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Bericht der Fachtagung: "Entgeltgleichheit herstellen – Strategien, Instrumente, gute Beispiele"

Entgeltgleichheit ist eine der ältesten Forderungen der Frauenbewegungen. Längst – in der EU schon seit 1957 (Art. 141 des EG-Vertrags) – ist der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit rechtlich verankert, tatsächlich realisiert ist er jedoch noch nicht. In den letzten Jahren ist in Deutschland ein breiter Konsens entstanden, dass diese weiter bestehenden Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern, die notorischen 23%, einen Skandal darstellen. Auch über die vielfältigen Ursachen gibt es mittlerweile ein verbreitetes Wissen, wie nicht zuletzt die Fachtagung „Equal Pay als mehrdimensionale Gleichstellungsfrage – Daten und Faktoren”

verdeutlichte. Der Handlungsbedarf ist erkannt, und es ist deutlich, dass die Verantwortlichkeiten auf verschiedenen Ebenen und bei verschiedenen Akteuren liegen. Bei allem breiten Konsens über die Wichtigkeit des Problems ist jedoch gleichzeitig das Spiel der gegenseitigen Schuldzuschreibungen weit verbreitet. Die Herstellung von Entgeltgleichheit entpuppt sich als ein konkretes Beispiel für die Querschnittsaufgabe Gleichstellung und für die Herausforderungen, die sie für die politische Gestaltung mit sich bringt.

Anknüpfend an diese Analyse stand auf dieser Fachtagung die Handlungsebene im Mittelpunkt: Welche Strategien werden in anderen Ländern verfolgt, um Entgeltgleichheit herzustellen? Welche Instrumente sind entwickelt worden?

Prof. Dr. Susanne Baer LL.M., Direktorin des GenderKompetenzZentrums, und Heike Claessen, Regierungsdirektorin im Referat Chancengleichheit im Erwerbsleben des BMFSFJ, begrüßten die Teilnehmenden, bevor Manfred Köhnen und Sebastian Scheele vom GenderKompetenzZentrum in einem rahmenden Vortrag die Bandbreite der Beiträge des Tages aufspannten.

Zentrale Gleichstellungsakteure aus der Schweiz, Großbritannien, Belgien und Deutschland stellten ihre Strategien und Instrumente vor. Dabei diskutierten die Teilnehmenden aus Bundes- und Landesministerien, Bundesbehörden, Gewerkschaften, Verbänden, Wissenschaft und Politik die einzelnen Instrumente auch im Kontext ihrer jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen. Besonders im internationalen Austausch wird deutlich, wie notwendig die Beschäftigung mit Fragen von Koordination, Institutionalisierung und „Equality Governance” ist, um Entgeltgleichheit herzustellen.

1. Ansatzpunkte für Maßnahmen

Das Europäische Parlament hat im Oktober 2008 einen Bericht zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen verabschiedet, in dem es die Europäische Kommission zur Überarbeitung und Ergänzung der Entgeltgleichheits-Richtlinien auffordert. Die Kommission soll bis zum 31.12.2009 einen Richtlinienvorschlag vorlegen. Das Parlament empfiehlt, die Mitgliedstaaten durch die Richtlinie zu Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen zu verpflichten. Aus den detaillierten Empfehlungen werden im folgenden diejenigen aufgeführt, zu denen die Tagung durch den fachlichen Austausch einen Beitrag leistete.

1.1 Transparenz

Das Europäische Parlament meint mit Transparenz zum einen das Erstellen von vergleichbaren und umfassenden staatlichen Statistiken zur Entgeltungleichheit. Mit diesem Aspekt befasste sich die letztjährige Fachtagung, in der es um u.a. um die Datenbasis und die Verbesserung der Vergleichbarkeit der nationalen Statistiken zur Entgeltgleichheit ging.
Zum anderen fordert es aber auch Transparenz auf Unternehmens-Ebene, beispielsweise durch verpflichtende Lohn-Audits, deren Ergebnisse den Beschäftigten und deren Vertretung zur Verfügung gestellt werden. Damit soll auch verhindert werden, dass die anhaltende Dezentralisierung bei der Festsetzung der Löhne zu einer größeren Entgeltungleichheit führt (S.14).

