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"Macht und Mikropolitik. Strategien weiblicher Leitungskräfte"

Gender Lecture des GenderKompetenzZentrums mit Prof. Dr. Daniela Rastetter, Universität Hamburg, am 11. Februar 2008 zum Schwerpunktthema „Geschlechterstereotype in Wissenschaft und Gesellschaft“ an der Humboldt-Universität zu Berlin


Aus der Perspektive der Mikropolitik in Organisationen ging der Vortrag Geschlechterstereotypen und ihrer Wirkungsweise in Bezug auf weibliche Führungskräfte nach. Lange Zeit waren Leitungsfunktionen für Frauen gänzlich tabu, dann gab es zwar für sie formal die Zulassung, aber es war legitim ihnen Führungsfähigkeiten abzusprechen. Erst seitdem Frauen gut ausgebildet sind, erregt ihre geringe Teilhabe an Leitungspositionen Aufsehen, weil sie vergleichsweise nicht aufsteigen und nicht führen. Es werden hier verschiedene Gründe diskutiert – die Rolle von Macht und Mikropolitik scheint jedoch ausschlaggebend zu sein, so die These von Prof. Dr. Rastetter. In ihrem Vortrag zu „Macht und Mikropolitik. Strategien weiblicher Führungskräfte“ zeigt sie, wie männliche Stereotype noch immer das typische Bild der erfolgreichen Führungskraft prägen und somit auch Macht bei formal machtvollen Positionen geschlechtsspezifisch verteilt sein kann. In ihrem Vortrag diskutiert Rastetter weiter, welche mikropolitischen Strategien Frauen in Leitungspositionen für eine verstärkte Teilnahme an Führungspostionen nutzen können.

Zunächst beschrieb Rastetter die theoretischen Grundlagen und die Verbindungen von Macht und Mikropolitik, denn als Quelle von Macht muss unterschieden werden zwischen strukturellen und personalen Machtquellen. Erstere wirken durch formale Autorität, die sich aus der Position im Stellengefüge der Organisation ergibt. Personale Macht dagegen verweist auf das mikropolitisch-taktische Verhalten der Individuen oder auf Persönlichkeitseigenschaften der handelnden Akteurinnen und Akteure. Diese Quelle der Macht steht auch Mitarbeitenden auf unteren Hierarchieebenen zur Verfügung, indem sie nicht selten durch Verbündung und kluge Taktik formale Machtverhältnisse aushebeln. Macht ist demnach nicht etwas, was Organisationsmitglieder einfach haben, sondern sie wird einerseits durch die formale Position zugewiesen und andererseits durch individuelles Handelns erweitert oder eingeschränkt. Machtbeziehungen in Organisationen sind daher komplex und für eine Einzelperson nie vollständig zu kontrollieren. Macht wird also erst greifbar, wenn man sich der Ebene der Handlungen und damit der Machttaktiken zuwendet. Diese Handlungsebene kann auch als Mikropolitik beschrieben werden. Organisationsstrukturen begrenzen zwar mikropolitische Spielräume, jedoch gibt es für alle Organisationsmitglieder immer bestimmte Handlungskorridore, die genutzt werden können. Folglich heißt Mikropolitik, dass Subjekte in Organisationen ihren Eigensinn einbringen und ihre eigene Innenpolitik betreiben, bspw. durch die Bildung von Seilschaften, Aussitzen, Loyalität oder der Schaffung von Sachzwängen. Organisationen sind somit Arenen interessengeleiteter Interventionen und Aushandlungen. Nach Rastetter ist Mikropolitik nicht nur destruktiv, sondern beschreibt im positiven Sinne auch Eigenverantwortung und Konstruktivität der Organisationsmitglieder. Rastetter spricht hier von einer mikropolitischen Kompetenz, die es erst möglich macht, Freiräume auch nutzen zu können.

Im folgenden Teil konzentrierte sich Rastetters Vortrag auf mikropolitische Handlungsoptionen weiblicher Führungskräfte. Grundlegend wurde festgehalten, dass Frauen nach wie vor eine Minderheit in Leitungsfunktionen sind (5% in deutschen Großunternehmen, 8% in mittelständischen Unternehmen). Das führt dazu, dass sie zur „zweifachen Abweichlerin“ werden, da sie als weibliche Führungskräfte erstens eine Männerdomäne betreten und sie zweitens traditionelle Geschlechterrollen verlassen. Damit begeben sich Frauen auf eine Gradwanderung zwischen der weiblichen Rolle und der Führungsrolle. Zudem führt es dazu, dass sie als Frau (als Mensch mit Geschlecht) besonders sichtbar sind. Diese Sichtbarkeit wirkt sich besonders dann nachteilig aus, wenn Geschlechterstereotype gerade in ihrer Minderheitenposition wirksam werden und Frauen weniger als Individuum als vielmehr Vertreterin ihrer Geschlechtergruppe betrachtet werden. Um dem Dilemma zu begegnen, dass Frauen bei zu starker Anpassung an das männliche Managermodell als unweiblich wahrgenommen werden, oder ihnen aber die Berechtigung und Befähigung zur Machtausübung bei einer zu starken Entsprechung von stereotyp weiblichen Merkmalen abgesprochen wird, sind sie gezwungen ein sog. „Stigma-Management“ zu betreiben.
Auch wenn Weiblichkeit auf Grund von sogenannten Kommunikations-, Team- und Integrationsfähigkeiten in der Öffentlichkeit oft als neue und erfolgreiche Ressource bezeichnet wird, weiß man aus der sozialwissenschaftlichen und Geschlechterforschung, dass der Typus des idealen Managers weiterhin männlich gedacht wird. Stereotyp maskuline Eigenschaften werden als erwünschter angesehen als stereotyp feminine Eigenschaften. Weiblichkeit wird nach wie vor mit Machtlosigkeit, Männlichkeit mit Macht assoziiert. Rastetter betonte deshalb, dass Frauen eher in eine Falle laufen, wenn die Diskurse um die besonderen Führungsqualitäten von Frauen stark geführt werden. Darüber hinaus gibt es weitere mikropolitische Strategien, die kaum bemerkbar zum internen Ausschluss von Frauen führen. Diese Abwehrstrategien laufen gerade auf der Hinterbühne ab, weil der direkte Ausschluss nicht mehr legitim ist. Bspw. werden Frauen trotz Mitgliedschaft von Informationskanäle abgeschnitten.

