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"Gender-inclusive language: Gender-Aspekte der Globalisierung der englischen Sprache"

Gender Lecture mit Prof. Dr. Anne Pauwels:

Im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe "Gender Lectures" ging es in der Veranstaltung am 16.06.04 um das Thema geschlechtergerechte Sprache. Prof. Dr. Anne Pauwels (Professor of Linguistics, Dean - Faculty of Arts, Humanities and Social Sciences, The University of Western Australia) informierte über aktuelle Forschungsergebnisse zu "Gender-inclusive language: Gender-Aspekte der Globalisierung der englischen Sprache".


Die zunehmende Globalisierung von Englisch steht in einem Spannungsfeld von linguistischem Imperialismus und einer "gender-inclusive" Sprache. Sprache wird häufig nur dupliziert, wobei es eine Vielfalt unterschiedlicher "Englischs" gibt, die sich nicht als Dialekte qualifizieren lassen. Zum sogenannten "inner circle" gehören dabei beispielsweise Australien, Kanada, Neuseeland, die USA und Großbritannien. Gleichzeitig gibt es einen sich ständig erweiternden Kreis von Ländern, in denen Englisch die wichtigste Fremdsprache ist und zusätzlich über Anglizismen Eingang in die Muttersprache findet und somit weitestgehend auch substanzieller Bestandteil der Gesellschaft wird.

So entwickelt sich ein "outer circle" in (mehrsprachigen) Ländern wie Singapur, wo sich Englisch zu mehr als einer Bürokratiesprache entfaltet. Das liegt daran, dass immer mehr Kinder mit Englisch aufwachsen und somit nicht mehr mit Englisch-Lernenden, sondern eher mit "Native Speakers" verglichen werden müssen.

Für geschlechtergerechte Sprache stellt sich unter diesen Gegebenheiten die Frage, wie sich z.B. bei Sprachreformen feministische Ansprüche durchsetzen lassen und wie sich diskriminierende Aspekte im Zeitverlauf verändern oder mittels gezielter Reformen verändern lassen.

Prof. Pauwels' methodisches Vorgehen für einen Sprachvergleich basiert auf den Elementen Korpus Analyse, Internet-Umfragen bei TEaGIRL, Interviews, Recherche in Archiven sowie Text- und Diskursanalysen. Ein erstes grundlegendes Ergebnis des Sprachvergleichs war, dass Veränderungen in der Aussprache als erstes durch junge Erwachsene erzeugt werden, die – ohne es zu wissen – zu den Hauptkräften für eine geschlechtergerechte Sprache avancieren.

Um unterschiedliche Entwicklungen zwischen "inner circle" und "outer circle" zu erfassen, hat Prof. Pauwels u.a. generische Pronomen, Wortverbindungen mit "man" und "person" sowie weibliche Adressierungsformen wie Miss und Misses in Singapur und Australien verglichen. Unter generischen Pronomen werden Begriffe wie "he", "He or she", "singular They", "she" und "it" gefasst. Ähnlich wie im Deutschen wird die männliche Form teilweise als einzige benutzt. So wird im Englischen "he" oft auch benutzt, wenn sowohl Männer als auch Frauen gemeint sind. Eine vergleichbare, generische Verwendung des "she" hat sich in einigen seltenen Ausnahmefällen in den Geisteswissenschaften der australischen Universitäten durchgesetzt. Als Alternative gilt die Kombination "he or she" und die grammatikalisch falsche Form des "singular they". Ein Beispiel für "singular they" ist der Satz "A student must bring their textbook to class".

Analysiert wurden rund 170.000 Wörter in Singapur und rund 282.000 Wörter in Australien, die sowohl aus dem akademischen, wirtschaftlichen und medialen Sprachgebrauch kamen als auch beispielsweise aus Cartoons und "gesprochener" Sprache. Analyseergebnis war, dass in Singapur fast ausschließlich (96%) das generische "he" benutzt wird und zu einem geringen Prozentsatz (3,6%) das "singular they". In Australien hingegen wird überwiegend das "singular they" (74,9%) benutzt, während das generische "he" (18,2%) deutlich seltener vorkommt und die Kombination "he or she" (4,5%) eher zunimmt. Erstaunlich an diesem Ergebnis ist, dass das "singular they" in Australien sowohl geschrieben als auch gesprochen wird und die Kombination "he or she" im akademischen Sprachgebrauch gleichermaßen bei Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verwendet wird.

Die Korpus-Analyse hinsichtlich der Begriffe "-man" und "-person" ergab ein ähnliches Bild. In Australien ließen sich nur die drei Begriffe "craftsman", "cameraman" und "horseman" als generische Form herausfiltern, während in Singapur rund 21 Formen (wie "businessman", "chairman", "serviceman") ausschließlich in männlicher Schreibweise benutzt wurden. Für den Korpus "-person" gab es hingegen in Australien sechs Beispiele, in Singapur aber kein einziges. Zusätzlich dazu zeigte sich für Australien, dass Begriffe gänzlich ohne "-man" oder "-person" benutzt werden, z.B. bei "chair" statt "chairperson".

