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Gender-Aspekte Kindertagesstätten

Klientel/ Eltern

Kindertageseinrichtungen haben nach dem bundesweit gültigen Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 22, Absatz 2 und 3 KJHK) den Bildungsauftrag, die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern (mehr dazu im Sachgebiet Jugend). Dabei haben sie auch die Aufgabe, Eltern dabei zu unterstützen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander vereinbaren zu können.

Trotz dieser vorhandenen gesetzlichen Regelungen wünschen Eltern sich ein besseres Angebot an Betreuung, Erziehung und Bildung für ihre Kinder. Im Besonderen werden die bestehenden Öffnungs- und Betreuungszeiten als Hinderungsgrund für die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf genannt. Längere und flexible Öffnungszeiten werden gewünscht, so z.B. auch die Forderung nach Samstagsöffnungszeiten von Kindertagesstätten, wie der Kita Check 2008  des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) aufzeigt.

Gender Mainstreaming in Kindertagesstätten bedeutet im Kontext der Elternansprache, die Beteiligung von Vätern und Müttern an ihren Aktivitäten und Funktionen zu reflektieren und einseitige Zuschreibungen an Frauen und Männer abzubauen, z.B. indem Mütter und Väter gleichermaßen angesprochen werden (Rohrmann, 2005). Für eine gleichstellungsorientierte Ansprache von Eltern ist es also zu vermeiden, stereotype Vorstellungen zu manifestieren. Folgende Fragen sind dabei zu prüfen:

  • Werden Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen bzw. werden alle Eltern gleichermaßen angesprochen? Gibt es beispielsweise einen sensibilisierten Umgang mit gleichgeschlechtlichen Ehepartner_innen?

  • Wie werden Mütter oder Väter in Bezug auf Aktivitäten und Funktionen angesprochen? Gibt es Überlegungen zur Integration von Menschen mit besonderer körperlicher Verfassung?

  • Wer wird für welche Dienste innerhalb der Kindertagesstätten angesprochen: Wer backt die Kuchen für Feste, wer übernimmt hauptsächlich Aufsichtsdienste und wer sitzt mehrheitlich im Elternbeirat? 

  • Werden die Bedürfnisse berufstätiger, alleinerziehender oder nicht deutsch(sprachig)er Mütter und Väter berücksichtigt? Werden spezielle kulturelle oder religiöse Anliegen wahrgenommen und in den Alltag integriert?

  • Gibt es gezielte Angebote, die Vätern Anreize für den Alltag mit Kindern bieten?


Fachpersonal

In deutschen Kindertagesstätten arbeiten wesentlich mehr Frauen als Männer. Daten zu intersektionalen Aspekten wie der Herkunft, religionszugehörigkeit, sprache oder körperlichen Verfasung des Betreuungspersonals in Kindertagesstätten liegen bis jetzt nicht vor.

Im Zusammenhang mit der frühkindlichen Bildung wird in der aktuellen Debatte von einer "Feminisierung" gesprchen. Diese "Feminisierung" hat einen historischen Hintergrund, der auf Geschlechterstereotypen basiert, und mit dessen Ergebnissen wir heute konfrontiert sind. Frühpädagogische Berufe waren seit ihrer Institutionalisierung als Frauenberufe angelegt, für die Frauen "qua Geschlecht" qualifiziert seien – entsprechend wenig Wert wurde auf eine umfassende professonialisierte Qualifizierung gelegt (u.a. von Balluseck 2009). Insbesondere in Deutschland hält sich bis heute ein traditionelles Mutterbild, wonach Frauen "von Natur" aus oder auf Grund ihrer weiblichen Sozialisation als besonders geeignet gelten, sich mit jungen Kindern zu befassen. Eine weitere Folge besteht darin, dass in Deutschland Erzieherin/ Erzieher ein Ausbildungsberuf ist, und nicht wie in den meisten europäischen Ländern eine Hochschulausbildung erfordert. Die Diskussion zur Qualität frühkindlicher Bildung sollte hier zu einer im internationalen Vergleich überfälligen Aufwertung des Berufes beitragen (vgl. Paritätischer Wohlfahrtsverband / Diakonie / GEW 2005).

Männer beteiligen sich an professionalisierter Erziehungsarbeit zu 3,23 % – und dies inklusive Praktikanten und Freiwilligen (Rohrmann 2007). Auch dies ist eine Nachwirkung der vergeschlechtlichten Geschichte des Berufs: Geringere Aufstiegsmöglichkeiten ("Sackgassenberufe") und geringeres Einkommen machen den Beruf wenig attraktiv. Dazu kommen bestimmte Geschlechterstereotypen, die eine dominante Vorstellung von Männlichkeit transportieren ("Softie" vs. Erfolg). Insofern gibt es zahlreiche Push- und Pull-Faktoren sowie derzeit unattraktive Rahmenbedingungen für Ausbildung und Arbeit im frühpädagogischen Bereich. Mit diesen Fragen beschäftigt sich seit September 2008 das Forschungsprojekt „Männer in der Ausbildung zum Erzieher und in Kindertagesstätten” an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin, gefördert vom BMFSFJ als Teil des Handlungsschwerpunkts „Rollenbilder erweitern - Neue Perspektiven für Männer”.