Um die Verunsicherung mit ihrer Rolle als „zweifacher Abweichlerin“ einzudämmen, lassen sich nach Rastetter verschiedene Rollentypen beschreiben, die Frauen ergriffen haben, oder die ihnen von Männern angeboten wurden („Mädchenrolle“, „Mutterrolle“, „Verführerin“, „Amazone“). Jedoch lässt keine dieser Rollen ein gleichberechtigtes Verhältnis mit männlichen Führungskräften zu, denn diese Rollen können von den Gegenspielern ausgenutzt werden, um Frauen zu behindern und abzuwehren. Die Vorgesetzte wird als Mutter gesehen, wenn sie mit privaten Problem ihrer Untergebenen belastet wird; ihr werden Komplimente über ihr adrettes Äußeres gemacht – sie soll das Mädchen spielen; sie wird in Flirts verwickelt – sie hat die Verführerin zu sein; wird sie als „kämpferische Amazone“ gesehen, darf sie mit starkem Gegenwind rechnen.

Entgegen diesen Weiblichkeitsrollen, die an Frauen herangetragen werden, schließen neuere Untersuchungen über mikropolitische Strategien von Führungsfrauen auch auf die Anpassung an Verhaltensweisen gemäß dem männlichen Managermodell. Rastetter beschrieb, dass Frauen versuchen ihr Geschlecht vergessen zu machen und es nicht zu thematisieren. Jedoch sind die empirischen Kenntnisse über den Erfolg dieser Strategie – gerade weil bewusst wenig darüber gesprochen wird – bisher gering.

Zusammenfassend hielt Rastetter fest, dass mikropolitische Handlungsspielräume geschlechtstypisch geprägt sind. Frauen werden spezifische Handlungskorridoren eröffnet oder sie öffnen sie sich selbst, andere werden ihnen verschlossen, um ihre Macht zu begrenzen. Ein Aufbau mikropolitischer Kompetenz könnte jedoch Frauen unterstützen, ihre Handlungsspielräume zu erkennen und verstärkt zu nutzen, ihre Handlungen zu überdenken, neu zu entwickeln, zu erproben und zu trainieren. Nach Rastetter läge hier ein Potential, um Gleichstellung in der Arbeitswelt weiter durchzusetzen.

In der anschließenden Diskussion wurde debattiert, welche Gewichtung mikropolitische Strategien einerseits und Makrostrukturen andererseits für die Implementierung von Gleichstellung haben. Es wurde festgehalten, dass politische Rahmenbedingungen (Makro) unabdingbar sind, Mikropolitik jedoch eine starke ergänzende Wirkung haben kann. In diesem Zusammenhang lässt sich Macht als positive Gestaltungsmacht begreifen, die es gilt gezielt einzusetzen.



Zur Vortragenden:

Prof. Dr. Daniela Rastetter ist Professorin für Personal, Organisation und Gender Studies an der Wirtschafts– und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Department für Wirtschaft und Politik an der Universität Hamburg. Neben ihren Forschungsschwerpunkten zu Mikropolitik von Führungskräften konzentriert sie sich auch auf Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich sowie dem Verhältnis von Organisation und Geschlecht.



Weitere Literatur:

Rastetter, Daniela (2008): Gute Miene zum bösen Spiel. Zur Konstituierung des Emotionsarbeiters im Dienstleistungsunternehmen.

Rastetter, Daniela (2007): Mikropolitisches Handeln von Frauen. In: Haubl, R.; Daser, B. (Hg.): Macht und Psyche in Organisationen. Göttingen: Vandenhoek & Rupprecht, S. 76-99.

Jüngling, Christiane; Rastetter, Daniela (2007): Die Implementierung von Gleichstellungsmaßnahmen: Optionen, Widerstände und Erfolgsstrategien. In: Krell, G. (Hg.): Chancengleichheit und Personalpolitik, 5. Aufl., Wiesbaden: Gabler, S. 127-140.

Rastetter, Daniela (2006): Vertrauen in weibliche Führungskräfte. In: Bendl, R. (Hg.): Betriebswirtschaftslehre und Frauen- und Geschlechterforschung. Teil 1 - Verortung geschlechterkonstituierender (Re)Produktionsprozesse. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang, S. 217-242.

Rastetter, Daniela (2002). Zwischen Meritokratie und Mikropolitik. Ein organisationspsychologischer Blick auf das Management-Geschlecht. In: Wirtschaftspsychologie, 4 (1), 11-15.

Rastetter, Daniela (1994). Sexualität und Herrschaft in Organisationen. Eine geschlechtervergleichende Analyse. Opladen: Westdeutscher Verlag. (Aufnahme des Werkes in: Hauptwerke der Organisationstheorie, herausgegeben von Klaus Türk, Opladen 2000.)
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