Sajeela Regula Schmid vom Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) stellte auf der Tagung die Schweizer Instrumente der statistischen Lohnanalyse vor, insbesondere das auch in Deutschland weit bekannte Instrument Logib. Es ermöglicht in Form einer frei verfügbaren Excel-Tabelle Unternehmen eine statistische Lohnanalyse zur ersten Standortbestimmung, die Resultate auf einen Blick liefert. Detaillierte Analysen sind dann mithilfe von vertiefenden Verfahren der statistischen Lohnanalyse möglich, die in der Schweiz von externen Fachleuten mit Hilfe spezieller Statistiksoftware durchgeführt werden. Statistische Verfahren zur Analyse sind wertvoll, und desto wertvoller, je besser sie eingebunden sind in rechtliche und strategische Kontexte. In der Schweiz verpflichtet dasBundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen den Bund, Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die die Lohngleichheit einhalten. Das EBG führt diese Kontrollen im Beschaffungswesen mithilfe von Stichproben durch. Das in Deutschland adaptierte InstrumentLogib-D hat keinen solchen Kontext und ermöglicht bislang nur einen ersten Überblick auf der Baisis freiwillige Selbstüberprüfung von Unternehmen. Die Verfahren der vertiefenden statistischen Analyse sind bislang in Deutschland wenig bekannt.

Ein weiterer Aspekt von Transparenz ist die Bewusstseinsbildung und die sensibilisierende Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise in Form von Kampagnen wie dem Equal Pay Day. Dagmar Bischof, Präsidentin der Business and Professional Women (BPW) Germany stellt den deutschen Equal Pay Day vor, den BPW letztes Jahr mit Unterstützung des BMFSFJ ins Leben gerufen hat. Der Termin des Equal Pay Day markiert den Zeitraum, den Frauen in Deutschland über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen, und trägt somit schon durch den Termin selbst (in diesem Jahr der 20. März) zur Bewusstseinsbildung bei. Die Resonanz auf den Aktionstag ist enorm. Die Zahl der Teilnehmenden stieg von 6.000 im letzten Jahr auf 65.000 Menschen 2009. Zudem wurde 2009 ein Aktionsbündnis ins Leben gerufen, an dem neben dem BPW der BDA (Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände), die BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten), der VdU (Verband deutscher Unternehmerinnen) und der Deutschen Frauenrat beteiligt sind.

1.2 Arbeitsbewertung

Das Europäische Parlament drängt darauf, diskriminierungsfreie Entgeltsysteme einzuführen (S.9). Dies ist sowohl auf betrieblicher Ebene als auch auf der Ebene der Tarifgestaltung wichtig.

Carla Rijmenams vom Institute for the equality of women and men (IGVM) aus Belgien stellte die Erfahrungen mit analytischer Arbeitsbewertung vor. Nachdem eine 2000 vom Arbeitsministerium beschlossene Überarbeitung der Arbeitsbewertungssysteme wenig Veränderung bewirkte, wurde das EVA-Projekt entwickelt. In ihm arbeiten Arbeitgeber, Gewerkschaften und das IGVM zusammen mit weiteren Expertinnen und Experten. Dabei wurden die Trainingsprogramme zur Arbeitsbewertung überarbeitet, um diskriminierungsfreie Arbeitsbewertungssysteme im Schnellballverfahren zu verbreiten. Zudem wurde die Geschlechtsneutralität analytischer Arbeitsbewertungssysteme in einer Studie untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwar auch bei Entgeltsystemen, die auf analytischer Arbeitsbewertung beruhen, noch eine Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern bestehen bleibt, diese jedoch vollständig erklärt werden kann. Daraus kann gefolgert werden, dass analytische Arbeitsbewertungsverfahren einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Entgeltdiskriminierungen auf betrieblicher Ebene leisten können.

