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BerlinerFachkongress

„Verwaltung gendern im Mainstream?“ 1. Fachkongress über Gender Mainstreaming / Gender Budgeting in der Berliner Verwaltung. Kritische Bestandsaufnahme und Perspektiven, 19.06.06

Am 19.06.06 fand im Rathaus Schöneberg zum ersten Mal ein Fachkongress der Berliner Verwaltung statt, der sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Zwischenbilanz zur Umsetzung von Gender Mainstreaming / Gender Budgeting zu ziehen und über bisherige Erfahrungen zu informieren. Die Organisation und die Konzeption oblag Dr. Ute Weinmann von der Berliner Gender Mainstreaming-Geschäftsstelle. Die Tagung war mit rund 250 Personen sehr gut besucht und zeigte sowohl das große Interesse als auch den großen Bedarf an Vernetzung und Austausch.

Die Eröffnung der Tagung übernahm mit engagierten Worten für eine gleichstellungsorientierte Veränderung der Verwaltung Senator der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Harald Wolff. In dem anschließenden Gastvortrag führte Prof. Dr. Theresa Wobbe von der Universität Erfurt anhand rechtlicher Entwicklungen im europäischen Vergleich in „Umbrüche“ in der Gleichstellungspolitik und der Geschlechterforschung ein. Nach diesen eher allgemeinen Ausführungen über den politischen und wissenschaftlichen Kontext von Gender Mainstreaming fand ein Podium mit Vertreterinnen und Vertretern der Berliner Senats- und Bezirksverwaltungen statt, das Dr. Barbara Stiegler moderierte. Hier wurden anhand der Fragen zu den „Highlights“ und den Problemen des Implementierungsprozesse konkrete Implementierungsschritte und unterschiedliche Perspektiven vorgestellt. Als gelungenen Prozess nannte der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Inneres, Ulrich Freise, z.B. im Bereich der Personalentwicklung die Förderung von Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Die Bezirksbürgermeisterin aus Lichtenberg, Christina Emmrich, verwies auf die gelungene praktische Anbindung von Gender Mainstreaming in Maßnahmen der Sportförderung. Sie betonte die damit einhergehende Qualitätssicherung durch neue Perspektiven in der Facharbeit.
In der Berliner Verwaltung wurden verschiedene Wege der Implementierung beschritten: z.B. Zielvereinbarungsmodell mit Mitarbeitenden-Befragung (Senatsverwaltung für Inneres), Abteilungsleiter/-innen-Runden und Pilotphase bei der Haushaltsaufstellung (Senatsverwaltung für Finanzen) oder Steuerungsgremium unter Leitung der Bürgermeisterin (Lichtenberg). Dr. Regina Frey, die als Gender-Expertin auf dem Podium saß und als externe Beraterin viele Implementierungsprozesse in Berlin begleitet hat , sah sowohl Vor- als auch Nachteile in den Strategien: Während breit angelegte Verfahren eine hohe Beteiligung ermöglichen, stehen die Bezirke nach dem Abschluss ihrer Pilotprojekte vor der Herausforderung, Gender Mainstreaming in der Regelpraxis zu verankern. Hierbei stellt sich aus ihrer Sicht vor allem die Frage nach einer verbindlichen Top-down Steuerung.
Als Probleme bei der Umsetzung benannten die Referentinnen und Referenten beispielsweise den schwer einzuholenden Anspruch der „flächendeckenden Anwendung“ von Gender Mainstreaming, das fehlende Controlling – das gerade im Anschluss an die Pilotphase zu einem Mangel an Zielperspektiven führe – und das Problem, dass „verbalen Bekenntnissen“ oft keine Taten folgten. Ein problematischer Aspekt, der bereits in dieser Runde viel Beipflichtung erhielt und sich später auch in dem abendlichen Abschlussplenum widerspiegeln sollte, war die Frage nach dem Ziel von Gender Mainstreaming: Was genau bedeutet Gleichstellung? Es ist die Erfahrung der bisherigen Umsetzungspraxis von Gender Mainstreaming, dass die geschlechterpolitischen Zielstellungen oft unklar bleiben, weil konkrete Ziel-Operationalisierungen und Controlling fehlen. Vor allem mit Blick auf die Evaluation von Gender Mainstreaming stellt sich in Zukunft die Aufgabe, Verfahren zu entwickeln, die Gleichstellungswirkung messbar machen.

