Sie sind hier: Startseite Veranstaltungs-, Publikations- und News Archiv Gender Lectures „Determinanten geschlechtsspezifischer Partizipation“

„Determinanten geschlechtsspezifischer Partizipation“

Gender Lecture mit Prof. Dr. Gabriele Abels am 25.05.09 im Rahmen des Schwerpunktthemas: „Mehr als Köpfe zählen? Politische Beteiligung und Gender“

 


Auch heute noch sind Frauen in Führungspositionen sowie in der Politik unterrepräsentiert. Gabriele Abels nähert sich in Ihrem Vortrag dieser Problematik, in dem sie einerseits nach Gründen dieser Unterrepräsentation sucht und andererseits Möglichkeiten interventionistischer Handlungsperspektiven eröffnet.

Abels machte deutlich, dass sich die einzelnen Faktoren, die die Unterrepräsentation von Frauen in der Politik begründen, in komplexen Wechselbeziehungen des jeweils unterschiedlichen nationalen Kontextes befinden und damit nicht verallgemeinerbar und eindeutig darstellbar sind. Sie akzentuierte die Tatsache, dass auch nicht-westliche und nichtdemokratische Länder eine beträchtliche Anzahl an weiblichen exekutiven Führungspositionen hervorbringen, was sie mittels Statistiken untermauerte. Bezogen auf Anteile von Frauen in Parlamenten besteht eine deutliche Führungsposition der europäischen Staaten, insbesondere der nordischen Länder.

Abels Erklärungsansatz bezieht sich vorwiegend auf das von Beate Hoecker (1998) entwickelte Modell des „Magischen Dreiecks“. Dieses Modell fußt zentral auf drei miteinander verschränkten Elementen, ähnlich einem Drei-Faktoren-Bündel, welches für die Erläuterung der national und international unterschiedliche Teilhabe von Frauen in der Politik herangezogen werden kann. Dieser Erklärungsansatz basiert auf den sozio-ökonomischen Faktoren (wie Bildung, Erwerbsarbeit, Einkommen etc.), auf den institutionellen Faktoren (wie Regierungs-, Partei-, und Wahlsystem) und auf der politischen Kultur des jeweiligen nationalen Kontextes (Werte, Einstellungen, Normen, Geschlechterstereotype, etc.). Bei den sozio-ökonomischen Faktoren seien besonders die unterschiedlichen Ausgangspositionen (sozio-ökonomische) von Frauen hervor zu heben. Darunter fallen laut Abels drei zentrale Thesen, die Sozialisationsthese, die Abkömmlichkeitsthese und die Sozialstrukturthese.

Während es bei der Sozialisationsthese stärker um das Faktum eines männlich dominierten und auch konnotierten Politikfeldes geht, hebt die Abkömmlichkeitsthese verstärkt die häufig auftretende Doppelbelastung von Frauen durch beispielsweise Kind und Familie hervor. Diese Doppelbelastung führe zu einer hohen Wahrscheinlichkeit an geringer politischer Beteiligung, allein schon mangels Zeit. Die Sozialstrukturthese beleuchte die gesellschaftliche Position/Stellung und damit verbundene Ressourcen, welche ein bestimmter Beruf mehr oder weniger bereitstellen kann. Als wichtige Ressource gilt hier vergleichsweise Bekanntheit, Vernetzung etc. Zur Verdeutlichung dessen führt Abels die Gegenüberstellung zwischen einer Kassiererin und eines Vorstandsvorsitzenden an, welche meist über ungleiche gesellschaftliche Vernetzungen etc. verfügen.

Die eben genannten Thesen spielen eine große Rolle in den unterschiedlichen Ausgangslagen von Frauen für deren politische Aktivität. Bildung und Einkommen stellen zwar allgemeine Schlüsselfunktionen dar, im Bereich der Politik widerfährt dieser Annahme jedoch ein Bruch, da Frauen aus Industriestaaten häufiger zwar ein besseres Einkommen und eine bessere Bildung aufweisen können, hier aber dennoch nach wie vor Repräsentationsdefizite bestehen.