1.3 Gleichstellungsgremien

Das Europäische Parlament fordert, die Mandate von Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien zu erweitern. Sie sollten in die Lage versetzt werden, die Anwendung von Rechtsvorschriften zu überwachen und darüber zu berichten und, soweit möglich, wirksamer und unabhängiger durchzusetzen.
Die Vortragenden auf der Tagung repräsentieren sehr unterschiedliche Gleichstellungsgremien und Institutionen in Bezug auf Mandate, Resourcen, institutionelle Anbindung oder Unabhängigkeit sowie inhaltlich-konzeptionelle Ausrichtung.

Keith Mizon stellte Advisory, Conciliation and Arbitration Service (ACAS) vor, eine unabhängige, aussergerichtliche Beratungs-, Schlichtungs- und Schiedsstelle in Großbritannien für alle Aspekte von Arbeitsverhältnissen. Der 1974 gegründete ACAS beschäftigt ungefähr 850 Männer und Frauen, wird hauptsächlich öffentlich finanziert und geleitet von einem Gremium, in dem Arbeitgeber, Arbeitgeber und Wissenschaft vertreten sind. ACAS berät in kollektiven und individuellen Streiten und kann bis zu 80% der Fälle aussergerichtlich schlichten. Fragen der Entgeltgleichheit und von Diskriminierung spielen dabei eine zunehmende Rolle. ACAS berät in diesen Fällen bei der Anwendung von Arbeitsrecht und bietet Beschäftigtenschulungen an, unterstützt bei Entgeltgleichheits-Audits und bei diskriminierungsfreien Bezahlungssystemen und dient somit auch der Prävention von Diskriminierung. Richtschnur ist es, als neutraler Akteur Unterstützung zur freiwilligen Verbesserung der Arbeitsverhältnisse anzubieten.
Besonders für Unternehmen, die bei sich Entgeltungleichheit vermuten, ist dieser niedrigschwellige Zugang attraktiv. Sie kommen deshalb eher zu ACAS als zur Equality and Human Rights Commission (EHRC), der britischen „Antidiskriminierungsstelle”, die mit einem durchsetzendem und anordnendem Mandat ausgestattet ist.

Besonders für die EHRC, jedoch auch für ACAS gilt, dass sie schon im institutionellen Zuschnitt Gender nicht isoliert von weiteren Kategorisierungen – oder Diskriminierungsmerkmalen, wie es im juristischen Kontext und dem AGG heißt – betrachten. Die EHRC ging 2007 aus den Vorgängerinstitutionen Equal Opportunities Commission, Commission for Racial Equality und Disability Rights Commission hervor, wodurch nun die besten Voraussetzungen gegeben sind, sich mit den Herausforderungen der Interdependenzen der Kategorisierungen ausinanderzusetzen. Ein Beispiel, wie die EHRC diese Perspektive in die fachliche Arbeit umsetzt, ist ihre Studie zum Verdienstgefälle bezogen auf Geschlecht, Ethnizität, Religion, Behinderung/Befähigung, sexuelle Orientierung und Alter. Nicht zuletzt diese umsichtige Form der Institutionalisierung ermöglicht es in Großbritannien, integrierte Maßnahmen umzusetzen wie die „Equality Bill”, deren Entwurf jüngst im Parlament diskutiert wurde, oder das „Equality Impact Assessment”, das öffentliche Organisationen verpflichtet, bei allen Veränderungsprozessen die Auswirkungen auf die Gleichstellung bezogen auf Geschlecht, „Rasse” und Behinderung abzuschätzen. Auch für die Veränderung von Entgeltsystemen hat die EHRC eine Handreichung für ein solches Equality Impact Assessment entwickelt.
Es wird deutlich, dass vielfältige Ungleichheiten miteinander verwoben sind, und dass dies bei der Gestaltung der Maßnahmen systematisch berücksichtigt werden muss, um der Komplexität der Realität gerecht zu werden. Bei der Aufgabe, die wissenschaftliche Debatte um Intersektionalität und Interdepedenzen von Kategorisierungen in Maßnahmen umzusetzen, steht Deutschland bislang noch am Anfang.