Am Nachmittag wurde in acht parallelen Foren zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in einzelnen Fachpolitiken gearbeitet. Den größten Andrang gab es in Forum 2 zum Thema Gender Budgeting und im Forum 3 zu Gesundheitsmanagement. Auch das Forum 8 zu Gender Mainstreaming in der Öffentlichkeitsarbeit, in dem das GenderKompetenzZentrum mit einem Beitrag vertreten war, war sehr gut besucht. Moderiert wurde das Forum von Marion Lührig vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie in Brandenburg und von Kerstin Rippel aus Berlin. Thema des Vortrages von Sandra Smykalla, wissenschaftliche Mitarbeiterin des GenderKompetenzZentrums, war die Arbeitshilfe Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Die Arbeitshilfe Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist 2003 als Ergebnis aus einem Pilotprojekt des Bundespresseamtes (BPA) und des damaligen BMWA hervorgegangen. Sie wurde als elektronische Handreichung konzipiert und 2004 an die Referate der Öffentlichkeitsarbeit in allen Ressorts übergeben. Entwickelt wurde diese Arbeitshilfe von einer „Interministeriellen Koordinationsrunde“ an der die Referatsleiter der Referate für ÖA beteiligt waren. Die übergeordnete Frage der Arbeitshilfe lautet: Kann eine Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit das Produkt durch Gender Mainstreaming zielgerichtet verbessern? Um zur Beantwortung konkrete Hilfestellung geben zu können, formuliert die Arbeitshilfe Prüffragen für einzelne Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit, wie z.B. zur Botschaft des Produkts, zur Produktart, zu den Inhalten des Produkts (Relevanz des Themas, Geschlechterstereotype), zur geschlechtergerechte Sprache und zur Entscheidungsvorlage. Die Erfahrungen mit der Arbeitshilfe wurden in einem gestuften Verfahren ca. ein Jahr nach dem Einsatz vom BPA evaluiert. Die Abfrage zeigte, dass es positive Rückmeldungen zu einzelnen Teilen der Arbeitshilfe gibt. Als verbesserungswürdig wird die Bekanntmachung und die Verpflichtung zur Beachtung der Checkliste benannt. Am Ende des Vortrags wurden anhand des Geschäftsberichtes der Bundesregierung 2005 und des Internetauftritts der Bundesregierung beispielhaft Fotodarstellungen von Frauen und Männern präsentiert und unter einer Gleichstellungsperspektive analysiert. Gute Beispiele für eine gleichstellungsorientierte Darstellung waren jene Abbildungen, die eine Ausgewogenheit in der Darstellung von Frauen und Männern in ihrer Lebens- und Arbeitswelt verwirklichen. Dazu gehört die ausgewogenen Benennung von Frauen und Männer und die Vermeidung einer stereotypisierenden Abbildung auf der Ebene der Bildinhalte, aber auch in Bezug auf die Kameraeinstellungen.
Ebenfalls eine Arbeitshilfe stellte die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Justiz, Dr. Juliane Baer-Henney, vor. Sie zeigte am Beispiel des Abfassens einer Pressemitteilung wie diese gleichstellungsorientiert gestaltet werden kann. Weitere Beiträge des Forums waren ein Vortrag von Dorothea Lüdke, Koordinatorin des Zusatzstudiengangs „Genderkompetenz“ an der Freien Universität Berlin über die Möglichkeiten von E-Learning in der Vermittlung von Gender Mainstreaming. Sie führte, basierend auf ihren Erfahrungen aus dem Studiengang „Genderkompetenz“ in Vorteile und Möglichkeiten software-unterstützten Lernens ein und stellte interessante Projekte, wie z.B. ein Gender Mainstreaming-Portal, vor. Marianne Lange, Sprecherin des Journalistinnenbundes Berlin, präsentierte in ihrem Beitrag einige Aktivitäten des Deutschen Journalistinnenbundes, so z.B. das Mentoring-Projekt „old-girls-network“, das Projekt „Angela watch“, eine Beobachtung der „Kandidatinnenkür“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Medien und „GMMP“, ein quantitatives Analyseverfahren zur weltweiten Medienbeobachtung.

Die Tagung endete im Anschluss an die Arbeit in den Foren mit einem gemeinsamen Abschlusspodium, das wiederum von Dr. Barbara Stiegler moderiert wurde. Zentrale Frage war die nach einer nachhaltigen Gender-Politik. Es wurden insbesondere Wünsche an die Wissenschaft einerseits und die Verwaltung andererseits formuliert. Durch die heterogene Besetzung des Podiums entstand eine produktive Mischung aus verschiedenen Perspektiven auf Theorie und Praxis, die durchaus kontrovers diskutiert wurden. Während beispielsweise Susanne Ahlers, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, die Wissenschaft als kritische Begleitung von Gender Mainstreaming ansah, die auch die Gefahr der Verfestigung von Geschlechterrollen zu reflektieren habe, wollte hingegen Dr. Kristin Körner vom Ministerium für Gesundheit und Soziales in Sachsen-Anhalt die Wissenschaft stärker als Aktionsforschung und Prozessbegleitung verstanden wissen. Von der Forschungsseite aus sollten konkrete Handlungsempfehlungen an die Praxis erteilt werden können. Dr. Michael Meuser, Universität Duisburg-Essen, wies in diesem Zusammenhang auf die Doppelfunktion von Wissenschaft hin: Einerseits solle diese umsetzbare Ergebnisse für die konkrete Praxis liefern – hier nannte er als Beispiel die Arbeit des GenderKompetenzZentrums – und andererseits aber sollte die Wissenschaft auch weiterhin Impulse jenseits von Verwertungsinteressen geben. Eine ganz andere und neue Forschung zu Gender Mainstreaming schlug die Schweizer Ökonomin Mascha Madörin vor, die sich eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Netzwerken wünschte. Sie verwies auf Erfahrungen mit UNIFEM oder UNDP und sprach sich für die Anerkennung „unkonventioneller“ Forschungsorte von Seiten der Verwaltung und Wissenschaft aus.
Den Ausklang der Tagung bildete ein „Marktplatz“, auf dem die Ergebnisse der acht Foren auf Stellwänden präsentiert wurden, die dann bei Fingerfood vom Buffet, einem Glas Sekt und musikalischer Umrahmung betrachtet werden konnten. Die Beiträge der Tagung werden in einer Tagungsdokumentation veröffentlicht.

Smy

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 16.05.2012 14:03