Schwieriger gestaltete sich die Analyse der weiblichen Adressierungsformen, die für Australien durchgeführt wurde, da die Grenzen zwischen Titeln wie "Mrs.", "Ms." und "Miss" verschwimmen in der gesprochenen Sprache. Interessant sind dabei die dahinterliegenden Konnotationen und die Entstehungsgeschichte. Im Deutschen entsprechen "Mrs." und "Miss" den Titeln "Frau" und "Fräulein", während es keine Übersetzung für "Ms." gibt. Im australischen Sprachgebrauch wird nun "Mrs." synonym für "ältere, verheiratete Frau", "Ms." für "junge (unverheiratete) Frau" und "Miss" für "unverheiratete Frau" verwendet. Erstaunlich – verglichen beispielsweise mit Deutschland – ist, dass junge Frauen Wert darauf legen, mit "Ms." tituliert zu werden, also quasi ein Fräulein-Äquivalent wünschen. In Prozentzahlen ausgedrückt stieg der Wunsch von Frauen, "Ms." tituliert zu werden, laut einer Umfrage von Anne Pauwels, im Zeitraum 1986 bis 2001 von 20 auf 48 %. Die Neuentstehung des Titels "Ms." geht auf die – wahrlich profane – Erklärung zurück, dass die ersten Computersysteme nur begrenzt Zeichen akzeptierten, und deswegen "Mrs." auf "Ms." verkürzten. Der Titel "Master" für junge, unverheiratete Männer ist indessen komplett entfallen.

Insgesamt liefern die methodischen Analysen des TEAgIRL-Projekts ein sehr differenziertes Bild für Australien und Singapur über bereits gemachte und zukünftige Entwicklungen eines gender-inclusive Englisch und die jeweiligen Gründe.

In Australien zeigt sich deutlich eine zunehmende Annahme und Akzeptanz eines geschlechtergerechten Englisch, es wird in den meisten gesellschaftlichen Bereichen zumindest toleriert und aggressiver Widerstand ist nicht vorhanden. Auch wenn es noch nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Norm gelangt ist, so zeigt sich doch anhand der Entwicklung des "singular they", dass alternative Formulierungen sich mehr und mehr verbreiten. Vorangetrieben wird der Sprachwandel vorrangig von Frauen über dreißig, mit tertiärer Bildung und Beschäftigung in höher qualifizierten Bereichen der Bildung, der öffentlichen Verwaltung und bestimmten Wirtschaftszweigen wie der Luftfahrt und dem Bankenwesen. Zurückzuführen ist das laut Anne Pauwels darauf, dass ein Sprachwandel auch einer prozesshaften Ausbildung entsprechenden Bewusstseins bedarf, welches sich offensichtlich bei Frauen erst ab ungefähr dreißig Jahren und während der Berufstätigkeit entwickelt.

Festzustellen sind insgesamt für Australien vier Stätten des Wandels bzw. der Herausbildung geschlechtergerechter Sprache. Erstens im Bildungssystem, wo es explizit von Männern und von Frauen eingefordert wird und es dadurch als "eye-opener" fungiert sowie bei Missachtung zu Sanktionen kommen kann. Zweitens in der öffentlichen Verwaltung, in der geschlechtergerechte Sprache explizit durch Richtlinien in Dokumenten herbeigeführt wird. Allerdings erscheint der Prozess hier zweischneidig, da einerseits zwar alle neuen Gesetze geschlechtergerecht formuliert werden, aber in der "gesprochenen" Sprache geschlechtergerechte Formulierungen nur in notwendigen Situationen verwendet werden. Es ist also davon auszugehen, dass es in diesem Bereich zu einer Form von "Trittbrettfahren" bei geschlechtergerechter Sprache kommt. Als dritte Stätte des Wandels ist die Werbung und generell die Medienlandschaft zu erkennen, wo geschlechtergerechte Sprache automatisch und implizit vorrangig von jungen Menschen benutzt wird. Die vierte und letzte Stätte sind religiöse Institutionen, in denen geschlechtergerechte Sprache vermehrt aufgegriffen wird.

