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Gleichstellung und öffentliche Vergabe

Gleichstellung und öffentliche Vergabe – eine sinnvolle Verknüpfung

Die Bundesregierung arbeitet zur Zeit an der Umsetzung zweier europäischer Richtlinien von 2004 in nationales Recht zur öffentlichen Vergabe von Aufträgen. Damit ist die Hoffnung verbunden, endlich die Berücksichtigung von sozialen Belangen, wie z.B. die Förderung von Gleichstellung im deutschen Vergaberecht zu regeln.
Schon seit Jahren erheben Gleichstellungsakteure wie z.B. der Deutsche Juristinnenbund (DJB) die Forderung, die Vergabe öffentlicher Aufträge mit dem Nachweis der Einhaltung der Diskriminierungsverbote und der Durchführung effektiver Maßnahmen für Gleichstellung zu verbinden. In dieser Verknüpfung wird eine sinnvolle und zulässige Möglichkeit zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben gesehen (DJB 2002).
Die Öffentliche Auftragsvergabe ist nicht nur ein Steuerungsinstrument für den Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern auch ein Instrument zur Steuerung sozialsstaatliche Zielen. Das verdeutlichen die beiden Richtlinien der Europäischen Kommission. Sie regeln explizit, dass soziale Aspekte zur Bedingung bei der Auftragsausführung gemacht werden können (vgl. Art. 38, RL 2004/17 EG; Art. 26, RL 2004/18/EG).
In Deutschland gab und gibt es immer noch Widerstände gegen die Verknüpfung von sozialen Belangen mit öffentlicher Auftragsvergabe. Sie sind vor allem historisch zu erklären. Lange Zeit war das deutsche Vergaberecht ausschließlich durch die Grundsätze des Haushaltsrechts wie Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit geprägt. Die Regelungen zielten allein darauf ab, möglichst wirtschaftlich mit öffentlichen Finanzmitteln umzugehen. Die Einbindung von sozialen Aspekten schien dem Sinn und Zweck des Vergaberechts entgegenzustehen.

 

Das deutsche Vergaberecht hat jedoch durch die Europäische Union neue Impulse erhalten. Die Europäische Kommission erläuterte in einer Mitteilung, wie öffentliche Mittel optimal eingesetzt und zugleich soziale Belange berücksichtigt werden können. Die Kommission betonte, dass bei der Erlangung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Europas sozialpolitische Aspekte eine wesentliche Rolle gespielt haben. Durch die Einbeziehung sozialer Aspekte in das Vergabewesen soll eine dynamische Wechselwirkung zwischen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik entstehen. Ein sozialer Gesichtspunkt ist die tatsächliche Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter (Mitteilung Kommission 2001, S. 5).

Von Gleichstellungsakteuren wird bedauert, dass nach den Richtlinien von 2004 die Verknüpfung von sozialen Aspekten nur bei den Ausführungsbedingungen möglich ist, und nicht schon bei der Auswahl des Vertragspartners (DJB 2007). Trotzdem ist die wenn auch eingeschränkte Möglichkeit, das öffentliche Auftragswesen für die Durchsetzung des Staatsauftrages in Art. 3 Abs. 2, Satz 2 Grundgesetz nutzen zu können, mit Nachdruck zu begrüßen.

Es bleibt abzuwarten, wie gleichstellungsorientiert die deutsche Gesetzgebung und die Ministerialverwaltung den neuen Anspruch der Richtlinien im deutschen Vergaberecht umsetzen werden. Für die Erarbeitung gleichstellungsorientierter Gesetze hat die Bundesregierung eine praxisorientierte Arbeitshilfe entwickelt: „Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften“. Die Anwendung dieser Arbeitshilfe kann dazu beitragen, passgenauere Gesetze zu gestalten, die niemanden diskriminieren und zur Erfüllung der Staatsaufgabe Gleichstellung von Frauen und Männern beitragen (vgl. Baer/Lewalter 2007).

Einige Bundesländer haben schon seit Jahren in ihren Landesgleichstellungsgesetzen die öffentliche Auftragsvergabe mit der Durchsetzung von Gleichstellung verbunden, z.B. Berlin (§ 13 Abs.1 LGG Berlin), Brandenburg (§ 14 Abs.1 LGG Brdbg), Saarland (§ 27 LGG Saar) und Thüringen (§ 22 Thür LGG).


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Primärquellen und weiterführende Literatur:

  • Wiedmann, Ariane: Die Zulässigkeit sozialer Vergabekriterien im Lichte des Gemeinschaftsrechts, 2007

SL

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 09:49