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Gender - immer relevant?

Es stellt sich nicht zuletzt bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming die Frage, ob Gender überall eine Rolle spielt. Dies ist auch in den Gender Studies aus heutiger Sicht umstritten. Auf die Frage, welche Relevanz das Geschlecht als Kategorie sozialer Ordnung heute noch hat, wird zum einen auf Beharrungstendenzen verwiesen, zum anderen behauptet, hier sei alles im Fluss. Entweder wird Geschlecht als die strukturwirksamste gesellschaftliche Kategorie im Sinne eines „sozialen Platzanweisers“ (Brückner 2004) verstanden oder es wird ein „Bedeutungsverlust“ (Knapp 2001) kritisiert. Erstere Position geht davon aus, dass sich sowohl die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern als auch die gesellschaftlichen Diskurse um Geschlecht pluralisieren. Trotz noch existenter, struktureller Ungleichheit (wie z.B. bei der Erwerbsbeteiligung oder der geschlechterhierarchischen Arbeitsteilung) lässt sich auf der sozialstrukturellen Ebene ein Wandel der Geschlechterverhältnisse beobachten (Gottschall in Degele 2004). Eine andere Position vertritt die These einer „Ungleichzeitigkeit“ in der Entwicklung von sozialen Lebensverhältnissen und Diskursen um Geschlecht: Es fänden zwar diskursive Veränderungen, wie die Flexibilisierung und Dezentrierung der Kategorie Geschlecht statt, aber dessen Bedeutung im Kontext von sozialer Ungleichheit bleibe bestehen.

Wie diese Debatte aus den Gender Studies zeigt, ist bei der Frage nach der Relevanz von Gender zu unterscheiden, ob es um die Beschreibung gesellschaftlicher Zustände geht (wie sie sich z.B. in Daten und Statistiken zum Geschlechterverhältnis abbilden) oder um normative Auffassungen davon, wie es sein sollte (also um die Interpretationen, die aus dem Datenmaterial in Bezug auf Gleichstellung abgeleitet werden).

Angesichts der unumstrittenen Tatsache, dass Geschlecht meist eine problematische Rolle spielt, weil es benutzt wird, um Menschen auf bestimmte Klischees zu reduzieren, vertreten inzwischen Einige die Auffassung, es gehe statt um ein „doing gender“ vielmehr um ein „undoing gender“ (Lorber 2004). „Undoing Gender“ meint nicht, dass Gender überflüssig werden soll oder etwa wieder Geschlechtsneutralität eingeführt werden soll. „To undo Gender“ zielt im ersten Schritt auf eine Bewusstwerdung über die Konstruktion der Geschlechterdifferenz und der damit einhergehenden stereotypisierenden Bewertungen. Im zweiten Schritt geht es um einen Abbau von geschlechterhierarchisierenden Kategorisierungen und Bewertungen und eine gleichstellungsorientierte Veränderung von Gesellschaft.

Weiterführende Literatur

Brückner, Margrit: „Re“- und „De-Gendering“ von Sozialpolitik, sozialen Berufen und sozialen Problemen, in: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, Jg.22, H. 2/3, Bielefeld 2004, S. 25-39.

Butler, Judith: Das Ende der Geschlechterdifferenz?, in: Huber, Jörg/ Heller, Martin (Hrsg.): Konturen des Unentschiedenen: Interventionen / Museum für Gestaltung Zürich. Basel; Frankfurt/M 1997.

Degele, Nina: Differenzierung und Ungleichheit: Eine geschlechtertheoretische Perspektive. In: Schwinn, Thomas (Hrsg.): Differenzierung und Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung. Frankfurt/Main 2004, S. 371-398.

Knapp, Gudrun-Axeli: Grundlagenkritik und stille Post. Zur Debatte um einen Bedeutungsverlust der Kategorie „Geschlecht“, in: Heintz, Bettina (Hrsg.): Geschlechtersoziologie. Wiesbaden 2001, S. 54-74.

Lorber, Judith: Man muss bei Gender ansetzen, um Gender zu demontieren: Feministische Theorie und Degendering, in: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, 22.Jg., H. 2+3, Bielefeld 2004, S. 9-24.

Smy
erstellt von Administrator zuletzt verändert: 29.09.2014 16:26