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"Gender Mainstreaming in Schweden: Aktueller Stand und Ausblick"

Gender Lecture mit Prof. Dr. Tiina Rosenberg am 25. April 2007:

Feminismus und Gender Mainstreaming sind wie alle theoretischen und politisch-strategischen Ansätze kulturell kontextualisiert. Da Schweden seit langem als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung gilt, war von besonderem Interesse, als sich Tiina Rosenberg mit einem kritischen Blick auf die Situation in Schweden an der Humboldt Universität präsentierte.

 

Prof. Dr. Tiina Rosenberg eröffnete ihren Vortrag mit einer Einführung in die schwedische Terminologie zur Gleichstellungsthematik. Zentral sei dabei zum einen der Ende der 1980er Jahre als Äquivalent zum englischen Genderbegriff eingeführte Genusbegriff. Zum anderen sei die schwedische Bezeichnung für Gender Mainstreaming, Jämställdhetsintegrering (Jämställdhet = Gleichberechtigung), von besonderer Bedeutung. Die schwedische Begrifflichkeit entspricht damit nicht jener anderer skandinavischer Länder. Überhaupt sei davor zu warnen, die skandinavischen Länder als monolithischen Block zu betrachten.

 

Ausgangspunkt für die Einführung von Gender Mainstreaming als staatliche Gleichstellungsstrategie in Schweden war nach Rosenberg die Erklärung „Geteilte Macht, geteilte Verantwortung“ aus dem Jahr 1993. Wichtig sei, dass Sozialdemokratie, Feminismus, Gender Studies und Gender Mainstreaming in Schweden in einem sehr engen Zusammenhang stünden.

 

Zeitgleich zur Einführung von Gender Mainstreaming wurde so auch der schwedische Feminismus immer populärer. Das zeige sich laut Rosenberg in der zunehmenden Popularisierung und Medialisierung des Feminismus in Schweden in den 1990er Jahren. Verantwortlich dafür sei eine neue Generation von Feministinnen gewesen, die sich in allen Mediensparten profiliert hätte. Etwa ab dem Jahre 2000 erklärten sich dann mit der Ausnahme christdemokratischer und konservativer Parteien alle schwedischen Parteien als feministisch. Die Selbstbezeichnung des Staatsministers Göran Persson als Feminist sei ebenfalls in diesen Kontext einzuordnen. Feminismus sei – so Rosenberg – zum Synonym für Gleichberechtigung geworden.

 

Wo die Einen eine Aufwertung des Begriffs „Feminismus“ sehen, sprachen Andere durchaus auch skeptisch von einer „Entpolitisierung“ gleichstellungspolitischer Ziele der Frauenbewegung. Derartige Kritiken wurden ab 2005 lauter. Nach der Gründung der Feministischen Initiative im April 2005 habe die Ausstrahlung eines demagogisch gestalteten Dokumentarfilms „Der Geschlechterkrieg“ über Frauenhäuser eine Dämonisierung und Karikierung von Feministinnen und Feministen nach sich gezogen. Feminismus sei dadurch ein negativ konnotiertes Wort in Schweden geworden – eine Entwicklung, die auch die Einstufung des genannten Films durch die schwedische Medienbehörde als unsachlich nicht aufhalten konnte.

 

Die anti-feministische Wende sei durch den Regierungswechsel im September 2006 von einer sozialdemokratischen hin zu einer liberal-konservativen Regierung zementiert worden. Daher könne eigentlich weder gleichstellungspolitisch noch im Bezug auf Gender Mainstreaming weiter vom einstigen Vorreiter Schweden gesprochen werden.

 

In der anschließenden Diskussion wurde die enge Verknüpfung des Erfolgs bzw. Misserfolgs von Gender Mainstreaming mit einer parteipolitischen Programmatik problematisiert. Im schwedischen Fall sei die enge Verknüpfung von Feminismus/Gender Mainstreaming mit der Sozialdemokratie zwar insofern positiv, als dass im Verwaltungsapparat nach wie vor viele sozialdemokratische Beamtinnen und Beamte engagiert seien. Schwierig sei allerdings, dass eine überparteiliche Zusammenarbeit für die Gleichstellung von Frauen und Männern kaum erfolge. Außerdem sei ein Abbau von gleichstellungspolitischen Strukturen auch im Fall eines erneuten Regierungswechsels nicht ohne weiteres rückgängig zu machen.

 

Zudem stellte sich die Frage, ob nicht doch eine positivere Bewertung der schwedischen Entwicklungen möglich sei. So wurde die Politisierung des Begriffs „Feminismus“ 2005 auch als Gewinn betrachtet.

 

Zur Vortragenden:

 

 

Tiina Rosenberg ist seit 2005 Professorin für Gender Studies an der Universität in Lund, Schweden. Darüber hinaus ist sie Direktorin des an der selben Universität angesiedelten Centre for Gender Studies. Vorher war sie zwischen 1999 und 2005 als Associate-Professorin für Gender Studies und Theaterwissenschaften an der Universität in Stockholm, Schweden, tätig.

Prof. Tiina Rosenberg hat einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, Queer Theory und Queer Studies in die Gender Studies zu integrieren.


Ausgewählte Publikationen von Prof. Tiina Rosenberg:

 

 

Rosenberg, Tiina: L-ordet: Vart tog alla lesbiska vägen? (The L-Word: Where Have All the Lesbians Gone?), Stockholm 2006.

 

Rosenberg, Tiina: Queerfeministisk agenda (Queer feminist Agenda), Stockholm 2002.

 

Weitere Publikationen können Sie der ausführlichen Publikationsliste entnehmen.
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 05.08.2010 11:49