Laut Abels sind es zentral die Quotierungen/(Frauen-)quoten, die Frauen in die Politik bringen können. Frankreichs Paritè Gesetz kann hier als gutes Beispiel gesehen werden. Andererseits weisen die nordischen Staaten, als klassisches Gegenbeispiel, ohne Quotenregelung sehr hohe Anteile von Frauen in der Politik auf. Dies sei zum einen den politikfreundlichen Arbeitszeiten dieser Länder zuzuschreiben und zum anderen dem gut ausgebauten Öffentlichen Sektor.

Bei politisch-kulturellen Faktoren handle es sich besonders um Einstellungen, Traditionen, Normen sowie Geschlechterstereotype. All diese Elemente seien Teile einer politischen Tradition. Insbesondere Normen stellen einen Teil dieser Tradition dar, welche häufig zu einer Institutionalisierung führen. Laut Abels seien davon vorwiegend religiöse Staaten betroffen. Abels hob an dieser Stelle den Katholizismus hervor und führte das Beispiel Maltas an. Während in Malta zwar mehr als 50% Frauen unter den Parteimitgliedern zu finden sind, lässt sich ein Aufstieg in das maltesische Parlament kaum verzeichnen. Die politische Partizipation innerhalb einer Partei bietet für Frauen eine gute Möglichkeit sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, besonders mit dem Verweis auf die geringe Erwerbsquote von Frauen in Malta, jedoch Aufstiegschancen werden ihnen nicht geboten.

Anders verhalte es sich laut Abels hingegen mit etlichen süd-amerikanischen Staaten. Während der 1980er Jahre fand in einigen dieser Staaten eine starke Welle von Demokratisierungsprozessen statt. Die in den darauf folgenden Jahren vermehrt eingeführten Frauenquoten sollten den demokratischen Charakter der jeweiligen Länder stärker hervor heben. In Argentinien fanden sich beispielsweise kaum Frauen in Führungspositionen der Parlamente, nach den Demokratisierungsprozessen der 1990er Jahre stieg die Anzahl von Frauen über 40% und Argentinien bekam eine Staatspräsidentin. Abels hob an dieser Stelle hervor, dass hohe Anteile von Frauen in der Politik zwar enorm wichtig sind, die männliche Sphäre des Politikfeldes dadurch aber nicht in toto gebrochen werde. Eine rein quantitative Verschiebung reiche nicht aus, um emanzipatorische Veränderungen im Politikfeld erreichen zu können. Nicht also die Anzahl der Frauen, sondern vielmehr die Handlungen dieser – „politics of critical acts“ – seien von zentraler Bedeutung.

Institutionelle Faktoren, wie Regierungssysteme, Parteisysteme und das Wahlrecht spielen eine weitere, entscheidende Rolle bezüglich der politischen Beteiligung von Frauen (vorausgesetzt sie haben ein Wahlrecht).
An dieser Stelle kommt dem Wahlsystem eine zentrale Bedeutung bei. Die Verhältniswahl kann im Unterschied zur Mehrheitswahl als frauenfreundlicher gelesen werden. Dies begründe sich z.B. durch die Tatsache, dass Parteien eine größere Rolle bei der Erstellung der Listen spielen. Diese Listen müssen von vornherein bestimmte Kriterien erfüllen, welches das Unterbringen der 'Gender-Kategorie' erleichtere. Allgemein finden sich in kleineren sowie in links- und grün-orientierten Parteien oftmals Organisationsstrukturen, die für Frauen bessere Partizipationsmöglichkeiten aufweisen. Diese Parteien bekommen unter der Verhältniswahl leichter Stimmen als unter der Mehrheitswahl.
Historisch betrachtet lassen sich Frauenquoten auf das Reservieren von Sitzen während der 1930er Jahre in Indien zurückführen. Damals wurden
beispielsweise Sitze für Frauen oder andere soziale Gruppen reserviert, dies aber mit einem sehr geringen Prozentsatz von gerade mal ca. 4% am Beispiel Indiens. Demnach ist das Prinzip der Quoten keine, wie oft angenommene, europäische Erfindung. Das sehr konkrete Prinzip der Quotierung stammt aus China und fand erst viele Jahre später Anschluss in der Europäischen Union.

