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"Hauptsache Arbeit? - Strategien zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen"

Prof. Dr. Friederike Maier:

Am 16. Januar 2006 hielt Prof. Dr. Friederike Maier im Rahmen der Gender Lectures des GenderKompetenzZentrums an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Vortrag zum Thema: „Hauptsache Arbeit? – Strategien zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen“. Dabei ging sie der Frage nach, wie die aktuellen arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen aus geschlechterpolitischer Sicht zu bewerten sind und thematisierte die Widersprüche und Grenzen, die sich bei einer Arbeitsmarktintegration von Frauen ergeben.

Die Teilhabe an bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Reproduktionsarbeit kann als Indikator dienen, um Geschlechterverhältnisse zu beschreiben. Im Bereich der unbezahlten Arbeit lassen sich in den letzten 15 Jahren aber kaum Veränderungen im Hinblick auf die Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen feststellen. Zeitbudgetstudien belegen nur geringfügige Verschiebungen, denn Frauen leisten immer noch 1,5 Mal so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Lediglich in Ostdeutschland sind leichte Angleichungstendenzen zu verzeichnen - Frauen übernehmen im Vergleich zu Männern nur 1,2 Mal so viel unbezahlte Arbeit - was u.a. auf die hohe Erwerbslosenquote auch bei Männern zurückgeführt wird.
Um die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern möglichst umfassend und differenziert zu betrachten und derzeitige arbeitsmarktpolitische Tendenzen zu erfassen, lohnt sich ein Blick auf verschiedene Statistiken zur Erwerbsarbeit (Eurostat, IAB). Die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland liegt bei 65,8% (Männer 79,2%). Die Erwerbstätigkeitsquote von 59,2% (Männer 70,8%) umfasst alle Erwerbstätigen, die mindestens eine Stunde in der Woche arbeiten. Die Zielmarke der EU im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie von 70% Erwerbstätigenquote insgesamt und 60% für Frauen ist damit in Deutschland noch nicht erreicht. Errechnet man die Erwerbstätigenquote auf Basis von Vollzeitäquivalenten wird deutlich, dass die Frauenquote nur bei 45,5% liegt. Eine sog. „Arbeitszeitlücke“ lässt sich auch erkennen, wenn das Arbeitsvolumen von Frauen (41%) mit ihrem Beschäftigtenanteil (48,7%) verglichen wird. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen zwar zugenommen hat, jedoch ihre reale Integration auf dem Arbeitsmarkt und der Umfang ihres Arbeitsvolumens durch Teilzeitarbeit – gemessen an 1992 – kaum gestiegen ist. Der Anteil von weiblichen Teilzeitbeschäftigten liegt bei 41,6%, bei Männern sind jedoch nur 6,5% teilzeitbeschäftigt. Der dauerhafte Rückgang von Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen bei Frauen bedeutet gleichzeitig auch eine geringere Existenzsicherung und weniger Einbindung in soziale Sicherungssysteme.
Die aktuell bestehende hohe Arbeitslosenquote schafft einen erheblichen Druck auf die Arbeitsmärkte. Durch Maßnahmen wie Minijobs und Ich-AGs im Rahmen von Hartz I-IV werden jedoch weniger Arbeitslose in Erwerbstätigkeit integriert, sondern vielmehr die sog. „stille Reserve“ aktiviert. So wird das Arbeitsvolumen nur zerstückelt und umverteilt, wodurch zwar mehr Frauen erwerbstätig sind, sich diese Integration aber als außerordentlich prekär bezeichnen lässt, weil eine Existenzsicherung nicht mehr gewährleistet ist. Die Hartz-Reformen schaffen demnach also keine Erhöhung des Arbeitsvolumens.
Insgesamt lässt sich deshalb festhalten, dass die derzeitigen Arbeitsmarktverhältnisse das Zuverdienermodell stärken. Da das Arbeitsverhältnis eines einzelnen Vollzeitbeschäftigten in einer Familie oft zu unsicher und schlecht bezahlt ist, hat das Hausfrauenmodell nicht mehr Bestand. Darüber hinaus ist mit staatlichen Zuschüssen zur Sicherung des Hausfrauenmodells langfristig nicht mehr zu rechnen und die gesellschaftliche Akzeptanz einer Hausfrauenehe ist in den letzten Jahren gesunken. Auch das dual-earner Modell (beide erwerbstätig) wird gegenwärtig politisch nicht angestrebt. Allerdings sind für das verbreitete Zuverdienermodell keine Leitbilder von Politik und Wirtschaft entwickelt worden, die klarere Regelungen und Visionen für Erwerbs- und Familienleben anbieten. Vielmehr ist es, so Maier, ein „Durchwurschteln“ der Politik zwischen dem nicht gewollten Bild des Hausfrauenmodells und dem nicht ermöglichten Bild beider Erwerbstätiger, wobei ohne positive Visionen Maßnahmen und Reformen nur „aneinandergestückelt“ werden.