Das Schweizer EBG wurde 1988 vom Bundesrat eingesetzt und ist ein Amt im Eidgenössischen Departement des Innern. Es fungiert als Gleichstellungsbehörde und hat bezogen auf Entgeltgleichheit einen gesetzlichen Kontrollauftrag aufgrund des Beschaffungsrechts. Es unterstützt zudem Unternehmen bei der praktischen Umsetzung von Maßnahmen, indem es finanzielle Zuschüsse für unternehmensinterne Projekte zur Gleichstellung vergibt.

Das belgische IGVM ist eine unabhängige öffentliche Einrichtung und ging 2002 aus der Chancengleichheits-Abteilung in der Behörde für Beschäftigung, Arbeit und sozialen Dialog hervor. Zusammen mit den Vorgängerinstitutionen blickt es auf über 30 Jahre Arbeit zur Förderung von Gleichstellung und im Kampf gegen Geschlechterdiskriminierung zurück. Das Institut forscht, informiert und vernetzt, es evaluiert Maßnahmen, erarbeitet Vorschläge zur Verbesserung von gesetzlichen Regelungen, und unterstützt darüber zudem Individuen mit Beratung und in Rechtsstreiten.

Für Gleichstellungsgremien und -institutionen festzuhalten bleibt, dass für eine stringente und nachhaltige Politik zur Herstellung von Entgeltgleichheit mit angemessenen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattete Gleichstellungsgremien notwendig sind. Der internationale Austausch kann bei der Suche nach passenden Lösungen inspirieren.

1.4 Sanktionen

Die Rechtslage gegen Entgeltdiskriminierung ist eindeutig und umfassend. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, §2 (2)) erklärt Benachteiligungen in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen“ für unzulässig. Dennoch scheinen die bestehenden Rechtsvorschriften nicht wirksam genug zu sein. Das Europaparlament regt an, sie durch geeignet Arten von Sanktionen zu verschärfen, und Maßnahmen zu treffen, dass diese Sanktionen gegebenenfalls tatsächlich verhängt werden.
So weist es darauf hin, dass bereits aufgrund der Richtlinie 2006/54 Schadenersatz, Entschädigung sowie Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Das deutsche AGG schreibt bislang nur vor, den „entstandenen Schaden zu ersetzen” (§15 (1)). Als mögliche Sanktion erwägt das Europaparlament ebenfalls den Ausschluss von staatlichen Vergünstigungen, Zuschüssen und öffentlichen Ausschreibungsverfahren.

Auf der Tagung wurde vorgestellt, dass in der Schweiz das Kriterium der Lohngleichheit bereits in das öffentliche Beschaffungswesen integriert ist. Es ist mit Sanktionen belegt und wird durch das EBG kontrolliert. Das Instrument Logib steht insofern in einem vollkommen anderen Rahmen als die deutsche Adaption Logib-D, wo es nur der freiwilligen Selbstüberprüfung dienen soll.
Die OECD hat international vergleichend zusammengestellt, über welche Möglichkeiten zu Anreizen und Sanktionen die verschiedenen Gleichstellungsbehörden verfügen, und wo sie auf eigene Initiative gerichtliche Schritte gehen können (OECD Employment Outlook 2008, Chapter 3: The Price of Prejudice: Labour Market Discrimination on the Grounds of Gender and Ethnicity, S.38f).

Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung sind die Rahmenbedingungen des individuellen Klagewegs. So bietet beispielsweise das belgische IGVM juristische Beratung und Unterstützung; auch die britische EHRC unterstützt in der individuellen Rechtsdurchsetzung und bietet finanzielle Unterstützung für eine Auswahl strategisch wichtiger Fälle.Das Beispiel des britischen ACAS zeigte, wie durch Beratung und Kompetenz-Vermittlung ein Betrag zur Verwirklichung des Rechts auf Entgeltgleichheit außerhalb des Gerichtswegs geleistet werden kann. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Vermittlungs- und Schlichtungsverfahren bietet ebenfalls der OECD Employment Outlook (Chapter 3, 42f).