Verglichen mit Australien zeichnet sich in Ansätzen in Singapur ein ähnliches Bild ab. Befördert wird hier geschlechtergerechte Sprache vorrangig durch Frauen, die entweder in Nicht-Regierungs-Organisationen arbeiten oder aber beispielweise durch ein Studium mit anderen Gesellschaften Kontakt hatten, in denen geschlechtergerechte Sprache benutzt wird. Ebenso wie in Australien – wenn auch in einem deutlich geringeren Maße – spielen die öffentliche Verwaltung, Bildungsinstitutionen und Medien eine weitere wichtige Rolle. Im Gegensatz zu Australien fehlt hier aber die Regierungsunterstützung, um die Durchsetzung geschlechtergerechter Sprache zu forcieren. Eine neue Entwicklung zeichnet sich durch das Fernsehen, und da speziell bei den "Soaps", ab. Hier gilt geschlechtergerechte Sprache neuerdings als populär.

Dennoch ist das Ausmaß von gender-inclusive Englisch in Singapur eher gering, was vor allem darauf zurückzuführen sei, dass die öffentliche und institutionelle Billigung fehlt und das Bewusstsein für Gender-Fragen im allgemeinen eher begrenzt ist. So wird beispielsweise von Schulbuchschreibenden darauf geachtet, wie viele Jungen und Mädchen in den Büchern vorkommen, aber die Sprache bleibt davon unberührt. Hinzu kommt, dass der überwiegende Anteil der chinesischstämmigen Bevölkerung in Singapur sich gegen geschlechtergerechte Sprachreformen ausspricht. Ein weiterer Unterschied zu Australien liegt laut Anne Pauwels in dem Fakt, dass die Funktion von Englisch zwar mittlerweile einer Muttersprache ähnelt, aber immer noch die Zweitsprache ist. Englisch nimmt somit keine interaktive Funktion ein, sondern wird nur instrumentell benutzt. Es ist kein Mittel, um die eigene Identität auszudrücken, deshalb entsteht vermutlich auch kein Bedürfnis für geschlechtergerechte Sprache.

Welche Schlüsse sich aus den Forschungsergebnissen für die Durchsetzung von Gleichstellung insgesamt ziehen lassen, bleibt für Anne Pauwels eine offene Frage. Geschlechtergerechte Sprache ist momentan immer noch eine Frage der "Political Correctness", wobei eine nicht-sexistische Sprache aber immer noch nicht mit einer gender-inclusive Sprache gleichzusetzen ist. Für Gleichstellung spielen außerdem noch andere Faktoren eine Rolle wie Bilder und Bewusstsein, und ob da geschlechtergerechte Sprache das Mittel zum Zweck ist, könne in diesem Zusammenhang nicht abschließend geklärt werden. Das gelte auch für Wörter, mit den Endungen "–er" (waiter) und Fragen, wie Transgender forschend zu erfassen und zu repräsentieren sei.

 


Zur Vortragenden:

Prof. Dr. Anne Pauwels beschäftigt sich seit mehr als zwanzig Jahren mit sprachlicher Diskriminierung. Ein Schwerpunkt der Arbeiten lag dabei auf einem Vergleich von Englisch mit anderen Sprachen wie z.B. Deutsch und Holländisch und dem Wandel von Sprache durch zunehmende Beteiligung von Frauen in der Öffentlichkeit. Aktuell arbeitet Sie an der University of Western Australia im Projekt "Transcultural Englishes and Gender-Inclusive Reform of Language" (TEaGIRL) mit dem Ziel, Entwicklungen der englischen Sprache bezüglich Identität, Gender, Gleichberechtigung und Diskriminierung in Singapur, Hongkong und den Philippinen zu erforschen.

Dokumentation des Vortrags von Prof. Anne Pauwels in Englisch: "Globalisation of English and the spread of gender-inclusive language reform" (inklusive der Powerpoint-Präsentation) unter http://www.teagirl.arts.uwa.edu.au/presentations_and_publications


Ausgewählte Publikationen:

Generic pronouns and gender-inclusive language reform in the English of Singapore and the Philippines. (with Joanne Winter) Australian Review of Applied Linguistics 27 (2). 2004.

Linguistic sexism and feminist activism. In J. Holmes & M. Meyerhoff (eds) The Handbook of Language and Gender. Oxford: Basil Blackwell, 550-570. 2003a.

Mapping trajectories of change - Women's and men's practices and experiences of feminist linguistic reform in Australia. (with Joanne Winter) Australian Review of Applied Linguistics 26.1: 19-37. 2003b.

Pronoun choice and feminist language change in the Australian Media. (with Kellinde Wrightson-Turcotte) Australian Journal of Communication 28 (1): 69-82. 2001a

Non-sexist language reform and generic pronouns in Australian English. English World Wide 22/1: 105-19. 2001b

Spreading the feminist word? A sociolinguistic study of feminist language change in Australian English: The case of the new courtesy title ‘Ms’. In M. Hellinger & H. Bussmann (eds) Gender across languages. Amsterdam: Benjamins, 137-151. 2001c.

Women Changing Language. London: Longman. 1998.

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