Maßnahmen gegen die Geschlechtersegregation können vielfach ansetzen. Dazu gehören Maßnahmen zur Berufsentscheidungsphase (Beispiel: „Neue Berufe für Jungs” des Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit), zur Ausbildung (Integration von Gender-Kompetenz) und zur Arbeit selber (Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung). Eine „bloß quantitative Strategie des 'Auffüllens' von 'Frauenberufen' mit Männern” ( Kasike / Krabel / Schädler / Stuve 2005:5) ist also isoliert nicht erfolgversprechend. Es muss u.a. gezeigt werden, was Menschen – konkret: Frauen – leisten, die in diesem Bereich arbeiten, und welche Vorteile für Männer und die Gesellschaft mit einer Erweiterung männlicher Verhaltens- und Lebensweisen sowie mit mehr Gleichstellung verbunden sind.

Qualifikation des Fachpersonals: Gender-Kompetenz

Ein wichtiger Aspekt von Gleichstellungsfragen in Kindertagesstätten ist die Erweiterung der Qualifikation des Fachpersonals hinsichtlich der Gender-Kompetenz. Das bedeutet, gender-bezogenes pädagogisches Wissen zu vermitteln und die Handlungskompetenzen der Erziehenden zu erweitern. Dabei ist ein Ziel, die Zuschreibungsprozesse, die Kindern und Jugendlichen im Prozess ihrer Persönlichkeitsentwicklung in Form von geschlechterstereotypen Wertungen entgegengebracht werden, zu beobachten und zu analysieren - um schließlich einer Einengung in der Entwicklung der Kinder entgegen zu wirken.

Bei der Vermittlung von gender-kompetentem pädagogischem Wissen ist es wichtig, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als einen interaktiven Prozess zu verstehen, der von mehreren Faktoren geprägt ist. Zum ersten von äußeren Faktoren wie den Erwartungen der Erziehungsberechtigten oder der Geschwister, den Lehrer_innen oder den Medien und der Politik. Und zum zweiten von inneren Faktoren der Betreuenden selbst, wie eigene Bilder und Selbstentwürfe oder biographisch geprägte Vorstellungen über das eigene Geschlecht. Zentrale Voraussetzung für gender-kompetentes Handeln ist also die Bereitschaft des Fachspersonals, die eigenen Einstellungen und das eigene Verhalten in der alltäglichen, professionellen Interaktion mit Kindern kritisch zu reflektieren.

Das übergeordnetes Ziel ist schließlich die Entwicklung und Konzeption von Maßnahmen, die einengende geschlechtliche Zuschreibungen reflektieren und erweitern. Dazu zählt auch eine Klärung auf allen Entscheidungs- und Handlungsebenen, wie die Auswirkungen von geschlechtshierarchischen Zuschreibungen gemindert werden können (Voigt-Kehlenbeck 2005).

Konkrete Fragen zur Konzeption solcher Maßnahmen können sein:

  • Welche ungewollten oder gewollten Haltungen haben Betreuer_innen in Bezug auf Geschlechterverhältnisse und Geschlechterzuschreibungen? Und inwieweit fließt ihre Haltung in ihr alltägliches Handeln mit Kindern ein?

  • Welche Angebote werden in der Kindertagesstätte für Mädchen und für Jungen geschaffen? Sind diese für alle offen oder grenzen sie explizit oder implizit bestimmte Mädchen oder Jungen aus? Welche Verhaltensweisen werden bei Jungen/Mädchen im Hinblick auf Gefühlsausdrücke wie Wut, Trauer und Freude bestärkt oder abgewertet?

  • In gemischtgeschlechtlichen Teams: Wie ist die Arbeitsteilung im Team - Wer hat wann das Sagen? Wie werden egalitäre Verantwortlichkeiten im Team an die Kinder vermittelt? Wer gibt Grenzen und Gesetze bekannt (Wie verweisen Männer auf die Autorität von Frauen und umgekehrt? Wie verhalten sich Frauen und Männer in Konfliktfällen?)

Gender-Kompetenz in der Arbeit in Kindertagesstätten beinhaltet somit vielfältige Fähigkeiten und Qualifikationen:

  • die Fähigkeit, sozialpolitische Veränderungen (z.B. unter dem Eindruck verschärfter Armutsverhältnisse, veränderter Ausgrenzungsmechanismen, durch Globalisierung und die Umstrukturierung des Sozialstaates, Hartz IV etc.) aus einer Gleichstellungsperspektive betrachten zu können,

  • das Bewusstsein über geschlechterbezogene Benachteiligungen und Ausgrenzungen (z.B. welche sozialen Gruppen) und wie sich Geschlechterbeziehungen mit weiteren Strukturen sozialer Ungleichheiten verschränken (z.B. Generationenbeziehungen in Familien, Ungleichheiten im Bildungssystem und auf den Arbeitsmärkten, Machtasymmetrien zwischen professionellen Helfer_innen und Klient_innen, Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen und Menschen, die keine deutsche Staatsanghörigkeit haben),