Die Rechtsdurchsetzung wird auch erleichtert durch Unterstützung bei der Anwendung von Gleichstellungsgesetzen, wie sie das Schweizer EBG leistet: Basierend auf den oben genannten Verfahren zur statistischen Lohnanalyse hat es einen Leitfaden für Gerichtsgutachten für Richter und Richterinnen bei Prozessen um Lohngleichheit erstellt, nimmt teils Stellung zu Gerichtsverfahren und veröffentlicht Informationen für Beratungsstellen und Anwältinnen und Anwälte.

2. Verantwortungen und Zuständigkeiten - Equality Governance

Die vorgestellten Maßnahmen sollten nicht isoliert betrachtet werden. So verweist das Europäische Parlament darauf, dass ein den nationalen Besonderheiten angepasster Policy-Mix nötig ist, der neben den Rechtsvorschriften auch Maßnahmen gegen die Segregation des Arbeitsmarkts, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie eine Verbesserung der Entlohnung von schlecht bezahlten Arbeitsplätzen umfassen sollte, da diese überwiegend von Frauen besetzt sind: „Nur durch einen wirksamen Policy-Mix, zu dem auch bessere und wirksamere Rechtsvorschriften gehören, und durch eindeutige Zuständigkeiten lässt sich eines der hartnäckigsten Probleme im Bereich der Geschlechtergleichstellung bewältigen.” (S. 14)
Das BMFSFJ weist in seinem Dossier „Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland” darauf hin, dass es für eine ursachengerechte Strategie nötig ist, an verschiedenen Ursachenkomplexen anzusetzen: der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarkts, den Unterschieden in den familienbedingten Unterbrechungen zwischen Frauen und Männern sowie den Lohnverhandlungen, Arbeitsbewertungen und Entgeltsystemen. Deshalb wird bilanziert: „Um Fortschritte zu erreichen, müssen daher alle Einzelmaßnahmen in einer strategischen Allianz zusammengeführt werden.” (S. 34)

Einkommensgleichheit kann nur mit einer koordinierten Strategie unter Einbeziehung vielfältiger Akteure und aller Ressorts mit entsprechenden Zuständigkeiten erreicht werden. Sie ist somit ein klassisches Beispiel für den Querschnittscharakter von Gleichstellungspolitik. Wie Anna Lemcke ausführte, ist es eine Anforderung an eine angemessene Strategie zur Herstellung von Entgeltgleichheit ist, dass alle relevanten Akteure gleichzeitig und kohärent die verschiedenen Ursachen addressieren, statt das Spiel des „blame shifting”, also der gegenseitigen Schuldzuweisungen, weiterzuführen. Eine Voraussetzung dafür sind effektive Koordinationsstrukturen innerhalb der Bundesregierung und zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren.

Aus der Governance-Perspektive wird betont, dass das hierarchische Modell politischer Steuerung zu kurz greift; Ministerien können ihre Politikbereiche nicht alleine bearbeiten, der Staat kann ohne zivilgesellschaftliche Akteure keine nachhaltige Erfolge erzielen. Welche Rolle hat der Staat dann bei der Herstellung von Entgeltgleichheit?
Neben seiner offensichtlichen Funktion als Tarifvertragspartei und Arbeitgeber für den Öffentlichen Dienst ist der Staat als gestaltender politischer Akteur gefragt. Anna Maria Lemcke führte aus, dass der Staat als Träger der Verantwortung für die Lösung des Problems und Koordinator der Beiträge aller Akteure fungieren sollte. Auch wenn dies nicht gleichbedeutend mit hierarchischer Steuerung ist, finden die Verhandlungen und Koordinationen dennoch „im Schatten der Hierarchie” statt: Die Möglichkeit hierarchischer Durchsetzung kann Einigungsbereitschaft erzeugen, was bewusst genutzt werden sollte.

Auch auf der Ebene von Governance, von Koordination, verbindlichen Rahmenbedingungen und institutionellen Lösungen hat die Tagung einen inspirierenden Austausch ermöglicht.


SeSch

 
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erstellt von Administrator zuletzt verändert: 10.05.2012 09:23