil im Jahre 2001 nahezu verdoppelt und blieb auch 2008 auf sehr hohem Niveau. Auch in kleinen Kommunen zwischen 3.500 und 9.000 Bürgerinnen und Bürger ist in kürzester Zeit ein Frauenanteil von 47,4% realisiert worden, wobei kein besonderer Wert auf parteipolitische Bindung gelegt wurde.
Hätten die Parteien in Deutschland einen stärkeren Anreiz Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen, dann gäbe es auch in kleineren und mittleren Kommunen wahrscheinlich ausreichend Kandidatinnen, schloss Dr. Elke Wiechmann ihren Vortrag.
In der abschließenden Diskussion wurde die Organisation der Ortsvereine insbesondere hinsichtlich der Arbeits- und Kommunikationskultur diskutiert. Diese wird neben nicht vorhandener Anwerbungs- und Einarbeitungsmechanismen als ein wichtiger Grund für den Ausschluss von Frauen, wie auch jüngeren Menschen, innerhalb des kommunalpolitischen Engagements gesehen. In diesem Kontext ist auch die Kritik an den arbeitsorganisatorischen Anforderungen politischer Arbeit zu sehen. Politische Arbeit verlangt ihren ehrenamtlichen Aktiven eine derart hohe Zeitinvestition und Terminflexibilität ab, wie in keinem anderen Ehrenamt. Schon die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit mit dem freiwilligen Engagement ist sehr schwierig, kommen noch Betreuungsverpflichtungen hinzu, scheint die Koordinierung und Bewältigung schier unmöglich zu werden. Frauen engagieren sich u. a. deswegen oft in anderen Bereichen.
Offen blieb, inwieweit politikwissenschaftliche Analysen die These, wonach Frauen von der Wählerschaft nicht gewählt werden, stützen. Klar wurde allerdings anhand des Beispiels aus Bayern – dort beträgt der Anteil von Frauen in den Großstadtparlamenten 40% - dass hier noch reichlich Überprüfungsdbedarf besteht.
In Anbetracht dieser Tatsache bleibt die gesetzliche Quotenregelung eine wichtige Maßnahme zur Auflösung der Exklusionsmechanismen.
Zur Vortragenden:
Dr. Elke Wiechmann ist seit 2008 wissenschaftliche Angestellte an der FernUniversität Hagen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Gebieten Partizipation, Gender und Gleichstellung, Wandel des öffentlichen Sektors (Verwaltungsmodernisierung), Managementkulturen, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sowie Demographie. Sie promovierte 2006 zum Thema 'Gleichstellungspolitik als Machtspiel. Eine mikropolitische Analyse der Gleichstellungspolitik in kommunalen Reorganisationsprozessen' an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2000 ist sie ebenfalls freiberufliche Wissenschaftlerin in den Bereichen Forschung, (Praxis-)Begleitung und Beratung, Qualifizierung. 1997 – 2000 war sie Beraterin im Netzwerk “Kommunen der Zukunft” ein Zusammenschluss der Hans-Böckler-Stiftung, der Bertelsmann Stiftung und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung. Sie hatte verschiedene wissenschaftliche Tätigkeiten an der Fern Universität Hagen und der Philipps-Universität Marburg übernommen.
Veröffentlichungen:
- Holtkamp, Lars / Wiechmann, Elke / Schnittke, Sonja: Unterrepräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2009.
- Wiechmann, Elke / Greifenstein, Ralph / Kißler, Leo: Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung in neuen Arbeitsverwaltungen, in: WSI-Mitteilungen, Heft 9/2008, S. 500-507.
- Wiechmann, Elke: Gleichstellungspolitik als Machtspiel. Eine mikropolitische Analyse der Gleichstellungspolitik in kommunalen Reorganisationsprozessen, Freiburg: Fördergemeinschaft wissenschaftlicher Publikationen von Frauen 2006.
- Wiechmann, Elke: Trendreport: Gleichstellungspolitik im Veränderungsprozess, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2004.
- Reiser, Marion: Zwischen Ehrenamt und Berufspolitik. Professionalisierung der Kommunalpolitik in deutschen Großstädten, Stadtforschung aktuell Band 107, Hrsg. Hellmut Wollmann, Wiesbaden: VS Verlag.
A.H.
erstellt von Administrator
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zuletzt verändert:
10.08.2010 10:06