  • das Vermögen, diese Fragen nach Interdependenzen zu erörtern und die eigenen Haltungen und Handlungen aus einer genderreflexiven Perspektive zu beobachten (Voigt-Kehlenbeck 2005),

  • die Fähigkeit, eine fachlich-kritische Distanz zur eigenen Handlungsebene zu suchen und die Bereitschaft selbstkritisch zu analysieren, welche stereotypen weiblichen oder männlichen, – aber auch latent westlich-weißen oder heteronormativen – Selbstkonzepte, Interaktions-, Kommunikationsstile oder Lebensentwürfe die professionelle Arbeit unbewusst beeinflussen.


Ausbildung des Fachpersonals

Gender Mainstreaming spielt nicht nur eine Rolle für die  Qualität der Betreuungsarbeit, sondern stellt auch  Anforderungen an die laufenden Weiterbildungsangebote, die Personalentwicklung in Kindertagesstätten und kindergärten sowie an die Ausbildung des pädagogischen Fachpersonals. In den Ausbildungs- und Lehrplänen der Fachschulen für Sozialpädagogik sind Geschlechterthemen jedoch nur teilweise verankert; in entsprechenden Fortbildungen zur Weiterqualifizierung der Dozentinnen und Dozenten der Sozialpädagogik werden sie nur teilweise angeboten. Die Integration von Gender- und Gleichstellungsthemen scheitert meist daran, dass es häufig an Gender-Kompetenz mangelt um dies umzusetzen. Von Seiten der Bildungsstätten gibt es  durchaus den Wunsch, Gender-Themen in die Lehrpläne zu integrieren, wie die Fachschulbefragung des Projektes „Gender Loops – Gender Mainstreaming in der Aus- und Fortbildung von Erzieher/innen und in Kindertageseinrichtungen“ deutlich macht. Über 70 Fachschulen wünschen sich demnach weitere Unterstützung bei der Implementierung und Bereitstellung von geschlechtsbezogenen Unterrichts- und Praxisangeboten (Krabel 2008). Hierzu liefert das Projekt Gender Loops Praxisbeispiele, die einen Einstieg zur Beförderung von Gleichstellungsstrategien in der Ausbildung vorstellen.

Als Anregung zur Integration von Gleichstellungsfragen in die Ausbildung kann auch der Medienkoffer „Frauen und Männer“ - Gleich geht's weiter“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dienen. Dieser kann seit Januar 2009 bei den Landesmediendiensten der einzelnen Bundesländer kostenfrei von Lehrerinnen und Lehrern der 9. bis 12. Klasse ausgeliehen werden. Hauptbestandteil des Medienkoffers ist die DVD "Frauen und Männer - Gleich geht's weiter". Die Filme bestehen aus insgesamt fünf Clips zum Thema Gleichstellung. Außerdem gibt es eine CD-ROM, auf der unter anderem Gesetze wie das Elterngeld erklärt werden.

Informationen zum Medienkoffer erhalten Sie unter http://www.landesfilmdienste.de/.


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Weiterführende Literatur

  • Balluseck, Hilde von: Der Kontext der akademischen ErzieherInnenausbildung, 07.04.2009, ErzieherIn.de – Das Portal für die Frühpädagogik.

  • Gender LOOPs - GM im Bereich der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen in Kitas

  • Krabel, Jens (2008): Gender Loops. Gleichstellungsstrategien und geschlechterreflektierte Pädagogikansätze in der Ausbildung für Erzieher/innen und in Kindertageseinrichtungen. In: GiP - Gleichstellung in der Praxis, 4. Jg. Heft 5, S. 24-29

  • Henry-Huthmacher, Christine (2005): Kinderbetreuung in Deutschland – ein Überblick. Sankt Augustin

  • Meyer, Dorit/ Ginsheim, Gabriele v (2002): Gender Mainstreaming. Zukunftswege der Jugendhilfe. Berlin

  • Paritätischer Wohlfahrtsverband/ Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche Deutschland / Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hrsg.): Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung, Berlin 2009.

  • Rohrmann, Tim (2007): Männer in Tageseinrichtungen für Kinder: Es werden mehr – aber nur sehr allmählich, in: Switchboard Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit. 19. Jg Nr. 182/2007, S. 4-6

  • Rohrmann, Tim (2005): Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen. In: Kindertageseinrichtungen aktuell, Ausgabe ND, 2003, 11. Jg, Teil 1: Heft 11, S. 224-227, Teil 2: Heft 12, S. 248-252. Aktualisiert August 2005

  • Voigt-Kehlenbeck, Corinna (2005): Genderkompetenzen in der Kinder- und Jugendhilfe. In: E&C Zielgruppenkonferenz: "Ansatzpunkte der Implementierung von Gender Mainstreaming in Projekten und Einrichtungen der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe", Dokumentation der Veranstaltung vom 14. und 15. März 2005.

 
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