Frauenquoten als „fast track“? Abels verzeichnet einen weltweiten Siegeszug der Quote. Besondere Sprünge in der Repräsentation von Frauen seien durch Quoten zu erreichen, so Abels These. Wobei die Quotenregelung für unterschiedliche Staaten verifiziert werden muss und kann. Als Gegenbeispiel nennt Abels nochmal wie zuvor die nordischen Staaten, wie beispielsweise Finnland, die einen hohen Frauenanteil in der Politik verzeichnen können und dies ohne gesetzliche oder parteiinterne Regulierung.

Abschließend zieht Abels ein Fazit und eröffnet neue Herausforderungen. Die Länder weltweit sind in unterschiedlicher Ausprägung noch von der
tatsächlichen Teilhabe von Frauen und Männern entfernt, auch, wenn sich, besonders seit den 1990er Jahren, erhebliche Erfolge in der Politik aufzeigen lassen. Wie gezeigt wurde, muss mit der Annahme 'Mehr Frauen gleich mehr Demokratie' gebrochen werden. Quoten unterliegen der Gefahr Essentialismen festzuschreiben und zu reproduzieren. Besonders die Verwendung der Kategorien Frau/Mann konstruiert möglicherweise Gruppenidentitäten, welche interdependente Subjektivierungsprozesse unsichtbar machen. An dieser Stelle ist es wichtig, die Forschungsperspektive daraufhin zu erweitern und verfeinerte Strategien zu entwickeln. Wie können beispielsweise Forderungen bezüglich Diversität/Intersektionalität aussehen?

In der anschließenden Diskussion wurde anhand der Forderung nach Diversity und Intersektionalität auf die Frage aufmerksam gemacht, inwieweit eine Abkehr von konkreter Frauenpolitik hin zu Diversity, also der Betrachtung mehrerer Kategorien, eine Hierarchisierung dieser fördere und eventuell konkrete Frauenpolitik verdränge oder schwäche.
Des Weiteren wurde diskutiert, wer eigentlich welche Interessen repräsentiert? Repräsentieren Frauen immer auch Frauen und müssen/sollen sie dies auch? An dieser Stelle wurde zwar auf die Wohlfahrtsthese, dass erwerbstätige Frauen ein größeres Interesse am Erhalt des Wohlfahrtsstaates haben, verwiesen, eine aussagekräftige Analyse sei zu diesem Fragenkomplex aber mangels Erhebungen nicht gegeben.


Zur Vortragenden:
Prof. Dr. Gabriele Abels hat seit 2007 die Professur für Innen-und EUPolitik am Institut für Politikwissenschaft an der Eberhard Karls Universität in Tübingen inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind vergleichende Politikwissenschaft, Europäische Integration, politische Partizipation und Gender-Forschung, sowie Wissenschafts- und Technologiepolitik. Abels promovierte 1999 zu „Strategische Forschung in den Biowissenschaften. Der Politikprozess zum europäischen Humangenomprogramm“ an der Universität Essen. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift „femina politica“ für feministische Politikwissenschaft.

Veröffentlichungen:

  • Abels, Gabriele: Geschlechterpolitik, in: Heinelt, Hubert / Knodt,Michèle (Hrg.): Politikfelder im EU-Mehrebenensystem. Instrumenteund Strategien europäischen Regierens. Baden-Baden: Nomos 2008.
  • Abels, Gabriele : Citizen Involvement in Public Policy-making: Doesit Improve Democratic Legitimacy and Accountability? The Case of pTA. Interdisciplinary Information Sciences 13 (1) 2007. S.103-116.
  • Abels, Gabriele: Politische Steuerung durch Partizipation. In:Heinrich Böll Stiftung, Grüne Akademie (Hrg.): Die Verfasstheit der Wissensgesellschaft, Münster: Westfälisches Dampfboot 2006, S.146-168.
R.H.
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.08.2010 10:08