Ungeachtet dessen gilt für Maier die Arbeitsmarktintegration von Frauen als Schlüssel der sozialen und ökonomischen Integration, mit der ein Beitrag zur Modernisierung von Geschlechterverhältnissen geleistet werden kann. Es wurde in diesem Kontext viel darüber diskutiert, wie die Erwerbsbeteiligung von Frauen gesteigert werden könne, wobei vor allem Kinderbetreuung und Qualifizierungen in den Blick genommen wurden. Es fehlt aber eine Diskussion zur Qualität und zum Volumen von Erwerbsarbeit. Ist ein qualitätsvolles Wachstum von Arbeitsvolumen und Arbeitsplätzen möglich? Oder sollte darüber nachgedacht werden, Arbeitsvolumen umzuverteilen? Sollte einer Vision wie „dreißig Stunden Erwerbsarbeit für alle“ nachgegangen werden? Könnten öffentliche Gelder zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Pflege- und Betreuungsberufen investiert werden?
Auch die Wirtschaft sollte sich mit Fragen nach qualitätsvollen Arbeitsplätzen beschäftigen. Die Unternehmen machen zwar mehr Beschäftigungsangebote wie Minijobs, die zur Zeit den Bedürfnissen und der Nachfrage der Arbeitnehmenden nach einem Zuverdienst entgegenkommen, jedoch ist der damit einhergehende Reallohnabbau und die geringe Qualität und Sicherheit der Arbeit sehr problematisch. Die Wirtschaftspolitik sollte also dazu angeregt werden, über Veränderungen ihrer Angebote nachzudenken und neue Perspektiven für die Arbeitsnachfrage zu entwickeln.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich im Kontext des Zuverdienermodells Paarbeziehungen mit 1,5 Erwerbstätigen verfestigen werden, und sich der Druck auf Frauen und Männer bis in die Mittelschichten nach dem Motto „Hauptsache Arbeit!“ erhöhen wird. Die Erwerbstätigkeit von Frauen wird zwar weiter steigen, jedoch gestaltet sich diese als zunehmend nicht-existenzsichernd. Auch die Beschäftigungsstrategie der EU wird die Debatte zur Qualität der Arbeit mehr hemmen als voran treiben, so dass laut Maier insgesamt Niedriglohn-Arbeit und Armut steigen wird.

Im Anschluss an den Vortrag schloss sich eine angeregte Diskussion an. Dabei ging es u.a. um die Frage, wie sich der demographische Wandel auf den Arbeitsmarkt auswirken wird und welche Folgen ein Ausbau des Niedriglohnsektors haben könnte. Darüber hinaus wurde festgehalten, dass das Verhältnis zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt u.a. auch deswegen besser erscheint, weil sich auch die Situation von Männern verschlechtert hat. Abschließend wurde überlegt, wer eine neue Leitbilddiskussion initiieren könnte.

Zur Vortragenden:

Friederike Maier ist Professorin an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin für Verteilung und Sozialpolitik und Direktorin des Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung. Darüber hinaus ist sie Gründungsmitglied von efas – Ökonominnen-Netzwerk. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie Frauen und Ökonomie. Prof. Maier ist die deutsche Expertin im Expertinnen-Netzwerk "Employment, Social Inclusion and Gender Equality Issues“ der Europäischen Kommission.

Ausgewählte Publikationen:

Volkswirtschaftliche Arbeitsmarktanalysen und –theorien und Frauenarbeit, Expertise im Auftrag des vom BMBF geförderten Projekts GendA – Netzwerk Feministische Arbeitsmarktforschung, Marburg 2004.

Gibt es eine frauenpolitische Wende durch die europäische Beschäftigungsstrategie?, in: S. Bothfeld; S. Gronbach; B. Riedmüller (Hrsg.), Gender Mainstreaming – eine Innovation in der Gleichstellungspolitik, Campus Verlag, Frankfurt / New York 2002.

Geschlechterfragen in den Wirtschaftswissenschaften – Eine Zwischenbilanz zu den Entwicklungen in einem Männerberuf und zur Thematisierung von Geschlechteraspekten, in: F. Maier; A. Fiedler (Hrsg.), Gender Matters – Feministische Analysen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Edition Sigma, FHW–Forschungs-Band 43/44, 2002.

Empirische Befunde zur Arbeitsmarktsituation von Frauen, in: Winfried Schmähl, Klaus Michaelis (Hrsg.), Alterssicherung von Frauen – Leitbilder, Gesellschaftlicher Wandel und Reformen, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, S. 81 – 96.


erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.08.2010 10:07